Chemnitzer Morgenpost

Club Achtermai Auf die ganz harte Tour

- Von Johannes Pittroff

Die Wende brachte viele buchstäbli­che Freiräume: leere Fabriken, Hallen und Kulturhäus­er. So auch das frühere „Betriebsku­lturhaus 8. Mai“in Siegmar - das in den 90er-Jahren zum Techno-Tempel „Achtermai“wurde.

Hier feierte die junge Elektronik-Szene ihre wildesten Partys, Star-DJs aus ganz Deutschlan­d reisten an. Chemnitz wurde zum Mekka für Techno-Fans der härteren Gangart - und eroberte sogar die Berliner „Loveparade“.

Jörg Vieweg (50), heute als Stadtrat der SPD Fraktion be kannt, brachte 1998 den Techno nach Siegmar. Das einstige Kulturhaus des „VEB Großdrehma­schinen 8. Mai“an der Lassallest­raße - hier spielten bis zur wilden Wendezeit Größen wie die Puhdys stand seit Jahren leer. Zusammen mit zwei Freunden wagte Jörg Vieweg ein wahnwitzig­es Unterfange­n: Sie wollten den alten DDR-Bau in einen Techno-Club verwandeln. „Am Anfang haben uns alle für verrückt erklärt“, erinnert sich Jörg Vieweg.

Sie statteten das frühere Kul turhaus mit DJ-Pult und einer ordentlich­en Anlage aus. „Dort ging der Rave ab“, sagt Jörg Vieweg. „Manche gingen nur mit Ohropax rein.“Das gewagte Projekt war ein voller Erfolg: Schon im Jahr 2000 hatte sich der „Achtermai“-Club einen Namen gemacht. Junge Leute pilgerten von weither jedes Wochenende nach Sieg mar: „Wir hatten Gäste aus Berlin, Frankfurt, Tschechien, Italien.“DJ-Größen wie Carl Cox (58) und Chris Liebing (52) kamen nach Chemnitz, um den Partywütig­en einzuheize­n. Aufgelegt wurde mit Schallplat­ten - die DJs hatten sie kofferweis­e im Gepäck, manche kamen mit Kofferträg­ern angereist.

Die Szene vereinte die unterschie­dlichsten Menschen: „Es war sehr breit gefächert, vom Rechtsanwa­lt über den Taxifahrer bis hin zum Schlosser. Es gab viel studentisc­hes Publikum, aber auch Lehrlinge“, sagt „Achtermai“-Begründer Jörg Vieweg. Neben der Liebe zur elektronis­chen Musik vereinte sie die ausgefalle­ne Kleing: „Die Outfits waren sehr rückt und bunt. Man hat hlaghosen und Blümchenmd angezogen, manche Herhatten auch Netz-Oberteile “Auch bei den Getränken r sich die Szene einig: „Es b alles Erdenklich­e mit Red l, sogar Becherovka.“it dem „Achtermai“-Club affte es die Chemnitzer ene bis auf die Berliner veparade“- mit einem bst gebauten Truck fuhren

Techno-Verrückten von 2001 bis 2003 zu dem Kult Event. In seiner Heimatstad­t war der „Achtermai“jedoch umstritten. „Wir hatten viele Befürworte­r in Chemnitz - aber auch Gegner“, sagt der einstige Club-Chef Vieweg. So manchem Anwohner waren die lautstarke­n Partys ein Dorn im Auge.

Letztlich sorgten Veränderun­gen in der Techno-Szene für das Aus. Um 2004 war das Publikum weniger und älter geworden. Außerdem hatte der Vermieter andere Pläne für das Grundstück. Am 30. August 2004 zogen die Elektronik-Fans aus dem einstigen VEB-Kulturhaus, einen Tag später wurde es abgerissen. Die Fläche steht noch immer leer

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2004 der Club „Achtermai“.
Einst Pilgerstät­te für Techno-Fans: Jörg Vieweg (50) vor den alten VEB-Hallen in Siegmar. Hinter dem Turm stand bis 2004 der Club „Achtermai“.
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Der „Achtermai“tanzt auf der „Loveparade“, 2003. Im rot-weißen T-Shirt: Club-Chef Jörg Vieweg. H
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sah ein typischer „Achtermai“-Rave aus.
Verrückte Outfits, stundenlan­ges Tanzen: So sah ein typischer „Achtermai“-Rave aus.
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Mit einem ChemnitzTr­uck feierte der Club „Achtermai“von 20012003 auf der Berliner „Loveparade“. E
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Club in Siegmar an.
Der Abend kann beginnen: DJ „Recall 8“kommt mit Koffern voller Schallplat­ten am Club in Siegmar an.
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DJ „Recall 8“gehörte zur Stammbeset­zung des „Achtermai“, hier im Jahr 2003.

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