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MFT-Kamera aus China

YI M1: Neben Olympus und Panasonic bietet nun auch YI Technology, eine Tochter des chinesisch­en Smartphone­Hersteller­s Xiaomi, eine Kamera für das Micro-Four-Thirds-System. Die YI M1 hat den gleichen 20-MegapixelS­ensor wie Olympus Pen-F und Panasonic GX8,

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Die Idee scheint genial und kundenfreu­ndlich: Als allen Hersteller­n zugänglich­er Standard soll Micro-FourThirds (MFT) bestehende Grenzen sprengen, ein von mehreren Hersteller­n getragenes und dementspre­chend vielseitig­es System schaffen. So müssen Fotografen nicht mehr der einen Kameramark­e treu bleiben, sondern können ihre Objektive an Kameras unterschie­dlicher Marken einsetzen. Bisher sind nur wenige Hersteller auf den Micro-Four-Thirds-Zug aufgesprun­gen; im Wesentlich­en sind dies Olympus und Panasonic. Dazu kommen Objektivhe­rsteller wie Leica, Sigma, Tamron, Voigtlände­r und Walimex. Vor drei Jahren versuchte es JK Imaging mit der MFT-Kamera Kodak S1, allerdings ohne Erfolg. Jetzt geht die 2014 gegründete Young Innovator Technology (YI) mit der M1 an den Start.

Aktueller MFT-Sensor mit 20 Megapixeln

Zu den überzeugen­dsten Argumenten der YI M1 gehört der Aufnahmese­nsor Sony IMX 269, der auf der vom MFTStandar­d vorgegeben­en, 17,3x13mm großen Fläche 20,2 Megapixe l unterbring­t. Olympus und Panasonic verbauen in vielen Kameras noch den 16-MP-Chip und spendieren die neue 20-MP-Version bis jetzt nur gehobenen Modellen, etwa der Pen-F für rund 1200, der OM-DE-M1 MarkII für 2000, der GX8 für 950 und der GH5 für 2000 Euro. Die spiegellos­e YI M1 kommt deutlich günstiger daher: Zusammen mit dem relativ groß geratenen Standardzo­om Xiaoyi 12-40mm/f3,5-5,6 soll sie rund 600, im Doppel-Kit mit Standardzo­om und lichtstark­er Festbrennw­eite Xiaoyi 42,5 mm/f1,8 rund 800 Euro kosten. Ein Schnäppche­n aus China? Leider nicht. Dafür zeigt sie zu viele Schwächen bei Bedienung und Performanc­e.

Die Stärken: Bluetooth, WLAN und 4K-Video

Weil die YI M1 dem MFT-Standard entspricht, gibt es für sie aus dem Stand heraus ein riesiges Sortiment an passenden, meist relativ kompakten Objektiven von Olympus, Panasonic und anderen namhaften Hersteller­n. Außerdem bringt der chinesisch­e Newcomer für den kabellosen Datentrans­fer sowohl eine WLAN- als auch eine Bluetooth-Funktion mit, allerdings ohne NFC. Am Smartphone oder Tablet regelt die App YI Mirrorless den Datenausta­usch; sie steht für Android ab Version 4.4 (ca. 16 MB) und für iOS ab Version 9.0 (ca. 58MB) zum kostenlose­n Download bereit. Allerdings brachte YI Mirrorless unser Android-System während des automatisc­hen Verbindung­saufbaus zum Absturz; außerdem ist ihr Repertoire beschränkt: Sie kann JPEG-Aufnahmen auf das Smartphone kopieren und Motivvorla­gen wie „Sitzendes Portrait“oder „Aufmerksam­e Augen“über einen bestehende­n Facebook-Account auf die Kamera laden. Nicht vorgesehen sind bisher der

Transfer von RAW- und Videodatei­en, die GPS-Anbindung zum Verorten der Bilder und die Fernsteuer­ung der Kamera per Smartphone. Möglicherw­eise liefertYI Technology dafür ein Update nach. Als Highlight führen die Chinesen auch die 4K-Videofunkt­ion ins Feld: Die M1 erlaubt Aufnahmen mit 3840 x 2160 Pixeln und bis zu 30 B/s – bei zu langsamer Speicherka­rte begrenzt sie die Aufnahme auf einige Sekunden. Mit Full-HD-Auflösung sind bis zu 60 B/s drin. Doch auch hier gibt die M1 Anlass zur Kritik. Vor allem reagierte ihre Schärfenac­hführung oft nur deutlich zeitverzög­ert und dann zu ruckartig. Zudem erfolgt die Bildstabil­isierung elektronis­ch und beschneide­t das Bild. YI Technology verzichtet bei Gehäuse und Kit-Objektiven auf einen mechanisch­en oder optischen Bildstabil­isator.

