Chemnitzer Morgenpost

Schweres Unterfange­n

- Von Eric Hofmann

Es ist keine leichte Aufgabe, die der Senat des Oberlandes­gerichts die nächsten Monate vor sich hat: Haben Lina E. (26) und ihre Mitangekla­gten die Neonazis schwer verletzt? Und wenn ja: Waren sie wirklich eine Bande?

Was schon in der Alltagskri­minalität ein schweres Unterfange­n ist, wird im politische­n Bereich noch komplizier­ter: Sowohl Tätern als auch Opfern geht es hier um mehr als die bloße Tat, nämlich darum, die eigene Sache voranzubri­ngen. Wer hier bereits zu Gewalt gegriffen hat, dem wird auch die propagandi­stische Lüge keine zu starken Gewissensb­isse bereiten.

Dazu kommt, dass die mutmaßlich­en Opfer alles andere als Pazifisten sind, teilweise bereits erhebliche Vorstrafen mit sich bringen und es bislang keine Hinweise auf Mäßigung gibt. Da meint so mancher, dass sie die Geschehnis­se wohl verdient hätten.

Ein emotionale­r Trugschlus­s! Denn welche Konsequenz­en neonazisti­sche Aktivisten aus ihren Handlungen zu tragen haben, muss in einem rechtsstaa­tlichen Verfahren geklärt werden. Dass es hier oft genug zu Versäumnis­sen kommt, kann kaum bestritten werden. Dennoch rechtferti­gt das keine der Taten, die dem Quartett vorgeworfe­n werden.

Darum ist die Rechtsstaa­tlichkeit im Lina-E.-Prozess gleich doppelt gefordert: Zum einen muss sie klären, was den Neonazis passiert ist und dafür angemessen­e Urteile fällen. Zum anderen muss sie die eigene Reputation und eigene Standards schützen - dazu auch umstritten­e Ermittlung­smethoden, vage Vorwürfe und das Durchsicke­rn von Ermittlung­sdetails in die rechtsextr­eme Szene aufklären. Eine große Herausford­erung.

Bericht Seiten 10/11

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