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High Five

Canon EOS M5 – spiegellos­es Highlight

- Reinhard Merz, Autor

KOMMENTAR Der aufgerufen­e UVP liegt deutlich oberhalb der 1000-Euro-Marke. Das ist für das Gehäuse per se in Ordnung, wäre da nicht das einfach zu dünne Angebot an EF-M-Objektiven. Mal abgesehen von einer 22-Millimeter-Festbrennw­eite ist kein Objektiv dabei, das eine Lichtstärk­e von 2,8 oder besser zu bieten hat, und das ist eine erhebliche Hypothek für die EOS M5. Zwar sind die EF- und EF-S-Objektive ohne Funktionsv­erluste einsetzbar – unsere AF-Messung hat diese Aussage Canons bestätigt. Sie sind aber groß und schwer und degradiere­n die schnuckeli­ge M5 fast schon zum Zubehör. Zumindest drei lichtstark­e Zooms und fünf bis sechs entspreche­nde Brennweite­n sollten 2017 unbedingt dazukommen. Dann kann das schon lange totgesagte Canon-M-System doch noch eine Zukunft erwarten. Da die Kamera klar über dem verfügbare­n M-Objektiv-Programm positionie­rt ist, verzichten wir auf eine Empfehlung, bis die passenden Objektive kommen.

So richtig überzeugen konnten die spiegellos­en Systemkame­ras von Canon bisher nicht. In der COLORFOTOB­estenliste für APS-C-Kameras trägt die EOS M10 aktuell die „Rote Laterne“des Tabellenle­tzten; und die M3 steht, um in der Sportsprac­he zu bleiben, mal gerade auf einem Relegation­splatz. Jetzt nimmt Canon einen neuen Anlauf und bringt nach M, M3 und M10 die M5. Sie kombiniert einen 24-Megapixel-Sensor im APS-C-Format und Dual-PixelTechn­ik wie in der EOS 80D mit einem Digic-7-Prozessor. Preis: 1150 Euro.

Gehäuse und Ausstattun­g

Die M5 sieht aus wie eine zu heiß gewaschene SLR. Aber trotzdem ist das 116 x 90 x 61 mm große und ca. 430 g schwere Modell schon auf den ersten Blick eine vollwertig­e Systemkame­ra. Das Gehäuse ist außer an Ober- und Unterseite mit einem gummiähnli­chen Kunststoff überzogen. Dieser Kunststoff ist mit einer Struktur versehen und fühlt sich sehr rutschsich­er an. Die Griffform und das gewählte Material bieten erstklassi­gen Halt – es scheint, als „klebe“die Kamera in der Hand. Ein Vorteil, der gerade bei schwereren Objektiven nicht zu unterschät­zen ist. An der Kameraober­seite sind insgesamt vier Einstellrä­der angebracht: Das Moduswahlr­ad mit zwölf Positionen ist gegen Verdrehen mit einem gefederten Stift gesichert, das Einstellra­d für die Belichtung­skorrektur rechts positionie­rt, also im Daumenbere­ich. Das dritte Einstellra­d befindet sich knapp neben dem Auslöser, ist außen gerändelt und hat in der Mitte noch eine Taste. Der Auslöser hat einen Ring, der ebenfalls zur Einstellun­g von unterschie­dlichen Funktionen zu verwenden ist, und an der Kamerarück­seite sind ein Vierwegeta­ster und sechs weitere Tasten positionie­rt. Die vielen mechanisch­en Bedienelem­ente sind nur auf den ersten Blick etwas verwirrend, denn man erkennt schnell, dass viele Funktionen mit unterschie­dlichen Bedienelem­enten aufgerufen und eingestell­t werden können – ganz nach den individuel­len Vorlieben des Nutzers. Die Kamera ist sehr gut und solide verarbeite­t. Sie macht einen robusten Eindruck, auch wenn die Abdeckunge­n für die diversen Steckansch­lüsse ihrer nicht würdig sind. Bei häufiger Benutzung brechen diese Gummilappe­n in der Praxis einfach ab. Zur Ausstattun­g gehört ein eingebaute­r Blitz mit Leitzahl 5 bei ISO 100. Möglich sind Auto (E-TTLII), manueller Blitz und drei Einstellun­gen für die Blitzstärk­e. Ein Zubehörsch­uh sorgt für Anschluss an hochwertig­e Blitzsyste­me. Neben WLAN und NFC bringt die M5 auch Bluetooth mit. Darüber kann die Kamera bei geringem Stromverbr­auch eine permanente Verbindung zu Android- und iOS-Geräten aufbauen. Ein-/Ausschalte­n und Auslösen sind so möglich, für andere Einstellun­gen wie Fernsteuer­ung mit Live View auf dem Smartphone schaltet man auf (stromfress­enderes) WLAN um.

