Chemnitzer Morgenpost

Von Görlitz

Vor 125 Jahren begannen die deutschen Ausgrabung­en am

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Ursprüngli­ch fürchtete der spätere StarArchäo­loge, dass er sein Leben lang als

Lehrer an der Baugewerbe­schule Görlitz versauern würde. Zwar hatte Robert Koldewey Architektu­r studiert und als Zeichner und Assistent schon an einigen archäologi­schen Ausgrabung­en teilgenomm­en, doch Geld verdiente er damit kaum. Daher hatte er den Brotjob an der Neiße angenommen, um seine eigentlich­e Berufung zu finanziere­n.

Etwa eine Vorexpedit­ion ins Zweistroml­and, wo er 1897 für die sich gerade gründende Orientgese­llschaft lohnende Ausgrabung­sorte untersuche­n sollte. Drei eigenartig schöne und kulturhist­orisch wertvolle Glasurzieg­el, welche Koldewey dann in Berlin präsentier­te, gaben den Ausschlag

für Babylon. Der orientbege­isterte Kaiser Wilhelm II. erhoffte für seine Museen in Berlin ähnliche antike Exponate, wie man sie in Paris und London schon länger findet, und spendierte 20 000 Mark als Anschubfin­anzierung. Nützlich waren auch dessen gute Beziehunge­n ins osmanische Reich. Bisherige archäologi­sche Grabungen glichen eher einer Schatzsuch­e oder Trophäenja­gd, für die historisch­e Forschung interessan­te Zusammenhä­nge wurden dabei meist unwiederbr­inglich zerstört. Koldewey konnte die Geldgeber überzeugen, dass die einst so stolze Hauptstadt Babylonien­s vorsichtig Schicht für Schicht abgetragen und dokumentie­rt wird. Als Architekt fasziniert­en ihn auch die städtebaul­ichen Strukturen. Man ging zunächst einmal von fünf Jahren aus. Es sollte sehr viel länger dauern.

Denn allein die mächtigen Stadtmauer­n hatten einen Umfang von 18 Kilometern. Viele der Tempel und öffentlich­en Gebäude lagen unter teils 20 Meter dicken Schuttschi­chten, welche etwa 200 Arbeiter mühsam säubern mussten. Nach und nach wurden die Ruinen der vor über 2 000 Jahren aufgegeben­en Metropole sichtbar.

Und so konnte man ab 1902 das mächtige und kunstvolle Ischtar-Tor freilegen. In einer Inschrift hatte der Erbauer Nebukadnez­ar II. auch die gewaltigen Bronzetier­e erwähnt. Und die Prachtstra­ße kam zum Vorschein.

Die Berliner Museen überredete­n die

Verwaltung in Konstantin­opel, dass der Fund nur in Deutschlan­d sachgemäß rekonstrui­ert werden könne. Koldewey ließ jedes einzelne der hunderttau­senden Bruchstück­e dokumentie­ren. Die Kisten wurden direkt von der Ausgrabung am Euphrat zur Museumsins­el verschifft.

Im Jahre 1912 entdeckte er auch das Fundament des Turmes, der einst „bis in den Himmel“gebaut werden sollte. Der inzwischen weltweit umjubelte Archäologe hätte wohl noch lange weiter gegraben, doch dann kam der Weltkrieg dazwischen. Die Briten nahmen 1917 Bagdad ein und Koldewey ging zurück in die Heimat, um die Funde auszuwerte­n. Seine Ausgrabung­sberichte waren zu dieser Zeit bereits ein Bestseller. Das Ischtar-Tor in seiner jetzigen Pracht hat er allerdings nie gesehen, er starb 1925 mit 69 Jahren.

Erst 1930 konnte das rekonstrui­erte Prunkstück aus Babylon, das etwa zu einem Fünftel aus Originalst­einen besteht, der Öffentlich­keit zugänglich gemacht

werden. Es ist etwas kleiner, als es in Mesopotami­en vorgefunde­n wurde. Denn obwohl das Ischtar-Tor im geräumigen Lichtsaal des Pergamonmu­seums untergebra­cht wurde, hätten die tatsächlic­hen Maße die vorhandene­n Möglichkei­ten gesprengt.

Leider kann man die babylonisc­hen Prachtbaut­en derzeit nur in virtuellen Rundgängen bewundern, denn das Museum

Teileröf berühm erfolgen, eine komplette Fertigstel­lung ist erst für 2037 vorgesehen und man kennt die Bauprojekt­e der Berliner ...

Möglich ist allerdings auch, dass man Ischtar-Tor und Prozession­sstraße dann gar nicht mehr in Deutschlan­d findet. Die Restitutio­nsdebatte um die Rückgabe kolonialer Raubkunst betrifft auch diese

 ?? ?? anchem Besucher stockt der Atem, andere erstarren vor Ehrfurcht: Das IschtarTor und die Prozession­sstraße mit den blau glasierten Ziegeln aus dem legendären Babylon sind Publikumsm­agneten der Berliner Museumsins­el. Dass sie am Euphrat entdeckt wurden und an der Spree aufgebaut werden konnten, ist dem leidenscha­ftlichen Forscher Robert Koldewey zu verdanken. Vor 125 Jahren, am 26. März 1899, erfolgte im Auftrag der Deutschen Orientgese­llschaft und des Kaisers der erste Spatenstic­h für die Ausgrabung der sagenumwob­enen Stadt des Altertums.
Das mächtige und kunstvolle IschtarTor in Berlin. Als Besucher kommt man sich da etwas winzig vor - bezogenauf­Raum und Zeit.
anchem Besucher stockt der Atem, andere erstarren vor Ehrfurcht: Das IschtarTor und die Prozession­sstraße mit den blau glasierten Ziegeln aus dem legendären Babylon sind Publikumsm­agneten der Berliner Museumsins­el. Dass sie am Euphrat entdeckt wurden und an der Spree aufgebaut werden konnten, ist dem leidenscha­ftlichen Forscher Robert Koldewey zu verdanken. Vor 125 Jahren, am 26. März 1899, erfolgte im Auftrag der Deutschen Orientgese­llschaft und des Kaisers der erste Spatenstic­h für die Ausgrabung der sagenumwob­enen Stadt des Altertums. Das mächtige und kunstvolle IschtarTor in Berlin. Als Besucher kommt man sich da etwas winzig vor - bezogenauf­Raum und Zeit.
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 ?? ?? Für streng religiöse Juden war die weltoffene Metropole natürlich voller Frevel. Diese Sichtweise vom „Sündenbabe­l“wurde über das Alte Testament auch im Abendland verbreitet.
Für streng religiöse Juden war die weltoffene Metropole natürlich voller Frevel. Diese Sichtweise vom „Sündenbabe­l“wurde über das Alte Testament auch im Abendland verbreitet.
 ?? ?? Das Pergamonmu­seum wird derzeit saniert und ist geschlosse­n.
Das Pergamonmu­seum wird derzeit saniert und ist geschlosse­n.
 ?? ?? Star-Archäologe Robert Koldewey (†69) verdiente seine Brötchen als Lehrer in Görlitz, bevor er seine historisch­e Mission in Babylon antrat.
Star-Archäologe Robert Koldewey (†69) verdiente seine Brötchen als Lehrer in Görlitz, bevor er seine historisch­e Mission in Babylon antrat.

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