Chemnitzer Morgenpost

Vom Unternehme­r zum sozialisti­schen Betriebsdi­rektor

Hans-Jürgen Mühle aus Glashütte

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GLASHÜTTE - „Am Vortag war ich noch der böse Kapitalist mit 54 Mitarbeite­rn - und über Nacht war ich plötzlich Direktor einer sozialisti­schen Produktion.“Heute kann Hans-Jürgen Mühle (80) darüber lachen. Denn in mittlerwei­le sechster Generation wird das Uhrmacher-Handwerk seiner Familie in der Glashütter Manufaktur „Nautische Instrument­e Mühle“erfolgreic­h fortgeführ­t.

Der Tag, der für ihn alles änderte, war der 17. April 1972. Erst zwei Jahre zuvor hatte Hans-Jürgen Mühle nach dem Tod von Vater Hans dessen Unternehme­n „Ing. Hans Mühle“übernommen - dem einzigen Hersteller von Zeigerwerk­en für Druck- und Temperatur­messgeräte in Ostdeutsch­land. „Wollte Staats-Chef Ulbricht noch den Sozialismu­s mit dem Mittelstan­d aufbauen, so setzte Honecker auf komplette Verstaatli­chung“, erinnert sich der Senior-Chef. „Wir bekamen vom Betriebswi­rtschaftsr­at Dresden das Angebot, den Betrieb zu verkaufen. Nur dann konnte ich mich für die Geschäftsf­ührung bewerben.“

Als dreifacher Familienva­ter hatte Mühle nicht wirklich eine Wahl. „Es wurde eine Inventur gemacht und der Betrieb mit 135 000 DDR-Mark bewertet“, erzählt Mühle. „Das Geld kam auf ein Sperrkonto ohne Zinsen, von dem ich jährlich 5 000 DDR-Mark bekam.“27 Jahre wollte sich die DDR für die „Ratenzahlu­ng“Zeit lassen!

Aus dem Familienun­ternehmen wurde der VEB Feinmechan­ik Glashütte - und Hans-Jürgen Mühle Direktor. Als 1980 der Betrieb dem Glashütter Uhrenbetri­eb (GUB) einverleib­t wurde, war Mühle für den weltweiten Vertrieb für Schiffsuhr­en und Chronomete­r verantwort­lich. Für die Treuhand lenkte er 1990 den Betrieb in neues wirtschaft­liches Fahrwasser.

Doch die Wende war ein Neuanfang - Hans-Jürgen Mühle gründete 1994 das Unternehme­n „Nautische Instrument­e Mühle - Glashütte“. Die Anfrage eines Werft-Kunden nach wasserfest­en Armbanduhr­en richtete die Produktion neu aus. „Heute fertigen wir zu 95 Prozent Armbanduhr­en, etwa 8 000 bis 9 000 Uhren pro Jahr, etwa für die Seenotrett­er. Aus meinen anfangs drei Mitarbeite­rn sind 66 geworden“, sagt Mühle stolz. Sohn Thilo (53) führt seit 2007 das Unternehme­n - „ich mach nur n h Füh

Ich kann ja viel erzähl der Senior.

 ?? ?? Hans-Jürgen Mühle (80) hat mit seinem Vater Hans (†1970) das Uhrenhandw­erk über zwei Enteignung­en und auch über die Wende gerettet.
Hans-Jürgen Mühle (80) hat mit seinem Vater Hans (†1970) das Uhrenhandw­erk über zwei Enteignung­en und auch über die Wende gerettet.

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