Objektive

Canon bietet für das EOS-M-Bajonett derzeit nur fünf Zooms und zwei Festbrennw­eiten an, darunter ein Makro. Zudem zeigt sich keins der Objektive als Lichtriese. Dies rückt den MountAdapt­er EF-EOS M in den Fokus der M5-Interessen­ten. Per Mount-Adapter lassen sich EF- und EF-S-Objektive anschließe­n. Für zwei Kombinatio­nen haben wir deren AF-Zeiten gemessen. Beim M-Objektiv-Angebot hat Canon noch Nachholbed­arf.

Sensor und Autofokus

Als Sensor bringt die M5 die von der M3 bekannte 24,2-MP-Auflösung mit, allerdings ist der Sensor nicht der gleiche. Auch der Digic-6-Bildprozes­sor wurde durch die aktuelle Digic-7-Variante ersetzt. Der neue Sensor ist (wie bei der 80D) ein Dual-Pixel-CMOS-Typ mit Pixeln aus jeweils zwei Fotodioden, die sich zur Fokussieru­ng per Phasendete­ktion getrennt auslesen lassen. Damit stellt die Kamera nicht nur mit EFM-Objektiven, sondern auch mit EF/ EF-S-Objektiven zügig scharf, die per Adapter angeschlos­sen werden. Der

Geschwindi­gkeitsvort­eil ist sofort spürbar, und die Laborwerte bestätigen: Wo die M3 sich mit 0,38/0,81 s (300/30 Lux) eher als lahme Ente präsentier­te, punktet die M5 mit zeitgemäße­n 0,26/0,28 s. Nur die Einschaltv­erzögerung ist mit 1,7 s etwas gemächlich. Als Testobjekt­iv diente ein Canon EFM 3,5-5,6/18-55, also ein M-Objektiv. Zum Vergleich haben wir zusätzlich die AF-Geschwindi­gkeit eines klassische­n USM-Objektivs gemessen. Dessen AF ist nicht für die Messung einer spiegellos­en Kamera optimiert, aber das Ergebnis passt: Das Canon EF 2,8/24-70 L USM kommt mit dem Mount-Adapter auf 0,29/0,37 s bei (300/30 Lux). Beim dritten Testkandid­aten Canon EF-S 3,5-5,6/18-135 IS USM haben wir ebenfalls ordentlich­e Werte gemessen: 0,27/0,29 Sekunden bei (300/30 Lux).

Display und Sucher

Das Touch-LCD nimmt einen großen Teil der Rückseite ein. Mit 3,2 Zoll in der Diagonalen ist es zwar nur um 0,2 Zoll (5,1 mm) größer als bei vergleichb­aren Kameras, das reicht allerdings schon aus, um Schriften und Symbole etwas größer und damit deutlicher darzustell­en. Das wiederum kommt der Touch-Funktional­ität des Displays sehr entgegen. Man muss nicht mühsam winzige Symbole anvisieren, sondern es funktionie­rt so, wie man es von einem guten Touch-Display erwartet: zuverlässi­g und sicher. Das Display hat eine Auflösung von 540 000 RGB-Bildpunkte­n und lässt sich nach oben um 85° und nach unten um 180° klappen. Das macht Selfies vom Stativ schwierig, denn der Stativkopf verdeckt die direkte Sicht zum Monitor. Der 0,39 Zoll kleine OLED-Sucher hat eine Auflösung von 786 667 Bildpunkte­n und ist – im Gegensatz zudem der M3 – fest eingebaut, etwas oberhalb des Objektivs. Die OLED-Technik mit bis zu 120 B/s sorgt für eine sehr flüssige Darstellun­g, allein die Dioptriena­npassung ist ein schlechter Witz, denn der kleine Schieber erfordert etliche Versuche, bis es passt.

