„Realistisch werd en die Preise für Benzin und Diesel steigen,jaklar!“
DRESDEN - In acht Tagen ist Bundestagswahl. Zeit, die Parteien und ihre Ziele genauer vorzustellen. Wir werden für Sie Spitzenpolitiker der großen Parteien interviewen, Wahlprogramme genauer beleuchten und Ihnen Informationen rund um die Bundestagswahl am 26. September liefern. Heute: Katrin Göring-Eckardt (55), die mit ihren Grünen viel vorhat.
Die Grünen sind fulminant in den Bundestagswahlkampf gestartet, dann aber genauso fulminant abgestürzt. Was ist eigentlich passiert?
Göring-Eckardt: Die Umfragewerte waren sicher schon einmal besser, aber wir würden mit diesen Werten unser Wahlergebnis vom letzten Mal fast verdoppeln. Ich glaube, bei vielen Menschen hat dieser Wahlkampf eine ungewohnte Verunsicherung erzeugt. Angela Merkel tritt als Kanzlerin ab und alle, die für ihre Nachfolge kandidieren, wären damit neu in diesem hohen Amt. Weil das seit 1949 zum ersten Mal so passiert, ist sehr viel in Bewegung. Eigene Fehler in den ersten Wochen kamen auch hinzu, das ist ja klar. Aber jetzt geht es um Inhalte, besonders fürs Klima ist diese Wahl entscheidend. Die letzte Wahlkampfwoche liegt vor uns – und die werden wir nutzen!
Das Thema Fehler ist ein ganz gutes Stichwort: Die anderen Spitzenkandidaten
stecken ihre Skandale und Skandälchen deutlich besser weg als Annalena Baerbock. Wäre der erfahrenere Robert Habeck nicht doch die bessere Wahl gewesen?
Nein. Ehrlich gesagt: Wenn man sich anschaut, aus was alles große Sachen gemacht worden sind bei ihr und womit andere dann relativ leicht durchkommen, dann bin ich schon in tiefer Bewunderung, wie sie das wegsteckt und für den Aufbruch kämpft. Wo Fehler waren, hat sie die eingestanden, sich entschuldigt und weitergekämpft. Bei Olaf Scholz war die Methode stattdessen: wegducken, kleinreden und sich auf Erinnerungslücken berufen - ob im Wirecard-Skandal oder bei mehreren Untersuchungsausschüssen. Was für ein Unterschied. Und in den Triellen hat man gesehen: Das ist die Annalena Baerbock, die geradesteht, die stark ist und für die Sache kämpft. Viele Menschen, mit denen ich spreche, geben mir das zurück.
Frau Göring-Eckardt: Linke oder Lindner?
Starke Grüne!
Warum konnten die Grünen eigentlich nicht den gleichen Hype für den Klimaschutz erzeugen, wie das Greta Thunberg geschafft hat?
Greta Thunberg hat etwas sehr Besonderes getan, was für eine Partei nur schwer möglich wäre. Sie wurde zur Sprecherin einer Generation. Einer Generation der Schülerinnen und Schüler, die die riesigen Herausforderungen und den politischen Handlungsdruck sehen, aber deren Stimmen aufgrund ihres Alters von der Wahl ausgeschlossen bleiben, obwohl diese Krise sie am meisten betrifft. Daher ihre Anklage: Ihr stehlt unsere Zukunft.
Die Grünen leiden stellenweise unter dem Image, eine Partei für gutverdienende Städter zu sein, die es sich finanziell leisten können, Grün zu wählen. Was ist dran an dem Mythos?
Das ist wirklich Quatsch! Ich kenne keine andere Partei, die sich so viele Gedanken darüber gemacht hat, wie man Stadt und Land zusammenbringt. Ich finde, das ist auch der entscheidende Punkt. Ich erlebe viel zu viele in der Politik, die eher Kapital daraus schlagen, Stadt und Land gegeneinander auszuspielen. In der Realität verwischen die Grenzen. Viele Menschen wohnen auf dem Land und pendeln in die Stadt. Manche machen das, weil sie das Leben außerhalb der Stadt genießen; andere, weil sie sich die Miete in der Stadt nicht mehr leisten können. Statt Gräben zu ziehen, könnten wir politische Lösungen für viele Themen finden.
