Tony und Maria wie Romeo und Julia
P m W Deutscher Filmpreis
RATHEN - „Love your Dreams - Lebe deine Träume“steht auf einem Schild über der Bühne. Der Traum von einem besseren Leben und die raue Wirklichkeit prallen heftig aufeinander im berühmten Musical „West Side Story“von Leonard Bernstein, Stephen Sondheim und Arthur Laurents.
Es erzählt eine moderne „Romeo und Julia“-Geschichte im Milieu zweier verfeindeter Jugendbanden im New York der 50er-Jahre. Ein Wagnis ist es durchaus, ein solches Stück aus einer Metropole auf eine idyllische Naturbühne wie der Felsenbühne zu verlegen. Die Inszenierung feierte unter Regie von Manuel
Schöbel (61), Intendant der Landesbühnen Sachsen, am Freitag Premiere.
Das Wetter spielte mit. Der Regen hörte rechtzeitig auf, die Sonne kam wieder zum Vorschein und erhellte die urwüchsige, imposante Felskulisse statt der Wolkenkratzer New Yorks. Davor deutet eine rostige Wand ein Slumviertel an. Auf der Mauer eine Reklame mit glücklicher Familie im Auto, Symbol des „American
Dream“. Lebensgroße Kleiderpuppen werden hineinund herausgetragen, die schick angezogene erfolgreiche Menschen verkörpern. Eine schäbige Bude der Laden von Doc, seitlich auf der Bühne stehend. Auf der anderen Seite ein Klettergerüst, auf dem die Jugendlichen herumlümmeln und vom Aufstieg träumen. Außerdem ein Karussell, auf dem sie rotieren und ihre Kräfte messen.
Sie tanzen, treten, prügeln sich, Fäuste fliegen. Die überforderten Polizisten treiben sie zusätzlich an. Die Jungs der Jets tragen mal blaue Sportsachen und Anzüge mit Schlips, die Sharks (Haie), junge Puerto-Ricaner aus Einwandererfamilien, farbige Shirts und schwarze Lederjacken. Frauen in farbenfrohen Kleidern wirbeln temperamentvoll über die Bühne und schwärmen vom schönen Leben in „America“, dem fröhlich mitreißenden Ohrwurm.
Musik, Gesang und Tänze befeuern sich gegenseitig, mit viel südlichem Flair, Lebenslust und Rhythmik in warmem gelben Licht beeindruckend umgesetzt vom Orchester der Elbland Philharmonie (musikalische Leitung: Hans-Peter Preu, Choreografie: Marc Bollmeyer). Im temporeichen Spiel sind die Dialoge und Liedtexte manchmal akustisch schwer verständlich.
Stimmungsreich prallt die Musik Bernsteins voller Energie und spannungsvoller Gegensätze - mal romantisch-gefühlvoll und voller Lebensfreude, mal jazzig im Bigband-Sound, dann wieder grell, dissonant und unruhig pulsierend in den Kämpfen der Gangs - aufeinander. Der Konflikt eskaliert, als Maria (Anna Langner), eine schöne und selbstbewusste Puerto-Ricanerin, sich auf einem Tanzfest in Tony, einen „der anderen“verliebt. Jannik Harneit beeindruckt als ehemaliges Gang-Mitglied, das eine friedliche Einigung im Bandenkrieg sucht, mit lyrischem und zugleich entschlossenem Tenor. Die Botschaft, dass Liebe stärker ist als Hass und Gewalt, ist packend und berührend in Szene gesetzt, zeitlos und dringender denn je nötig in einer Welt voller Konflikte und Gräben. Ovationen im Stehen für diese großartige Aufführung.
Lilli Vostry