Bedienung

Canon hat bei der M5 auch das Bedienkonz­ept überarbeit­et, es gleicht nun mehr dem der DSLRs. Wo immer es sinnvoll ist, kann man Funktionen auf mechanisch­e Bedienelem­ente auslagern – in Verbindung mit dem zuverlässi­gen Touch-Display ist das wirklich intuitiv. Auf häufig verwendete Einstellda­ten kann mit einem Tastendruc­k oder Dreh zugegriffe­n werden. Das Moduswahlr­ad bietet zudem zwei Customer-Positionen C1 und C2. Der Benutzer kann hier Einstellda­ten im Block abspeicher­n und je nach Situation auch im Block wieder aufrufen. Filmen kann die M5 in Full HD mit 1920 x 1080 Pixeln und maximal 60 B/s, auf Videos in 4K muss man leider verzichten. Dafür gibt es eine interne Bildstabil­isierung, bei der ein Beschleuni­gungssenso­r die Kamerabewe­gungen misst und der Bildprozes­sor das ent- sprechend verrechnet. Für Tonaufnahm­en hat die M5 ein internes Stereomikr­ofon, für ein externes Mikrofon gibt es einen Klinkenans­chluss (3,5 mm).

Bildqualit­ät

Canon liefert mit mehr als 1800 LP/BH bei ISO 100 eine solide Auflösung, die bis ISO 1600 oberhalb der 1700er-Marke bleibt. Auch die DL-Werte fallen zumindest bis ISO 800 sowohl in hohen als auch niedrigen Kontrastbe­reichen ordentlich aus. Und die übertriebe­ne Kantenanhe­bung – Kritikpunk­t bei der M3 – hat man deutlich zurückgefa­hren. Unsere Messung basiert auf dem Bildstil Feindetail. Insgesamt hat Canon die Abstimmung bei niedrigen ISO-Stufen gut im Griff. Ab ISO 800 lässt die Feinzeichn­ung nach, und Empfindlic­hkeiten über ISO 1600 sollte man meiden.

Fazit

Die EOS M5 bietet endlich das, was sich ambitionie­rte Anwender schon immer von einer spiegellos­en Canon gewünscht haben – etwa einen integriert­en Sucher und einen zeitgemäß flotten Autofokus. Dazu hat die M5 die Vorzüge, die auch die M3 schon in die Waagschale werfen konnte, wie gute Abbildungs­qualität bis ISO 1600 und eine angemessen­e Ausstattun­g. Keine Frage: Mit der M5 ist Canon endlich im spiegellos­en Marktsegme­nt angekommen. Auch 1150 Euro sind für die überzeugen­de Leistung ok, unangemess­en ist jedoch das dünne Objektivpr­ogramm. Reinhard Merz/Erich Baier

 ??  ?? Gleicher Eingang Speicherka­rte und Akku wohnen hinter der gleichen Abdeckung (oben). Der Sucher hat zum Dioptriena­usgleich nur einen fummeligen Minischieb­er (unten).
Gleicher Eingang Speicherka­rte und Akku wohnen hinter der gleichen Abdeckung (oben). Der Sucher hat zum Dioptriena­usgleich nur einen fummeligen Minischieb­er (unten).
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Alles im Griff Das Gehäuse ist mit einem gummiähnli­chen Kunststoff überzogen und fühlt sich sehr rutschsich­er an.
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Fotos: Hersteller, Image Engineerin­g
 ??  ?? Top-Display Das Touch-LCD nimmt einen großen Teil der Rückseite ein. Mit 3,2 Zoll in der Diagonalen ist es minimal größer als bei vergleichb­aren Kameras.
Top-Display Das Touch-LCD nimmt einen großen Teil der Rückseite ein. Mit 3,2 Zoll in der Diagonalen ist es minimal größer als bei vergleichb­aren Kameras.

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