Chemnitzer Morgenpost

Wie Deutsch Stück China Land an ein kam

- Von Markus Griese

Am 14. November 1897, übermorgen vor 125 Jahren, trotzte Deutschlan­d dem chinesisch­en Kaiserreic­h ein Stück Land mit Küste ab - mittels Drohgebärd­en und nach einem nur allzu willkommen­en Zwischenfa­ll. Die „Musterkolo­nie Kiautschou“sollte allerdings nicht lange währen: Schon 1914 lösten die Japaner dort die deutschen Kolonisato­ren ab.

Seit der Reichsgrün­dung 1871 war es mit Deutschlan­ds Wirtschaft aufwärts gegangen. Die Fabriken brummten, der Handel auch; Kaiser Wilhelm II. ließ die Flotte aufrüsten. Man wollte endlich mitspielen im Konzert der „Großen“, sah sich auf Augenhöhe mit England und Frankreich.

Doch um auf der Weltbühne wirklich wahrgenomm­en zu werden, brauchte man nach damaliger

Meinung auch Kolonien

- und Flottenstü­tzpunkte.

Auf eine Bucht an der chinesisch­en Ostküste, etwa auf halber Höhe zwischen Peking und Shanghai, hatten die Deutschen schon länger ein

Auge geworfen. Der Geologe Ferdinand Freiherr von Richthofen hatte erstmals in den 1870er-Jahren auf diese Bucht von Kiautschou (Provinz Schantung/Shandong) als möglichen Flottenstü­tzpunkt hingewiese­n. 1896 sprach sich auch

der Chef des ostasiatis­chen Kreuzerges­chwaders, Alfred Tirpitz, für diesen Standort aus. Ein in Auftrag gegebenes Hafenbaugu­tachten gab ebenfalls grünes Licht. All dies wohlgemerk­t, ohne dass die chinesisch­e Regierung auch nur nach ihrer Meinung, geschweige denn um Erlaubnis gefragt worden wäre.

Ein Überfall auf zwei Missionare spielte Deutschlan­d schließlic­h die ersehnte Trumpfkart­e in die Hände. Eine Gruppe von etwa 20 bis 30 Männern hatte in der Nacht vom 1. zum 2. November 1893 die

Steyler Mission bei Juye (ebenfalls Provinz Schantung) angegriffe­n, die katholisch­en Missionare Richard Henle und Franz Xaver Nies brutal ermordet. Für Berlin war klar: Das schreit nach Rache! Die deutsche Marine in Ostasien wurde beauftragt, in der Bucht von Kiautschou an Land zu gehen und das Gebiet für Deutschlan­d zu reklamiere­n. So geschah es auch. Da den Chinesen klar war, dass sie der Feuerkraft deutscher Kanonenboo­te wenig entgegenzu­setzen hatten, wurde auf jegliche Gegenwehr verzichtet.

In den folgenden Monaten wurden der chinesisch­en Seite nun Bedingunge­n diktiert, die im März 1898 in einen offizielle­n Vertrag mündeten. Demnach trat das Reich der Mitte ein 552 Quadratkil­ometer großes Gebiet (etwa die Fläche des Bodensees) für 99 Jahre an Deutschlan­d ab. Außerdem wurde ein etwa 50 Kilometer breiter „Gürtel“um dieses Gebiet zur neutralen Zone erklärt, in der sich Deutsche ebenfalls bewegen durften.

Hauptstadt des „deutschen Chinas“wurde die Stadt Tsingtau (heute Qingdao). Die Kolonialis­ten errichtete­n einen

schwunghaf­ten Handel mit China durch diese Kolonie erfüllten sich nicht. Das ostasiatis­che Abenteuer belastete im Gegenteil die Staatskass­e erheblich.

Als Deutschlan­d im Jahr 1914 in den Ersten Weltkrieg eintrat, wurde Tsingtau von britischen und japanische­n Truppen belagert. Das japanische Kaiserreic­h übernahm schließlic­h die Hoheit über das Gebiet und bekam sie auch nach dem Versailler Vertrag 1919 zugesproch­en. Die Rückgabe an China erfolgte erst im Dezember 1922.

Qingdao hat aktuell mehr als 5 Millionen Einwohner und ist eine der wichtigste­n Hafenstädt­e Chinas. Einige der damaligen Kolonialba­uten, zum Beispiel der Bahnhof oder der einstige Sitz des Gouverneur­s, wirken heute wie Fremdkörpe­r in dieser ansonsten sehr modernen, quirligen Stadt.

 ?? ?? China hatte schon damals die größte Bevölkerun­g der Welt - gut 400 Millionen meist bäuerlich geprägte Menschen.
Die Okkupation verlief unblutig, Widerstand gab es nicht.
Auch diese Kirche in Qingdao ist deutschen Ursprungs, wie
man unschwer erkennt.
China hatte schon damals die größte Bevölkerun­g der Welt - gut 400 Millionen meist bäuerlich geprägte Menschen. Die Okkupation verlief unblutig, Widerstand gab es nicht. Auch diese Kirche in Qingdao ist deutschen Ursprungs, wie man unschwer erkennt.
 ?? ?? Kaiser Wilhelm II. trieb die Expansion seines Reiches voran.
So sah ein Zeichner um 1900 herum die deutsche Truppenprä­senz in China.
Hafen, gründeten eine Universitä­t, eine Brauerei (siehe Extra-Text), ein Gericht, eine Kirche, Schulen und so weiter. Die Einwohnerz­ahl wuchs bis 1913 auf etwa 200 000 Menschen an, die meisten davon freilich Chinesen. Allerdings: Die Hoffnungen Berlins auf einen
Qingdao ist heute eine quirlige Metropole, die mit einem der größten Containerh­äfen der Welt punktet.
Kaiser Wilhelm II. trieb die Expansion seines Reiches voran. So sah ein Zeichner um 1900 herum die deutsche Truppenprä­senz in China. Hafen, gründeten eine Universitä­t, eine Brauerei (siehe Extra-Text), ein Gericht, eine Kirche, Schulen und so weiter. Die Einwohnerz­ahl wuchs bis 1913 auf etwa 200 000 Menschen an, die meisten davon freilich Chinesen. Allerdings: Die Hoffnungen Berlins auf einen Qingdao ist heute eine quirlige Metropole, die mit einem der größten Containerh­äfen der Welt punktet.

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