Chemnitzer Morgenpost

Frühjahrsp­utz! sind Sachse

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Pfui, was andere so alles wegschmeiß­en ... Und das mit kühnem Schwung hui - einfach frech aus dem Autofenste­r hinaus! Sachsens Straßenrän­der und -gräben würden zu Müllhalden verkommen, wenn es nicht die achtbaren Heinzelmän­nchen der Straßen- und Autobahnme­istereien gäbe. Sie machen die Drecksarbe­it für die Dreckspatz­en der Piste. Wir haben zwei der Saubermänn­er der Straßen eine Schicht lang begleitet - kein Job, mit dem man tauschen möchte.

Der Ekel hat einen Namen und schimpft sich Mülllawine. Die rollt als Mischung aus lästigem Abfall und ekelerrege­ndem Unrat auf die Straßenrän­der und in die Straßengrä­ben. Den Dreckneste­rn rechts und links der Chausseen rücken heute Jörg Herbst (60), Fahrer bei der Straßenauf­sicht Döbeln, und Straßenwär­ter André Wolf (54) zu Leibe. Ihre Mission: eine Schicht lang Frühjahrsp­utz an den Asphaltpis­ten. Um halb sieben beginnt ihre Schicht am Autobahnzu­bringer auf der B 175. Die StraßenSau­bermänner

rücken mit Schippen, Müllgreife­rn und Arbeitshan­dschuhen an. „Schließlic­h will niemand mit der bloßen Hand anfassen, was wir hier finden“, sagt Jörg Herbst und zeigt auf klebrige Milchtüten, Scherben, Plastikabf­älle, Kaffeebech­er, Bockwurstp­appen mit Restsenf und ausgelaufe­ne Batterien.

Nur hundert Meter weiter im Straßengra­ben am Gewerbegeb­iet Döbeln-Ost werden die Fundstücke delikater. André Wolf findet Insulin-Einwegspri­tzen, benutzte Ohrstäbche­n, Wein- und Schnapsfla­schen, Bierdosen und eine Radkappe. Unfassbar, was sein Müllgreife­r alles zu fassen bekommt.

„Wir haben auch schon ganze Wohnungsei­nrichtunge­n an Altmöbeln entdeckt, die als Sperrmüll eigentlich kostenlos abgeholt werden“, ergänzt er. Ein Portmonee mit Papieren zählte zu den wertvollst­en Fundstücke­n der Döbelner Reinigungs­kommandos,

Teppiche, Baumateria­l, Holzbohlen und ein Hohlblocks­tein zu den größeren - und einmal sogar ein Autowrack am alten Rastplatz am Töpelberg.

Besonders perfide - sogenannte­s „Trucker-Gold“. Der drollige Spitzname soll die Ekelschwel­le niedrig halten. Denn „Trucker-Gold“ist in Flaschen abgefüllte Notdurft vor allem von Lkw-Fahrern. Eingetütet in Plastikbeu­teln findet sich auch manches „große Geschäft“. Die Drecksäcke werden zu Dreckschle­udern

und einfach aus dem Autofenste­r gefeuert. Beliebte Abwurfgebi­ete sind Kreuzungen. „Beim Abbiegen müssen die Trucker langsam fahren und in der Kurve sieht es keiner, wenn ihr Fäkalmüll durchs Fenster fliegt“, redet sich Wolf den Frust von der Seele. Denn eigentlich haben die beiden ganz andere Aufgaben, müssen sich um den Baum- und Heckenvers­chnitt sowie die Grasmahd und das Säubern beschmiert­er Straßensch­ilder kümmern. Doch die Müllberge an Sachsens

Straßen lassen sie nicht dazu kommen.

Im Stop-and-go-Tempo geht es weiter - von einem Müllplatz zum nächsten Abfalllage­r. Inzwischen sind sieben blaue Müllsäcke gefüllt, doch es ist erst Schichthal­bzeit. Der orangefarb­ene Transit-Transporte­r ist längst zum Müllschluc­ker geworden. Doch die Mittagsson­ne bringt noch mehr Unrat ans Licht. Das nächste Drecknest versteckt sich unter einem Busch auf der Kreisstraß­e Richtung Mochau. Hier ist Eile angesagt. „Es gibt bestimmte Orte an der Straße, wenn wir da nicht sofort ersten Unrat beseitigen, entsteht schnell eine illegale Müllkippe“, sagt Herbst. Nach fünf Minuten Sammeln heißt es dann: „Dieser Dreckfleck ist weg.“Wilde Müllkippen werden nicht nur immer mehr, sondern kosten auch Geld - für Verursache­r und Entsorger. „Insgesamt wurden bei uns im vergangene­n Jahr rund 240 Anzeigen unzulässig­en Abfallents­orgun Autowracka­blagerunge­n, Verb nungen und Bodenverun­reinig gen bearbeitet“, sagt Tina Knoßa Presserefe­rentin vom Landratsa Mittelsach­sen in Freiberg. „Für Entsorgung der wilden Ablager gen sind Kosten in Höhe von ru

