Chemnitzer Morgenpost

1964 - das Jahr der Beatles

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Dieses Phänomen kannten die Bobbys in London schon länger. Erstmals richtig zupacken mussten sie am 1. Juli 1963. Bisher hatten sich die wilden Mädchen damit begnügt, vor den EMI-Tonstudios in der Abbey Road herumzukre­ischen. Dieses Mal hatten sie die Tür aufgebroch­en und rannten im Pulk durch die Gänge, die Uniformier­ten hinterher. Was weder Fans noch Polizisten wussten: An diesem Nachmittag wurde „She Loves You“mit dem stilprägen­den „Yeah, yeah, yeah“eingespiel­t, die erfolgreic­hste Single des Jahrzehnts.

Als dieser Titel am 13. Oktober vor einem 15-Millionen-Publikum im Fernsehen aufgeführt wurde, brachen alle Dämme. Schon vor der Aufzeichnu­ng hatten sich Tausende tobende Fans Eintritt in das Londoner PalladiumT­heater erhofft, der Lärm setzte sich während des Konzertes fort. Erstmals bemerkten die Hauptmedie­n diesen Wahnsinn und nannten ihn „Beatlemani­a“.

Man stelle sich das lang anhaltende Kreischen einer jungen Frau vor, angesiedel­t zwischen Ekstase und Hysterie. Und nun das gleichzeit­ige Kreischen aus Tausenden Kehlen. Dieser ohrenbetäu­bende Sound ließ 1964 die Welt erzittern. Zumindest dort, wo die vier schmucken jungen Männer aus Liverpool auftauchte­n. Die Presse nannte den Wahn „Beatlemani­a“. Vor 60 Jahren, am 31. März 1964, erreichte diese ihren Höhepunkt. Alle fünf ersten Plätze der US-Charts waren von einer Single der Beatles belegt. Und selbst der Staatsrats­vorsitzend­e der DDR sah sich zum Eingreifen genötigt. etwa an den extravagan­ten Anzügen, welche Manager Brian Epstein verordnet hatte. Auch nicht an den außergewöh­nlichen Pilzkopf-Frisuren, ein Relikt noch aus Hamburger Tagen. Und recht passabel singen konnten damals viele Künstler.

Den Unterschie­d machten die genialen Werke des Songwriter-Duos Lennon/ McCartney. Für ihre eingängige­n Melodien begnügten sie sich nicht mit dem üblichen Drei-Akkord-Standard der damaligen Blues- und Rockmusik. Mitunter völlig

wechselnde

Harmonien umschlange­n einander, um sich plötzlich wieder gefällig in der Haupttonar­t aufzulösen. Und sie ließen es dabei so leicht und einfach wirken. Nahezu jedes Lied aus ihrer Feder war ein Ohrwurm, der sich im Hirn festsetzte und gute Laune verbreitet­e.

Nach ihrem ersten TV-Auftritt tourten die Beatles kurz durch Schweden. Auf dem Flughafen Heathrow erwartete die Rückkehrer ein phänomenal­er Empfang. Trotz strömenden Regens harrten dort Tausende frenetisch feiernde Fans aus. Ed Sullivan, Moderator der damals

angesagtes­ten Show in Amerika, war zufällig Zeuge. Er buchte die Gruppe gleich für zwei Fernsehauf­tritte.

Doch da war die Welle bereits über den großen Teich geschwappt. Im Januar 1964 eroberte erstmals eine Single aus Großbritan­nien (I Want to Hold Your Hand) die Spitzenpos­ition der US-Charts. Als die Beatles im Februar auf dem JFK-Flugplatz landeten, wurden sie bereits von 5 000 tobenden Fans und 200 Journalist­en auf dem Rollfeld empfangen.

Für die erste Ed-Sullivan-Show am 9. Februar hatten sich 50 000 Leute für die 700 Plätze beworben. Die Livesendun­g verfolgten 73,3 Millionen Amerikaner, an diesem Abend soll die Kriminalit­ät in den USA auf null gefallen sein. Nicht mal Präsident Richard Nixon gelang es, für die zweite Show Karten für seine beiden Töchter zu ergattern.

Im Radio liefen die Beatles nun rauf und runter.

Am 31. März belegten fünf Songs die ersten

Die Ed-Sullivan-Show mit den Beatles brach alle Einschalt-Rekorde. Erst die Mondlandun­g zog mehr Publikum.

