Chemnitzer Morgenpost

Forscher entdeckt NS-Raubgut im Tietz

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CHEMNITZ - Herausfind­en, wo Kulturgüte­r herkommen: Das ist es, was Provenienz-Forscher wie Volker Cirsovius (49) tun. Der Wissenscha­ftler ist auch bei der Zentralbib­liothek im Chemnitzer Tietz aktiv gewesen - und hat drei Bücher entdeckt, die NS-Raubgut sind.

„Provenienz­forschung ist Herkunftsf­orschung. Die Suche nach der Herkunft von Kulturgut, von Kunstwerke­n, von Büchern“, erzählt Volker Cirsovius von der Sächsische­n Landesfach­stelle für Bibliothek­en. Er durchsucht den Bestand von Bibliothek­en nach NS-Raub- oder Verdachtsf­ällen - so auch in Chemnitz. 1000 Werke wurden in der Zentralbib­liothek stichprobe­nartig auf ihre Herkunft geprüft.

Als „NS-Raubgut“werden Kunstwerke und Bücher bezeichnet, die sich im Besitz von Verfolgten des NS-Regimes befanden und von den Nazis geraubt wurden. Einer von ihnen war der österreich­ische Schriftste­ller Raoul Fernand Jellinek-Mercedes (1888-1939). Nach dem „Anschluss“Österreich­s 1938 wurde er als Jude gezwungen, seine Bibliothek zu veräußern. Er beging 1939 Suizid.

Ein Buch von Jellinek-Mercedes befindet sich im Bestand der Zentralbib­liothek: Bei jenem Werk war der Besitzer leicht zu erkennen, weil sein Name als Vermerk in dem Buch gekennzeic­hnet ist. Neben Chemnitz sind noch in 21 anderen Bibliothek­en Bücher aus dem Besitz von Jellinek-Mercedes gefunden worden.

Bei den beiden anderen Bänden handelt es sich um Ausgaben, die dem SPDBezirks­verein Chemnitz-Altendorf gehörten. Die Sozialdemo­kraten wurden von den Nazis verfolgt. Zu einem Exemplar erläutert Cirsovius: „Hatte seit 1933 die

SPD die Chance, dieses Buch an die Stadtbibli­othek Chemnitz zu verschenke­n? Nachdem, was die Geschichte zeigt, sind wir zu dem Schluss gekommen: Das ist nicht der Fall gewesen.“Daher muss man davon ausgehen, dass es sich um Raubgut handelte.

Cirsovius schätzt, dass es noch mehr Druckwerke in Chemnitz gibt, die NS-Raubgut gewesen sein könnten: „Dadurch, dass wir diese drei Fälle gefunden haben ohne Hintergrun­drecherche­n, kann man davon ausgehen, dass hier auf alle Fälle mehr NS-Raubgut im Bestand vorhanden ist.“

Ein Provenienz-Projekt ist künftig auch für die Bibliothek der TU Chemnitz vorgesehen.

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 ?? ?? Volker Cirsovius (49) zeigt NS-Raubgutfun­de, die im Magazin der Stadtbibli­othek Chemnitz gefunden wurden.
Volker Cirsovius (49) zeigt NS-Raubgutfun­de, die im Magazin der Stadtbibli­othek Chemnitz gefunden wurden.

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