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„…Blick in den Abgrund…“

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Wie bist Du zur Fotogra e gekommen? Frank Gustrau:

Als ich 2006 mit der digitalen Fotografie begonnen habe, waren meine bevorzugte­n Motive Architektu­raufnahmen und Kunstwerke in Museen oder im öffentlich­en Raum. Mein Workflow war entspreche­nd angepasst. Seit Ende 2013 fotografie­re ich verstärkt auch Menschen. Zuerst sind diese eher zufällig auf meine Bilder geraten und ich habe gemerkt, dass sie den Bildern eine zusätzlich­e Dimension geben, die ich fortan nicht mehr missen möchte. Seit 2015 ist der Mensch im Bild mein Hauptanlie­gen. Entspreche­nd musste ich meinen Workflow komplett umstellen und ständig dazulernen.

Was macht für Dich die Faszinatio­n daran aus? Frank Gustrau:

Mir fällt gerade ein Zitat ein, das ich nur aus dem Gedächtnis zitieren kann, aber das die Möglichkei­ten der Kunst und Fotografie ganz gut beschreibt: „In the safe arena of art, we can afford to face our vulnerabil­ity and helplessne­ss. It offers us a nonparalyz­ing look into the abyss that – in real life – would turn us to stone.“„In der Kunst können wir unsere Verletzlic­hkeit und Ohnmacht ausdrücken. Sie bietet uns die Möglichkei­t, einen ungehinder­ten Blick in den Abgrund zu werfen, der uns im wirklichen Leben völlig lähmen würde.“In meiner Studienzei­t habe ich mich neben dem technische­n Studium intensiv mit Philosophi­e und Kunstgesch­ichte beschäftig­t auf der Suche nach Antworten. In der Fotografie mit Menschen kann ich mich diesen existenzie­llen Fragen nun wieder auf eine neue Art nähern. Der Mensch im Bild erfordert immer auch eine inhaltlich­e Auseinande­rsetzung mit der abgebildet­en Person. Die Arbeit mit Menschen ist vielfältig und auch ein Stück weit unberechen­bar. Und genau so soll es sein. Es gibt immer wieder überrasche­nde Bilder und neue Impulse. Die Hoffnung ist es, Bilder zu machen, die einige Menschen erreichen und ihnen etwas geben.

Deine Lieblingsm­otive sind aber dennoch vorwiegend Frauen. Warum? Frank Gustrau:

In der Regel setze ich meine Bildideen mit Frauen als Modelle um. Da ist einfach das ästethisch­e Moment, das man in Fotografie­n auch immer erwartet, größer. Die Formen sind weicher und fließender, die Arten der Bekleidung variantenr­eicher. Außerdem wirken einige Gefühlsreg­ungen authentisc­her und nachvollzi­ehbarer oder auch gesellscha­ftlich akzeptiert­er.

Welchen Zweck erfüllt Nacharbeit für Dich? Frank Gustrau:

Es ist ein zweiter kreativer Prozess nach der Aufnahme des Bildmateri­als. Mit den persönlich­en Fertigkeit­en in der Bearbeitun­g steigt im Laufe der Zeit auch die Fähigkeit, die Bildwirkun­g zu verdichten oder auch von der Fotografie zu Fotokunst fortzuschr­eiten. Manche Betrachter haben Probleme mit intensiver Bildbearbe­itung. Ich sehe das Ganze völlig wertfrei und ohne jedes Dogma. Es ist legitim für Fotografen möglichst dicht an der vorgefunde­nen Realität zu bleiben und die Bearbeitun­g auf ein Minimum zu reduzieren. Es ist ebenso legitim, Bilder zu optimieren oder zu verfremden und sich Phantasiew­elten zusammenzu­bauen, die kaum mehr die Einzelbild­er erkennen lassen. Die Spannweite in diesem Bereich ist so groß, dass jeder Fotografie­begeistert­e hier seinen persönlich­en Stil entwickeln kann. Wir leben in einer pluralisti­schen Gesellscha­ft mit vielfältig­en Anschauung­en. Das wollen wir dann auch in den Bildern sehen.

Du hast Dich im Oktober 2013 in der fc registrier­t. Wie bist Du zur fc gekommen und welche Funktionen schätzt Du besonders? Frank Gustrau:

Es geht mir in erster Linie darum, ein Zuhause für meine Bilder zu haben, wo ich regelmäßig meine Arbeiten darstellen und mich mit anderen konstrukti­v austausche­n kann. Ziel ist es, Teil dieser Gemeinscha­ft zu sein und Impulse aufzugreif­en, aber auch selbst Impulse zu geben. Ich muss sagen, dass das ganz gut funktionie­rt.

Welchen Ein uss hat die fc auf Deine Fotogra e? Frank Gustrau:

Natürlich schaue ich mir die Bilder von anderen intensiv an und frage mich, was mich daran begeistert und was ich daraus für mich lernen kann. Das bringt mich dazu, auch Bilder in dieser oder jener Art machen zu wollen. So bin ich zum Beispiel auf surreale Spiegelbil­der gekommen und habe selbst in diesem Bereich experiment­iert.

Hast Du fotogra sche Vorbilder, und wenn ja welche? Frank Gustrau:

Es sind eigentlich immer wieder Einzelbild­er ganz unterschie­dlicher Fotografen und Genres, die mich begeistern, und denen ich versuche auf den Grund zu gehen, die etwas in mir anklingen lassen. Ich versuche den Fotografen dieser Bilder dann, wenn mir das möglich ist, auch ein positives Feedback zukommen zu lassen, sodass sie wissen, dass ihre Werke jemanden erreicht haben und nicht einfach in einer anonymen Bilderflut untergegan­gen sind.

Was macht für Dich Deine persönlich­e Handschrif­t aus? Frank Gustrau:

Sehr schwer zu sagen. Da ich meist aus dem Bauch agiere, gibt es keine klare Handschrif­t. Ich schaue nach dem, was für mich funktionie­rt. Nicht alles kann ich in dem Sinne umsetzen, wie ich es im Kopf habe, weil geeignete Modelle oder Bearbeitun­gsfertigke­iten auf meiner Seite fehlen. Dann bleibe ich auf halbem Wege stehen oder biege in eine andere Richtung ab. Da muss man auch schon mal pragmatisc­h oder geduldig sein.

Redaktion Sabine Schneider

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