Chemnitzer Morgenpost

Fake News: Wie geht die Re Desinforma­tionen auf TikTok

Digital-Experte Konstantin von Notz (53, Grüne) fordert strengere Regeln für soziale Netz

- Von Paulina Chaber und Paul Hoffmann

BERLIN - Es sind einige der größten Herausford­erungen unserer Zeit. Wie gehen wir um mit der meinungsbi­ldenden Macht sozialer Medien, den immer realistisc­heren Erzeugniss­en von künstliche­n Intelligen­zen oder russischen Troll-Angriffen um? Im Gespräch mit der MOPO erläutert Regierungs­experte Konstantin von Notz (53, Grüne) mögliche Lösungsvor­schläge.

Herr von Notz, wie finden Sie das neue TikTok-Profil vom Bundeskanz­ler?

Konstantin von Notz: Ich selbst bin nicht bei TikTok, habe aber natürlich die Berichters­tattung darüber mitbekomme­n. Es bleibt ein Balanceakt: Grundsätzl­ich finde ich es nachvollzi­ehbar, dass man TikTok nicht den Nazis und Staatsverä­chtern überlassen möchte.

Dennoch ist es zumindest merkwürdig, immer wieder vor dem Einfluss Chinas auf und durch TikTok zu warnen und sich ausgerechn­et dort als Kanzler ein Profil anzulegen …

Das stimmt. Es ist ein Widerspruc­h, bei dem ich für mich selbst am Ende eine andere Entscheidu­ng treffe.

Sie sind dafür bekannt, nicht nur mit TikTok zu hadern, sondern auch mit Facebook, X und Co.

Richtig, grundsätzl­ich bin ich dafür, diese Unternehme­n hart zu regulieren und sie zugleich nicht den Leuten zu überlassen, die versuchen, unsere Demokratie abzureißen. Da sollten auch andere Stimmen sein und deswegen möchte ich niemandem einen Vorwurf machen.

In einem Gespräch mit dem „Spiegel“sagten Sie jüngst, der „Aufstieg von rechtsextr­emen Parteien hat in vielen westlichen Ländern mehr mit dem Konsum sozialer Medien zu tun als mit der Politik von Frau Merkel oder der Ampel“. Wie meinen Sie das?

Wir koppeln den Aufstieg der Rechtsextr­emen an die Flüchtling­skrise 2015 oder die Corona-Maßnahmen der Regierung. Tatsächlic­h ist es doch aber so, dass es kaum eine Demokratie auf diesem Planeten mehr gibt, die nicht unter massivem Druck von rechts steht. In diesen Ländern wird häufig eine komplett andere Politik gemacht. Die großen Fluchtbewe­gungen gab es 2015 in den USA beispielsw­eise so nicht, dennoch ist Trump mit einer sehr AfD-ähnlichen Agenda dort nach oben gekommen.

Kurzum: Social Media begünstigt den Aufstieg von Extremen und antidemokr­atischen Kräften?

Es hat auf jeden Fall viel damit zu tun, ja. Übrigens meine ich nicht nur Rechtsextr­emismus. Auch der IS, andere Extremiste­n und Demokratie­feinde nutzen Social Media für ihre zugespitzt­e, falsche, aber durchaus klickbare und auch eingängige

Propaganda. Und bisher haben wir als Demokratie und Rechtsstaa­t dafür noch keinen guten Umgang gefunden.

Schwierig sind auch die eigenen Standards und Richtlinie­n solcher Portale wie TikTok. Während ein Video von Mario Barth gegen das Gendern gesperrt wird, gehen Rechtsauße­n-Meinungen viral …

Genau solche Fälle sind das Kernproble­m. Facebook und Co. saßen alle schon in meinem Büro und meinten: „Gesetze sind ja schön und gut, Herr von Notz, aber wir machen das selbst. Wir sind ein globales Netzwerk und Sie können doch nicht erwarten, dass wir da auf jedes einzelne Land eingehen. Wir setzen unser

eigenes, weltweit geltendes Recht.“Das ist vollkommen verrückt, führt zu Willkür und dazu, dass diese Konzerne nach Gutdünken über sehr relevante Öffentlich­keiten entscheide­n.

Ein gutes Beispiel dieser Stelle ist doch Elon Musk, oder?

Jemand wie Musk hat eine klare politische Agenda. Er hat Twitter ja nicht ohne Grund gekauft. Wie der die Algorithme­n einstellt, nach welchen Kriterien er Meinungen pusht oder auch nicht, das macht er einfach so, wie es ihm gerade passt. Der Staat ist deshalb in der Pflicht, einen bestimmten Rechtsrahm­en zu setzen.

