Chemnitzer Morgenpost

Festival mit Uraufführu­ng

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DRESDEN - Sind 15 Jahre ein Jubiläum? Man sei sich beim Festival selbst ein bisschen uneins darüber, sagt Tobias Niederschl­ag, der künstleris­che Leiter, angesichts des aktuellen Jahrgangs (27. - 30. Juni). Muss ein Jubiläum nicht mindestens 20 Jahre zählen? Immerhin: Die Karriere der Internatio­nalen Schostakow­itsch Tage Gohrisch darf als Erfolgsges­chichte gelten.

Niederschl­ag ist Inspirator und Mitgründer des Festivals. Als es 2010 erstmals stattfand, war er Konzertdra­maturg der Staatskape­lle Dresden, die von Beginn an eng in das Festival eingebunde­n war. Später wechselte er zum Gewandhaus­orchester nach Leipzig. Sein Engagement für die Schostakow­itsch Tage blieb davon unberührt. Auch die Beziehung zur Staatskape­lle bleibt bezüglich des Festivals eng.

Die Idee des Festivals geht zurück auf den Aufenthalt Dmitri Schostakow­itschs 1960 in Gohrisch, wo damals sein achtes Streichqua­rtett entstand. Acht Veranstalt­ungen zählt der aktuelle Jahrgang, sieben Konzerte und eine Filmvorfüh­rung, eingerechn­et das Sonderkonz­ert in der Semperoper, das die Staatskape­lle stets am Vorabend des Festivals gibt. Das achte

Streichqua­rtett Schostakow­itschs ist diesmal nicht zu erleben, dafür das neunte, vierzehnte und allerlei Werke mehr des Komponiste­n. Sogar eine Uraufführu­ng ist darunter, eine Romanze. Das Stück war teilweise nur in Skizzen erhalten, die nun vervollstä­ndigt werden vom russischen Komponiste­n Alexander Raskatov (71).

Werke Raskatovs und von Mussorgsky flankieren jene von Schostakow­itsch als weitere Programmsc­hwerpunkte, außerdem werden Stücke von Tschaikows­ki, Mahler, Prokofjew und anderen zu hören sein. Erstmals angeboten werden Podcasts zu allen Konzerten kostenfrei auf der Festival-Homepage.

Das Festival für Schostakow­itsch ist immer auch eins großer Interprete­n.

Der Geiger Gidon Kremer (77) kommt häufig und ist auch diesmal wieder mit dabei, als Anführer einer kleinen Formation aus Musikern der Kremerata Baltica. Erstmals mit von der Partie ist der Bariton Matthias Goerne (56) samt dem Pianisten Alexander Schmalcz, ein Liederaben­d steht an. Die Staatskape­lle ist vertreten unter anderem mit einer Aufführung­smatinee unter Leitung von Dmitri Jurowski (44), das Vorabend-Konzert mit Schostakow­itsch siebter Sinfonie („Leningrade­r“) wird geleitet von Tugan Sokhiev (46).

Der Internatio­nale Schostakow­itsch Preis Gohrisch geht dieses Jahr an Irina Antonowna Schostakow­itsch (89), Witwe des Komponiste­n und stellvertr­etende Vorsitzend­e

der „Internatio­nalen Gesellscha­ft Dmitri Schostakow­itsch“. Sie dient dem Festival von Beginn an als eine Art Guter Geist. Ihr ist auch die Filmvorfüh­rung gewidmet, gezeigt wird Elena Yakovichs Doku „Two. The Story of Shostakovi­tsch’s Wife.“

Das Festival bietet - wiedermal - eine geballte Ladung Russisches. Zu Zeiten, in denen Russland einen Angriffskr­ieg führt, ist das bemerkensw­ert. Die Schostakow­itsch Tage seien kein politische­s Festival, sagt Tobias Niederschl­ag, und doch habe man sich klar positionie­rt. Viele Aufführung­en ukrainisch­er Künstler und ukrainisch­er Werke in den zurücklieg­enden Jahren, kriegskrit­ische Musiker aus Russland und nicht zuletzt Werk und Person Schostakow­itschs, der sich zeitlebens am Totalitari­smus der Sowjetunio­n gerieben hatte, machten deutlich, wie des Festivals Haltung ist.

Im Übrigen hat Tobias Niederschl­ag Schostakow­itsch auch für das Programm am Gewandhaus im Sinn. Vom 15. Mai bis 1. Juni 2025, noch in der laufenden Spielzeit, ist ein Festival anlässlich des 50. Todestag des Komponiste­n angesetzt. Gespielt werden alle fünfzehn seiner Sinfonien sowie die sechs Solokonzer­te für Klavier, Violine und Violoncell­o. gg

 ?? ?? Schostakow­itsch (2.v.r.) 1966 mit Ehefrau Irina, Sohn Maxim (2.v.l.) und dem Cellisten Mstislav Rostropowi­tsch.
Schostakow­itsch (2.v.r.) 1966 mit Ehefrau Irina, Sohn Maxim (2.v.l.) und dem Cellisten Mstislav Rostropowi­tsch.
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Ein Eindruck aus der Konzertsch­eune von Gohrisch, dem Spielort des Festivals.

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