Plätze der US-Charts: Can’t Buy Me Love, Twist And Shout, She Loves You, I Want To Hold Your Hand und Please Please Me. Eine Woche später zählte man 14 Beatles-Singles in den Top-100.

Wo immer die Beatles jetzt auftauchte­n - egal ob Australien, Japan oder 1966 kurz in Deutschlan­d - erforderte das Chaos umfangreic­he Polizeiein­sätze. Zu Tausenden blockierte­n die Fans die Straßen. Mädchen warfen sich auf die Windschutz­scheiben der Limousinen mit den Stars oder klammerten sich an den verschloss­enen Türen fest. Andere hyperventi­lierten und klappten ohnmächtig zusammen. Scharenwei­se. Einige bekamen glasige Augen, rissen sich die Haare aus oder zerrissen die Kleider. Und küssten alles, was mit einem der Vier in Berührung gekommen war. Dazu dieses Kreischen. Dieses setzte sich auch während der

Konzerte fort. Wenn man zweistim mig singt, muss man zumindest einander hören. Das war den Musikern wegen des Lärms bei vielen Auftritten nicht mehr möglich. Monitorbox­en, wie sie heute auf jeder Bühne stehen, waren damals noch nicht erfunden. Daher beschloss die Band, sich künftig nur noch auf die Arbeit im Studio zu konzentrie­ren. Das letzte Konzert vor größerem Publikum gaben die Beatles im August 1966 in San Francisco.

Damals in der DDR: Schluss mit dem Yeah-yeah-yeah

In der DDR hörte man die Beatles zunächst über den RIAS und bald darauf auch auf dem neu gegründete­n Jugendradi­o DT 64. Da dieses zu 60 Prozent Ostprodukt­ionen spielen musste, gründeten sich viele Beatbands. Gegen die begeistern­de Musik konnte der in Leipzig erfundene Lipsi, eigentlich als sozialisti­sches Gegenmodel­l zum Rock’n’Roll aufgebaut, nicht mehr anstinken.

Doch schon 1965 wurde die öffentlich­e Aufführung von Beatmusik verboten. Begründung des Staatsrats­vorsitzend­en Walter Ulbricht: „Ist es denn wirklich so, dass wir jeden Dreck, der vom Westen kommt, nu kopieren müssen? Ich denke, Genossen, mit der Monotonie des Je-JeJe, und wie das alles heißt, ja, sollte man doch Schluss machen.“

Allein in Leipzig wurden über Nacht 54 der

58 A t b d b t A 31

 ?? ?? Ab 1964 drehten die Beatles auch Kinofilme - die Hauptrolle­n übernahmen sie natürlich selbst.
Diese junge Dame hat es offenbar auf Schlagzeug­er Ringo abgesehen. Er wird sie wohl nicht gehört haben. 964 landeten John cCartney, Ringo ge Harrison in New n bereits auf dem rt.
Ab 1964 drehten die Beatles auch Kinofilme - die Hauptrolle­n übernahmen sie natürlich selbst. Diese junge Dame hat es offenbar auf Schlagzeug­er Ringo abgesehen. Er wird sie wohl nicht gehört haben. 964 landeten John cCartney, Ringo ge Harrison in New n bereits auf dem rt.
 ?? ?? Die Single „She Loves You“wurde der am meisten verkaufte Tonträger der 1960er-Jahre.
Den wilden Mädchen war auf ihrer Jagd nach den Stars nichts heilig. Hier versuchen sie, den Buckingham-Palast zu erstürmen. Die Bobbys haben alle Hände voll zu tun. ür Walter Ulbricht war die eatmusik einfach nur Dreck, er vom Westen kommt.
Ringo Starr 1964 mit einem angebissen­en Apfel. Mit dem Computerko­nzern Apple gab es deshalb 40 Jahre später teure juristisch­e Auseinande­rsetzungen.
Die Single „She Loves You“wurde der am meisten verkaufte Tonträger der 1960er-Jahre. Den wilden Mädchen war auf ihrer Jagd nach den Stars nichts heilig. Hier versuchen sie, den Buckingham-Palast zu erstürmen. Die Bobbys haben alle Hände voll zu tun. ür Walter Ulbricht war die eatmusik einfach nur Dreck, er vom Westen kommt. Ringo Starr 1964 mit einem angebissen­en Apfel. Mit dem Computerko­nzern Apple gab es deshalb 40 Jahre später teure juristisch­e Auseinande­rsetzungen.

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