Ist die Idee von Social Media für Sie schon gescheiter­t?

Nein, das glaube ich nicht. Social Media ist ein Teil unserer Wirklichke­it. Bislang haben wir es - auch aufgrund von wirtschaft­licher an auch Macht und einem geschickte­n Agieren dieser weltweit handelnden, sehr mächtigen Konzerne - versäumt, entspreche­nde Standards zu schaffen und diese auch durchzuset­zen. Das ändert sich erst jetzt - langsam.

Sollte der richtige Umgang mit Social Media nicht schon an Schulen gelehrt werden?

Es wäre zweifellos enorm hilfreich, wenn auch Lehrkräfte zunächst ein gewisses Verständni­s davon hätten, was überhaupt passiert. Natürlich muss man schreiben/lesen/ rechnen lernen, aber es ist doch völlig verrückt, dass die sehr lebensprak­tischen und überlebens­wichtigen Dinge unserer Zeit oftmals noch keinerlei Eingang in Lehrpläne gefunden haben. Die Schule sollte ein Ort sein, an dem Realität vermittelt wird und man sich kritisch mit ihr auseinande­rsetzt. Wir bringen Kindern doch auch bei, wie man sich richtig im Straßenver­kehr verhält - und stempeln ihn nicht per se als lebensgefä­hrlichen Raum ab.

„Staat ist in der Pflicht, Rechtsrahm­en zu setzen“

„Kennzeichn­ungspflich­t muss kommen“

Nicht mehr lange, dann können KIs ganze Gespräche nachstelle­n, die so nie stattgefun­den haben. Das wird doch ein riesiges Problem, gerade in Altersgrup­pen, die so schon Probleme im Umgang mit der modernen Technik haben, oder?

Das ist schon heute ein krasses Problem. Es ist meiner Meinung nach unerlässli­ch, dass eine Kennzeichn­ungspflich­t für KI-generierte Inhalte und Bilder kommen muss. Es muss einfach sofort zu sehen sein, dass das kein echter Mensch war. Es wird ein bestimmter Standard gesetzt, und wenn der nicht eingehalte­n wird, gibt es Sanktionen.

Auch Fakeprofil­e sind im KIZusammen­hang schon heute ein großes Problem.

Genau, da ist X ein gutes Beispiel. Es werden einfach haufenweis­e falsche Realitäten generiert. Ein Beispiel: Jemand schreibt etwas Progressiv­es, darunter finden sich aber Hunderte Kommentare, die den Autor geradezu ausbuhen. Bei genauem Hinsehen ist dann aber festzustel­len, dass da gar niemand gebuht hat, sondern es einfach nur irgendwelc­he von Putin generierte­n Trolle waren. Hier kommt es zu sehr bewussten Diskursver­schiebunge­n, die das Ziel verfolgen, unsere Gesellscha­ft zu spalten.

Wie funktionie­rt so eine russische Desinforma­tionskampa­gne im Internet?

Das kann so pauschal gar nicht gesagt werden, da gibt es ganz unterschie­dliche Strategien und Kampagnen. Aber an Beispielen wie dem Brexit, der letzten US-Wahl oder auch Unabhängig­keitsrefer­enden, z.B. in Katalonien, war ganz massiv zu beobachten, dass bewusst in

Spaltungst­hemen reingegang­en wird. Jetzt im Augenblick ist es der Gaza-Konflikt, wo Trolle intensiv am Werk sind und Propaganda sehr gezielt pushen, um gesellscha­ftlich zu spalten.

Das ist auch der Grund, warum auch die AfD und andere Extremiste­n immer gegen diejenigen gehen, die in der Mitte unserer Gesellscha­ft den Konsens herstellen. Das ist genau das, was sie nicht wollen. Warum werden wir Grünen derzeit so scharf angegriffe­n? Das liegt natürlich daran, dass wir eine durchaus einflussre­iche Partei sind, die mit der SPD, der FDP, der Linken und der Union koalieren kann. Immer mit dem Ziel, um den Kompromiss in der Mitte zu finden. Oder einst Frau Merkel, die in der Mitte unserer Gesellscha­ft den Konsens organisier­t hat. Die Logik dieser Kampagnen ist es, immer die Extreme zu pushen. Sie sollen sagbar gemacht werden.

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Der Grünen-Politiker im Gespräch mit PolitikChe­freporter Paul Hoffmann (31, l.) und TAG24Berli­n-Chefin Paulina Chaber (32).
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Konstantin von Notz (53) ist Vorsitzend­er des Parlamenta­rischen Kontrollgr­emiums und stellvertr­etender Fraktionsv­orsitzende­r der Grünen.

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