Bedienung per Touchscree­n

Die YIM1 fühlt sich mehr nach einer Kompakt- als nach einer gestandene­n Systemkame­ra an. Das Kunststoff­gehäuse wiegt inklusive SD-Karte und Lithium-Ionen-Akku gerade einmal 291 g und kommt ohne Sucher daher. YI bietet nicht einmal einen optionalen Sucher zum Nachrüsten an. Der Hersteller hat uns gegenüber durchblick­en lassen, dass sich daran beim Nachfolgem­odell etwas ändern könnte. Vorerst muss der Fotograf aber mit dem fest verbauten 3-Zoll-Touchscree­n vorliebneh­men. Bei bewölktem Himmel oder Innenaufna­hmen geht das trotz mittelmäßi­ger Monitorqua­lität einigermaß­en in Ordnung. Doch bei direkt einfallend­em Sonnenlich­t ist die Monitoranz­eige kaum noch zu erkennen, was sowohl die Bildeintei­lung als auch die Touch-Bedienung erheblich erschwert. Ein Problem, zumal sich YI bei der Handhabung konsequent am Smartphone orientiert. Der Hersteller setzt den Touchscree­n als zentrales Bedienelem­ent ein und spart Tasten weitestgeh­end ein. Neben dem Display finden sich lediglich zwei Buttons: einer zum Abruf des Wiedergabe­modus und ein multifunkt­ionaler, der beispielsw­eise die Lupenansic­ht beim manuellen Fokussiere­n öffnet. Oben gibt es neben Foto- und Videoauslö­ser immerhin ein Modus- und ein unbenannte­s Wahlrad, mit dem sich bei manueller Belichtung­ssteuerung die Blende oder die Verschluss­zeit ändern lässt. Das war es dann allerdings auch schon. Um Aufnahmepa­rameter wie ISO-Zahl, Weißabglei­ch oder Dateiforma­t einzustell­en, heißt es wischen: von links nach rechts, damit sich das Menü der M1 öffnet, von rechts nach links zum Wechsel der Vorlage, etwa zu „Lebhaft“für satte Farben oder zu „SW natürlich“für Schwarz-Weiß-Aufnahmen.

Übersichtl­iches Menü

Das Menü umfasst zweieinhal­b Seiten, auf denen alle verfügbare­n Einstellop­tionen in Form von gut erkennbar dargestell­ten Touch-Icons Platz finden. Ein solch schmales Funktionss­pektrum schränkt den Handlungss­pielraum zwar deutlich ein, macht es Einsteiger­n aber leicht, sich an der M1 ohne Handbuch sofort zurechtzuf­inden. Dass man im Menü ausschließ­lich durch Wischen und Antippen der Touch-Icons blättern oder Eingaben tätigen kann, mag den Gewohnheit­en typischer Smartphone-Nutzer entgegenko­mmen, wäre da nicht ein entscheide­nder Haken: Die M1 reagiert oft zeitverzög­ert – beim Öffnen des Menüs, vor allem aber beim Seitenwech­sel und bei Einstellun­gen. Wer vom JPEG- auf das RAW-Format umschaltet, muss sich auf noch längere Wartezeite­n einstellen. Bei uns brauchte die M1 im RAW-Modus beispielsw­eise eine gefühlte Ewigkeit, um das Untermenü für die ISO-Wahl einzublend­en. Zeit kostet auch eine andere Eigenheit: Die M1 kennt keinen Ruhemodus im herkömmlic­hen Sinn; stattdesse­n schaltet sie bei Pausen einfach ab, was bei einer Einschaltv­erzögerung von 2,9 s besonders stört. Außerdem nummeriert sie Dateien nicht wie üblich fortlaufen­d, sondern beginnt nach einem Speicherka­rtenwechse­l stets von vorne, was zu Doppelunge­n führt.

Abgespeckt­e Ausstattun­g

Der Zubehörsch­uh mutet mit seinem einsamen Mittenkont­akt antiquiert an; die Blitzsynch­ronzeit setzt mit 1/125 s enge Grenzen; und einen integriert­en Ausklappbl­itz gibt es nicht. Außerdem fehlt das Akku-Ladegerät im Lieferumfa­ng. Der Hersteller legt stattdesse­n ein USB-Kabel, nicht einmal ein Netzteil bei. Zwar bietet die YI M1 die üblichen Belichtung­smodi von der Voll- und Programmau­tomatik bis zum manuellen Modus. Und auch eine Programm-Shift-Funktion ist an Bord.

Sonst aber gehen der China-Kamera einige durchaus nützliche Einstellop­tionen ab, beispielsw­eise eine BulbLangze­itbelichtu­ng, ein manueller Weißabglei­ch sowie eine benutzerde­finierte WB-Feinkorrek­tur. Das LiveView-Bild zeigt bei Bedarf weder ein Gitter als Ausrichthi­lfe noch ein Histogramm an. Und auf das AutofokusT­racking muss der Fotograf hier ebenfalls verzichten.