Wie kommt man eigentlich vom Land in die Stadt und umgekehrt?
Ich würde mir wünschen, mit einem gutem und häufig fahrenden öffentlichen
Nahverkehr. Aber in der Realität ist es natürlich so, dass man auf dem Land meist immer noch auf den Individualverkehr, also vor allem das Auto, angewiesen ist. Das ist gut für die, die ein Auto und einen Führerschein haben. Aber im Umkehrschluss sind alle die aufgeschmissen, die eben kein Auto haben oder nicht fahren können. Ich finde, wir müssen mehr dafür tun, dass es Alternativen gibt. Immer mehr Leute haben angesichts der Möglichkeiten, die Home-Office bietet, gar keine Lust mehr zu pendeln. Besonders für den ländlichen Raum bietet das echte Chancen.
Schön und gut: Aber was ist denn mit den Menschen, die wirklich mit dem Auto pendeln müssen? Ab welchem Preis ist denen der Liter
Super 95 nicht mehr zumutbar?
Der CO2-Preis ist ein Teil dessen, was der Liter Benzin jetzt schon kostet. Union und SPD haben 2021 einen CO2 Preis eingeführt, der beständig steigen soll. Wir wollen einen dieser Erhöhungsschritte auf 2023 vorziehen. Im Vergleich zu 2020 wären das bei Union und SPD 15 Cent mehr, bei uns sind es 16 Cent, also ein Cent mehr - wobei ein Teil der Preissteigerung schon Anfang dieses Jahres stattgefunden hat, es geht also jetzt um 9 oder 10 Cent.
Realistisch sind es momentan aber ungefähr 40 Cent …
Realistisch werden die Preise für fossile
Treibstoffe wie Benzin und Diesel steigen, ja klar! Weil das klimaschädliche CO2, das bei deren Verbrennung entsteht, einen Preis bekommen hat und der Stück für Stück steigt. Darin sind sich auch alle einig, denn so soll der Übergang in eine klimaneutrale Wirtschaft gelingen. Entscheidend ist, dass wir das so gestalten, dass es sozial gerecht geschieht und Mobilität bezahlbar bleibt. Wir wollen das unter anderem mit einem Energiegeld lösen, mit dem die Einnahmen des CO2-Preises an die Bürgerinnen und Bürger zurückfließen. Eins zu eins, zu gleichen Teilen an jede Person.
In ihrem Wahlprogramm sagen die Grünen, dass sie Kurzstreckenflüge gerne überflüssig machen wollen. Was sind für Sie aber Kurzstreckenfüge?
Das sind zum Beispiel Entfernungen, die man innerhalb von 4 Stunden mit der Bahn erreichen kann.
Ist eine Stimme für die Grünen auch eine Stimme für das Impfen?
Ja! Eine Stimme dafür, dass sich so viele Menschen wie möglich impfen lassen. Neben der eigenen Gesundheit tut man das auch für die anderen. Für die eigene Großmutter, für die Kinder in der Schule insbesondere, die sich selbst noch nicht impfen lassen können. Deshalb ist das auch ein Akt der Solidarität.
Warum befürworten die Grünen Maßnahmen wie 2G? Fällt es wirklich so leicht, am Beispiel Sachsen knapp die Hälfte der Bevölkerung auszugrenzen?
Jeder hat auch das Recht, sich nicht impfen zu lassen. Aber es gibt kein Recht darauf, andere und vor allem Kinder dafür quasi in Mithaftung zu nehmen und in Konsequenz deren Freiheiten einzuschränken. Unser Grundgesetz garantiert Freiheitsrechte. Sie können nur eingeschränkt werden, wenn eine ernsthafte Gefährdung der Bevölkerung wie beispielsweise eine Überlastung des Gesundheitssystems durch zu viele Corona-Kranke mit schweren Verläufen vorliegt. Aber es gibt keine Begründung, die Freiheitsrechte aller Menschen einzuschränken, weil sich einzelne Leute nicht impfen lassen und damit andere in Gefahr bringen. Jeder kann das für sich entscheiden, muss dann aber auch die Folgen des eigenen Handelns berücksichtigen.