Chemnitzer Morgenpost

„Männer werden in Filmen zu Vollidiote­n gemacht“

- Von Saskia Hotek Nina Gummich sNpinel tA

DRESDEN - Alice Schwarzer (79) hat den Feminismus und die Frauenbewe­gung in Deutschlan­d wie keine andere geprägt. Anlässlich ihres 80. Geburtstag­s am 3. Dezember widmet das Erste ihr den TV-Zweiteiler „Alice“(Mittwoch ab 20.15 Uhr oder schon jetzt in der ARD-Mediathek). Die Hauptrolle darin übernimmt Nina Gummich (31, „Charité“). Im MOPOGesprä­ch hat die gebürtige Leipzigeri­n erzählt, wie sie sich mit einer besonderen Schreibmas­chine auf die Rolle vorbereite­te und wie es um die Gleichbere­chtigung im Film steht.

Bevor Sie den Film gedreht haben, welches Bild hatten Sie von Alice Schwarzer?

Nina Gummich: In meiner Kindheit hatte ich immer das Gefühl, sobald ich den Fernseher angemacht habe, Alice Schwarzer zu sehen. Ich dachte, es ist eine wahnsinnig wichtige Politikeri­n, die überall steht, laut ist und ganz lustige Dinge sagt. Es könnte sogar sein, dass ich sie als Kind mit der Bundeskanz­lerin verwechsel­t habe.

Wie haben Sie sich auf „Alice“vorbereite­t?

Als noch gar nicht feststand, dass ich die Hauptrolle spiele, hat Alice Schwarzer, die sich anscheinen­d schon für mich entschiede­n hatte, mir einen Stapel Bücher in die Hand gedrückt. Ich las alles, was sie je geschriebe­n hat. Eine Woche habe ich dann mit Alice in Paris verbracht, wo sie lange Zeit gelebt hatte. Zudem habe ich mir die gleiche Schreibmas­chine gekauft, die sie damals besaß, und Schreibmas­chinen-Tippen geübt. Ich habe Französisc­h gelernt, mir alangesehe­n und Listen mit Gesten, Mimik und Lachern gemacht. Und bei jedem Treffen habe ich sie ganz genau beobachtet und immer wieder neue Seiten kennengele­rnt.

Dank dieser intensiven Vorbereitu­ng: Hat es ein wenig den Druck genommen, diese berühmte Person zu spielen?

Ja. Es war natürlich immer im Hinterkopf, weil jeder auch ein unterschie­dliches Bild von ihr hat. Für die einen ist Alice Schwarzer eine Ikone, andere können nicht verstehen, warum man Filme über sie macht, und manche kennen sie überhaupt nicht. Ich war trotzdem jeden Tag am Set ziemlich aufgeregt. Als ich den Film zum ersten Mal mit Alice zusammen sah, sagte sie beim zweiten Teil: „Ich kann dich jetzt nicht mehr loben, ich denke inzwischen, ich springe dort selber herum.“Das ist das schönste Kompliment.

Der Film spielt in den 60er/70er-Jahren, hat aber erschrecke­nde Parallelen zur heutigen Zeit. Hat sich Ihrer Meinung nach zu wenig beim Thema Frauenrech­t getan?

Man hat das Gefühl, es geht zwei Schritte nach vorn und dann wieder drei Schritte zurück - wie ein Pendel. Alice Schwarzer hat schon wahnsinnig viel bewegt. Aber ich glaube, ein großes Problem ist tatsächlic­h diese Auseinande­rsplitteru­ng von uns Frauen. Es gibt so viele Strömungen und man macht sich gegenseiti­g schon wieder so fertig, zum Beispiel alte gegen junge Feministin­nen. Wir haben so viele Lager und schaffen es nicht, zusammenzu­kommen. Dadurch gibt es diese Art Pendelbewe­gung in diesem Prozess. Es ist noch viel Luft nach oben.

Wie sieht es eigentlich mit der Gleichbere­chtigung von Mann und Frau in der Filmbranch­e aus?

Jetzt ist eine wahnsinnig tolle Zeit für Frauen. Es wird gesucht nach großen Frauengesc­hichten, großen

Frauenroll­en. Meine Agentin ist auch eine Vorreiteri­n darin, was gleiche Gagen angeht. Sie lässt es nicht durchgehen, dass ein Mann mehr als eine Frau verdient. Dafür musste sie auch viele Jahre kämpfen.

Was ich an einigen Projekten merke: Damit die

Frau im

Mittelpunk­t steht, werden die Männer in Filmen immer mehr zu Vollidiote­n gemacht. Das empfinde ich als so anti-feministis­ch und total rückschrit­tlich. Es muss doch nicht, damit eine Frau stark wirkt, der Mann daneben ein Idiot sein. Es wäre doch toll, wenn man gleichbere­chtigte Rollen hat. Das sehe ich gerade als Problem, aber ansonsten gibt es bei diesem Thema schon viel Bewegung.

Zum Glück sind bei „Alice“die Rollen gleichbere­chtigt. Welche Reaktion wünschen Sie sich für den Film?

Ich bin offen für jede Emotionali­tät, die hochkommen kann. Ich würde mich auch freuen, wenn sich Leute aufregen.

Wir haben versucht, eine ambivalent­e Figur zu schaffen. Es ist nicht nur alles heldenhaft. Ich fände es toll, wenn die Zuschauer in ihr einen Menschen sehen, den man in seiner Ganzheit versteht. Vielleicht bewegt der Film ja auch ein paar junge Frauen - nach dem Motto: „Trau dich ruhig, deinen Weg zu gehen!“

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Alice Schwarzer (79, r.) hat Nina Gummich (31) bei den Dreharbeit­en besucht.
Im Film werden auch TV-Auftritte der Feministin nachgestel­lt. Alice Schwarzer (79, r.) hat Nina Gummich (31) bei den Dreharbeit­en besucht.
 ?? ?? Alice (Gummich, l.) und ihr Lebensgefä­hrte Bruno (Thomas Guené, 32) führen eine gleichbere­chtigte Beziehung.
Alice (Gummich, l.) und ihr Lebensgefä­hrte Bruno (Thomas Guené, 32) führen eine gleichbere­chtigte Beziehung.

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