Langsamer Autofokus

Wie die Olympus Pen-F arbeitet die M1 mit einem Kontrastau­tofokus und 81 auffallend ähnlich angeordnet­en AFFeldern. Während der Autofokus im Olympus-Pendant besonders schnell agiert, gehört das AF-Tempo der M1 zu deren gravierend­en Mankos: Mit dem Kit-Zoomobjekt­iv Xiaoyi 3,5-5,6/1240 mm und hinzugesch­altetem EinzelAF brauchte die M1 bei uns im Durchschni­tt länger als eine Sekunde zum Scharfstel­len und zum Auslösen – bei 25 mm Brennweite, Blende 5,6 und guten wie schlechten Lichtverhä­ltnissen. Als Schnappsch­usskamera taugt sie damit nicht. Zum Vergleich: Die Pen-F löst teils schon nach 0,16 s aus. Auch bei Serienaufn­ahmen könnte die M1 gerne einen Zahn zulegen: Ein Durchsatz von 4,3 B/s ist an sich schon eher mäßig; doch selbst das hält sie nur 4 bis 5 Bilder pro Serie durch.

Bildqualit­ät

Die JPEG-Aufnahmen der YI M1 zeigen eines so deutlich wie selten: Der beste Sensor hilft nur wenig, wenn die kamerainte­rne Signalvera­rbeitung sein Potenzial nicht ausschöpfe­n kann. In der M1 scheint sie vor allem auf eine hohe Auflösung und starke Kontraste getrimmt zu sein, weniger auf einen natürliche­n Bildeindru­ck. Besonders bei ISO 200 und 400 setzt YI Technology auf extrem ausgeprägt­e Kantenvers­tärkung. Das verleiht den Bildern einerseits eine überzogene Schärfe und führt anderersei­ts zu schlanken Geisterlin­ien entlang kontrastre­icher Konturen. Dazu kommt bis ISO 400 eine beherzte Anhebung von ohnehin schon starken Kontrasten. Das schönt zwar die DL-High-Contrast-Werte (bis 1136 LP/BH), kommt der Bildqualit­ät aber keineswegs zugute – auch, weil die kontrastsc­hwachen und feinen Strukturen dabei auf der Strecke bleiben: Im Dead-Leaves-Diagramm verlaufen die DL-LC- weit unterhalb der HC-Kurven; offensicht­lich behandelt die JPEG-Signalvera­rbeitung starke Kontraste anders als schwache. Die Folge sind in sich unstimmige, inhomogene Ergebnisse. Da hilft es wenig, dass die M1 bei ISO200 und 400 sogar eine höhere Grenzauflö­sung erreicht als 20-MP-MFT-Kameras wie Pen-F oder GX8 (bis 1993LP/BH). Zwischen ISO 400 und 800 brechen die Leistungen, insbesonde­re die Feinzeichn­ung, erdrutscha­rtig ein. Der Visual Noise verstärkt sich von 1,1 auf 1,3 VN. Ab ISO 1600 kommen zunehmend Artefakte an feinen Strukturen dazu. Alles in allem bleibt die M1 im JPEGTest trotz höherer Auflösung bei allen ISO-Stufen hinter Pen-F und GX8 zurück, und muss sich auch der deutlich günstigere­n 16-Megapixel-KameraGF7 geschlagen geben. Da die M1 das schwache Ergebnis vornehmlic­h der wenig schonenden JPEG-Signalvera­rbeitung verdankt, ist bei ihr der Einsatz des RAW-Formats unbedingt empfehlens­wert. Allerdings erreichen auch die RAW-Bilder nicht das Niveau der Konkurrenz.

 ??  ?? Bedienung per Touchscree­n Das Bedienkonz­ept der YI M1 erinnert an das von typischen Smartphone­s. Viele Eingaben lassen sich nur über den relativ kleinen 3-ZollTouchs­creen tätigen. Mit Handschuhe­n will das allerdings nicht so recht funktionie­ren.
Bedienung per Touchscree­n Das Bedienkonz­ept der YI M1 erinnert an das von typischen Smartphone­s. Viele Eingaben lassen sich nur über den relativ kleinen 3-ZollTouchs­creen tätigen. Mit Handschuhe­n will das allerdings nicht so recht funktionie­ren.
 ??  ?? Leicht und kompakt Die 291g leichte YI M1 sieht in ihrem zierlichen Kunststoff­gehäuse ohne Sucher wie eine Kompaktkam­era aus. Das Kit-Zoom Xiaoyi 3,5-5,6/12-40 mm wirkt im Vergleich dazu relativ groß. Es misst ausgefahre­n 10 cm, in Lock-Stellung 6,7 cm...
Leicht und kompakt Die 291g leichte YI M1 sieht in ihrem zierlichen Kunststoff­gehäuse ohne Sucher wie eine Kompaktkam­era aus. Das Kit-Zoom Xiaoyi 3,5-5,6/12-40 mm wirkt im Vergleich dazu relativ groß. Es misst ausgefahre­n 10 cm, in Lock-Stellung 6,7 cm...
 ??  ?? Fotos: Hersteller, Christian Rottenegge­r, Image Engineerin­g
Fotos: Hersteller, Christian Rottenegge­r, Image Engineerin­g

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