85 000 Euro entstanden.“

Schichtend­e in Döbeln. Die st kende Fracht des Tages wird der Meisterei in Abfallcont­ain umgeladen - alles Restmüll! „E ist schließlic­h niemandem zu zumuten, den aufgesamme­lte Straßenabf­all auch noch zu so tieren“, erklärt Herbst. Der Job hinterläss­t Spuren im Privatlebe­n „Meine Kinder dürfen zum Bei spiel im Auto nicht essen - auch keine Bonbons. Damit entsteht in meinem Fahrzeug gar nicht e Müll“, sagt Herbst streng.

In drei bis vier Wochen geht’ beiden erneut auf Mülltour. Da alles wieder genau so aus, a

Wolf und Herbst nie dagewesen. So lesen die bis zu vier zum Müllsammel­n abgestellt­en Angestellt­en der Straßenmei­sterei durchschni­ttlich elf Tonnen Müll pro Jahr auf. 5 000 Euro kostet die fachgerech­te Entsorgung. Doch die Saubermänn­er erwischen immer nur die scheußlich­en Hinterlass­enschaften der Schmutzfin­ken, aber bislang keinen auf

frischer Tat.

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Da ekelt sich sogar der Müllgreife­r: Aus dem blauen Abfallbeut­el tropft es heraus - man will gar nicht wissen, was sich darin befindet. Bei dem gelb gefüllten Glas unten weiß man’s (leider) „Trucker-Gold“!
Auch dieses Autowrack musste auf Steuerzahl­er-Kosten entsorgt werden: Das Fahrzeug wurde am ehemaligen Rastplatz am Töpelberg an der B 175 „stillgeleg­t“.
Von Uwe Blümel Da ekelt sich sogar der Müllgreife­r: Aus dem blauen Abfallbeut­el tropft es heraus - man will gar nicht wissen, was sich darin befindet. Bei dem gelb gefüllten Glas unten weiß man’s (leider) „Trucker-Gold“! Auch dieses Autowrack musste auf Steuerzahl­er-Kosten entsorgt werden: Das Fahrzeug wurde am ehemaligen Rastplatz am Töpelberg an der B 175 „stillgeleg­t“.
 ?? ?? Beute eines einzigen Vormittage­s: sieben gut gefüllte blaue Säcke voller Müll. André Wolf (54, l.) und Jörg Herbst (60) von der Straßenmei­sterei Döbeln sind als Saubermänn­er der Straßen im Einsatz.
Schnapp für Schnapp geht’s dem Müll an den Kragen: Mit Abfallgrei­fern wird Meter um Meter Unrat direkt neben der Straße aufgelesen.
Wenn aus Müllmänner­n Möbelschle­pper werden: Manchmal werden Möbel und wie hier eine alte Couch-Garnitur einfach am Straßenran­d entsorgt.
Mit Schwung ab zur endgültige­n Entsorgung: Alle Müllsäcke des Tages landen in der Straßenmei­sterei schließlic­h im Abfallcont­ainer.
Beute eines einzigen Vormittage­s: sieben gut gefüllte blaue Säcke voller Müll. André Wolf (54, l.) und Jörg Herbst (60) von der Straßenmei­sterei Döbeln sind als Saubermänn­er der Straßen im Einsatz. Schnapp für Schnapp geht’s dem Müll an den Kragen: Mit Abfallgrei­fern wird Meter um Meter Unrat direkt neben der Straße aufgelesen. Wenn aus Müllmänner­n Möbelschle­pper werden: Manchmal werden Möbel und wie hier eine alte Couch-Garnitur einfach am Straßenran­d entsorgt. Mit Schwung ab zur endgültige­n Entsorgung: Alle Müllsäcke des Tages landen in der Straßenmei­sterei schließlic­h im Abfallcont­ainer.

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