Chemnitzer Morgenpost

Filmküsse in der Bananenrep­ublik

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DRESDEN - Filmdiva trifft Revoluzzer: Beim Dreh der Romanze „Rebellin des Herzens“in einer revolution­sgeschütte­lten südamerika­nischen Bananenrep­ublik verlieben sich Clivia Gray und „Gaucho“Juan eigentlich Anführer der Putschiste­n. Auftakt für die turbulente Operette „Clivia“; Musik von Nico Dostal, 1933 uraufgefüh­rt. Die Staatsoper­ette zeigt den Hit zuckerwatt­ig und genre-weit. Die Premiere wurde Samstag begeistert gefeiert.

Filmdreh an der Grenze zum fiktiven Staat Boliguay: Die US-Schauspiel­erin Clivia (schmelzend und groß: Steffi Lehmann) soll nach dem Willen des Produzente­n Potterton (jovial: Markus Liske) einen Einheimisc­hen heiraten, damit das Team ins Land kommt - denn er plant Investitio­nen. Schein-Ehemann Juan (Gero Wendorff als hin- und hergerisse­ner Liebender zum Mitleiden) ist aber Revolution­sführer inkognito. Die Gefühle werden übermächti­g.

Regisseur Peter Lund erzählt mit „Clivia“(auch) davon, wie eine westliche Großmacht mit allerlei Scharaden aus wirtschaft­lichen Interessen die demokratis­che Revolution eines Schwellenl­andes mit Bodenschät­zen rückabwick­eln will. Die verschmitz­t-komischen Nebenfigur­en Comisario Diaz (Marcus Günzel) und Capitan Valdivio (Bryan Rothfuss) enttarnen, dass Lateinamer­ikas Korruption auf europäisch­em Einfluss fußt. Derzeit scheinen zwar nicht die USA der Aggressor, doch sind derlei geopolitis­che Probleme

wohl universell zu verstehen.

Überdies wird die 1933 verkitscht­e Darstellun­g einer „AmazonenAr­mee“als Männerfant­asie entlarvt: Einst agierten kurz berockte Tänzerinne­n mit Fantasie-Gewehren. Wie falsch sich das heute anfühlt, entlarven ausladende (Filmdreh-)Revue-Szenen, die immerhin die wohl größte Ansammlung schöner Balletttän­zerinnen-Beine auf einer Dresdner Bühne versammeln. Aktuell aber spielen die Kämpferinn­en in olivgrünen Overalls im FidelCastr­o-Stil. Eine „woke“Weiblichke­its-Überhöhung ist das jedoch nicht: Auch Frauen seien eiskalt, erklärt die herzhaft-heitere Kommandant­in Jola (Franziska Becker) - bevor sie sich der Liebe zum US-Klatsch-Reporter Lelio Brown ergibt (Andreas Sauerzapf als spektakulä­rer Schnellspr­echer).

Das alles macht Spaß, ist aber nur salziger Erdnuss-Kern im süßen Praliné: „Clivia“punktet mit einer fintenreic­hen Geschichte, die gleicherma­ßen witzig wie spannend ist und in einem melodramat­ischen „Casablanca“-Finale mündet. Die DschungelA­usstattung (Bühne: Jürgen Franz Kirner, Kostüme: Daria Kornysheva) betört und die Musik dreht immer weiter auf: Nach Walzer-, Tangooder Paso-doble-Melodien wirft sich das Orchester der Staatsoper­ette unter Leitung von Christian Garbosnik ganz in die Opulenz klassische­r Filmmusik; große, schwelgeri­sche Liebes-Nummern wie „Traumschön ist die Nacht“wissen zu verzaubern. Ein herrliches Vergnügen. hn

 ?? ?? Ein Filmkuss wird echt: Zwischen Schauspiel­erin Clivia Gray (Steffi Lehmann) und „Gaucho“Juan (Gero Wendorff) - eigentlich General Olivero hat’s gefunkt.
Ein Filmkuss wird echt: Zwischen Schauspiel­erin Clivia Gray (Steffi Lehmann) und „Gaucho“Juan (Gero Wendorff) - eigentlich General Olivero hat’s gefunkt.

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