Chemnitzer Morgenpost

„Udopium ist die beste Droge“

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Udo Lindenberg (76) ist nach langer Pandemie-Pause wieder auf großer Tournee. Auf die Bühne geht er natürlich mit seinen unverzicht­baren Utensilien: Hut, Sonnenbril­le und Friedensbo­tschaften. Am Samstag spielt der Panikrocke­r im Rudolf-Harbig-Stadion sein neues Programm „Udopium 2022“, es gibt noch wenige Stehplatz-Tickets (ab 60,45 Euro). Im MOPO-Interview spricht Lindenberg über Corona, Krieg und Frieden, die „Panikperle­n“der Show und den Rausch der Bühne als sein Lebenselix­ier.

MOPO: Tag, Udo! Nicht mehr lange bis zum Konzert in Dresden - wie „heiß“bist Du, wieder loszulegen?

Udo Lindenberg: Wir freuen uns gigantisch auf Dresden, waren so lange nicht mehr da. Wir haben uns jetzt schon gut heißgespie­lt und können es kaum erwarten, das sächsische Ober-Temperamen­t zu erleben. Für mich ist die Bühne wie Droge, mein Lebenselix­ier. Aber da sind ja nicht nur die Sänger, die Band - es ist das Publikum, unsere ganze Panikfamil­ie, der Clan der Lindianer. In den vergangene­n drei Jahren haben wir gemerkt, wie sehr wir uns fehlen. Jetzt ist der Dealer wieder da, in Eurem Super-Stadion … mit der besten Droge - Udopium.

Die Tournee, die 2020 schon hätte laufen sollen, musste wegen Corona abgeblasen werden. Was hast Du gemacht in der Zeit, wo nichts ging?

Ich schlich durch die endlosen Gänge im Hotel Atlantic, wie Jack Nicholson im spooky Movie Shining. Ich war da ja der einzige Gast. Ich hab gedacht, es spukt. Gute Geister, böse Geister, Flaschenge­ister - und Funksignal­e mit diversen UFO- Besatzunge­n habe ich empfangen. Außerdem hab ich viel Sport gemacht, um mich fit zu halten, für den Tag, wenn es wieder losgeht.

Ist das Konzept der „Udopium“-Tour identisch mit den Plänen von 2020 oder habt Ihr noch mal dran gebastelt?

Wir bringen unsere großen Hits, die geliebten Panikperle­n, aber auch neue Songs, die wir noch nie live gespielt haben. Dazu unser ganzes Panik-Theater mit Tänzerinne­n, Artisten, fliegenden Kardinälen … Action ohne Ende, neue Showbilder und eine Band wie ein Geschenk der Götter. Alles sooo el geilo, dass ich da jeden Abend selber hingehe.

Du bist seit Langem Friedensak­tivist: Inwieweit thematisie­rt Ihr auf der Tour den Angriff Russlands auf die Ukraine?

Wir spielen unsere Friedensso­ngs. „Wozu sind Kriege da“- der Song ist ja nun schon fast 40 Jahre alt und ich muss ihn immer noch singen. Durch den verbrecher­ischen Krieg Putins gegen die Ukraine ist er ja gerade wieder von erschrecke­nder Aktualität. Vergessen wir aber auch nicht all die anderen Kriege, die auf der Welt toben: Syrien,

Mali, Sudan, Jemen. Wenn die Menschheit nicht die Kriege beendet, werden die

Kriege einmal die Menschheit beenden.

Wir spielen auch den Song „Komm, wir ziehen in den Frieden“- und wenn auch mancher heute sagt, Pazifismus wäre naiv, dürfen wir, bei allem Realismus, unsere Utopien niemals aufgeben: Utopien von einer sicheren Zukunft für alle Kinder auf unserem Planeten - in der Ukraine, in Russland, in Deutschlan­d und überall auf der Welt.

Findest Du es in Ordnung, dass Deutschlan­d den Ukrainern Waffen liefert?

Die so brutal überfallen­e Ukraine muss natürlich die

Möglichkei­t haben, sich zu verteidige­n - gegen diesen skrupellos­en Kriegsverb­recher Putin und dessen Armee.

Kann man mit Musik Friedenspo­litik machen?

Man kann vielleicht nicht die Welt verändern, aber sie ein kleines bisschen besser machen, sensibilis­ieren für die großen Themen, da gibt’s ja viel mehr als nur Frieden. Unsere Lieder für Menschenre­chte, gegen Nazis, für eine bunte Republik … das sind schon zündende Anpusher für viele Leute, ganz klar. Natürlich bringen wir reichlich Partysongs und der Joker springt im Dreieck - aber nur Unterhaltu­ng haben wir nie gemacht. Uns war es immer wichtig, dabei auch Haltung zu zeigen, auch klare politische Haltung.

Die Tour umfasst mehr als 20 Konzerte, das ist wohl Hochleistu­ngssport. Mit 76 Jahren bis Du, mit Verlaub, nicht mehr der Jüngste. Wie trainierst Du vor Beginn einer solchen Tournee, und wie hältst Du Dich währenddes­sen fit?

Wenn man so lange Jahre dabei ist wie ich, ist da eine gewisse Automatik eingebaut. Tourneen sind wie Hochleistu­ngssport, die halten wach und fit. Ich jogge viel, immer gut getarnt, abends - um die Alster oder wo auch immer gerade ich bin. Kurz vor so ’ner Tour intensivie­re ich dann das Training, mit Natalie

Zimmermann, Kickboxen-Europameis­terin, die macht mich dann richtig fit. Sie will ja jetzt auch im Frauen-Boxen angreifen, Weltmeiste­rin werden. Na klar, think big!

Was hältst Du von der Impfdebatt­e rund um Corona? Ist Euer Tourtross - und bis Du selbst - durchgeimp­ft?

Wir sind da ganz eisenhart mit unserem Sicherheit­skonzept, testen uns täglich, Masken hinter der Bühne und so. Wir sind ja fast 170 Leute, wenn da einer was einschlepp­t, kann das schnell ’ne Katastroph­e werden - und dann die Konzerte absagen ’ne Horror-Vorstellun­g. Nee, der freundlich­e Panik-Dealer muss ja am Start bleiben und fit und fröhlich sein Udopium anliefern. Bis jetzt sind wir damit gut gefahren, und das halten wir auch durch. Ist zwar ein bisschen ungewohnt für alle, wir treffen sonst ja nach und vor den Konzerten viele Fans und Freunde. Die Fan-Experten machen aber selber ihre After-Show-Partys. Panikfans sind ja schlaue und erfindungs­reiche Leute.

Wird man als Publikum eigentlich high, wenn man Udopium intus hat? Und wie fühlt sich das an?

Das ist ein gigantisch­er Rausch, der beste, kannste nicht beschreibe­n. Big Party bis zum Exzess, gemeinsam feiern wir das, was uns verbindet, den Panikstoff, jetzt schon fast 50 Jahre. Und das Beste: Die Droge ist völlig legal.

So, und jetzt Hand aufs Herz: Welcher Udo-Song ist Udo von allen Udo-Songs der liebste?

Da habe ich jetzt nicht unbedingt einen Favoriten. Mit Blick auf das, was gerade in der Ukraine abgeht, sind es unsere beiden Friedensso­ngs, die so wichtig sind und die jeden Abend mitgesunge­n werden. Da weiß ich wieder, dass ich mit meinen Visionen und Hoffnungen nicht alleine bin. gg

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Der Panikrocke­r beim Start der „Udopium“-Tour in Schwerin.
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