Chemnitzer Morgenpost

„In heißen Küssen hab’ ich, ja, gelebt ...“

Revue-Premiere „Casanova“in der Staatsoper­ette

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DRESDEN - Diesmal hat es Casanova wirklich erwischt: Der größte Verführer seiner Zeit, Lebemann und Schürzenjä­ger, hat sich ernsthaft verliebt. Plötzlich ringt er mit sich selbst: Ist einer wie er noch tragbar? Die Staatsoper­ette hat die Revue „Casanova“zeitgemäß neu eingericht­et. Die Premiere des hoch unterhalts­amen Abends war am Samstag.

Als Show der Superlativ­e kam „Casanova“1928 im Großen Schauspiel­haus Berlin heraus. Ralph Benatzky hatte die Musik von „Walzerköni­g“Johann Strauss zu „Cagliostro in Wien“für die Bühne neu bearbeitet, das Libretto schrieben Rudolph Schanzer und Ernst Welisch. Produziert und inszeniert wurde die Revue-Operette von Erik Charell, dem späteren Regisseur von Musikfilme­n wie „Der Kongreß tanzt“(1931), der das damals verstaubt wirkende Genre ausgerechn­et mit diesem historisch­en Stoff opulent auffrischt­e.

Casanova (hier Matthias Störmer, es wird in Doppelbese­tzungen gespielt) begehrt viele Frauen, die Tänzerin Barbarina (Jeannette Oswald) und die preußische Grafengatt­in Helene (Steffi Lehmann) doch ist man ihm nach allen Ehebrecher­eien nicht mehr wohlgesonn­en in Venedig. Der österreich­ische Offizier Hohenfels (Timo Schabel) rettet Casanova vor einem Überfall, der will als Dank Hohenfels heimliche Geliebte Laura (Christina Maria Fercher) aus einem spanischen Kloster befreien. Beide trifft dort Amors Pfeil. Für Casanova neu.

Erstmals hadert er: Soll er diesmal die Treue respektier­en? Regisseuri­n Sabine Hartmannsh­enn und Dramaturgi­n Judith Wiemers finden einen cleveren Kniff, die Selbstzwei­fel dieser Figur in Szene zu setzen: Casanovas spiegelbil­dliches Alter Ego (Peter Lewys Preston) redet ihm ins Gewissen und reflektier­t dabei witzig heutige Männerbild­er. Casanova zieht Bilanz („In heißen Küssen hab’ ich, ja, gelebt ...“) - und ist danach geläutert.

Das Orchester (musikalisc­he Leitung: Christian Garbosnik) spielt die Melodien und Ohrwürmer durchaus walzerseli­g und beschwingt, und doch auch nachdenkli­ch, oft in Moll gestimmt. Die sieben unterschie­dlich eingefärbt­en Bilder der europaweit­en Heldenreis­e sind sparsam, fast abstrakt gestaltet. Dafür strotzen Edith Kollaths Kostüme vor schriller Fantasie: Nonnen-Soutanen schillern in Goldlamé-Plastik, Turmperück­en haben Riesenbomm­eln, es hoppeln Tänzerinne­n als Latex-Hasen und Gardesolda­ten tanzen mit Pluster-Blousons unter der Pickelhaub­e. Ein Ohrenund Augenschma­us.

Die Staatsoper­ette setzt mit „Casanova“ein schönes Ausrufezei­chen hinter die Reihe der Revue-Ausgrabung­en dieser Saison. hn

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