Grauwerte statt Farbe
Den Begriff „Schwarzweißfotografie“gibt es erst, seit man auch in Farbe fotografieren kann. Vorher war Schwarzweiß als bildgebendes Verfahren alternativlos, wenn man von einigen wenigen Pioniertaten in Richtung Farbfotografie absieht. Das änderte sich erst, als Kodak und Agfa in den 1930erJahren die ersten Dreischichtenfarbfilme auf den Markt brachten. Farbe etablierte sich zunächst in der angewandten Fotografie, in Mode und Werbung: Produktmerkmale lassen sich damit umfassender visualisieren. Und Otto Normalverbraucher freute sich, wenn er von seinen Urlaubsreisen Farbfotos mitbringen konnte. Damit ließ sich nach der Rückkehr zu Hause mehr Staat machen als mit vermeintlich tristem Schwarzweiß. Später kam noch die Diaschau als Mittel der fotografischen Selbstinszenierung dazu. In der künstlerischen Fotografie konnten sich die „bunten Bilder“erst in den 1970er-Jahren durchsetzen, während man der Schwarzweißfotografie seit jeher eine künstlerische oder zumindest ausgeprägt ästhetische Komponente zubilligte. Kameratechnisch unterscheidet sich die analoge Schwarzweißfotografie lediglich in der Wahl des passenden Films von der Farbfotografie. Die Belichtung, das Zusammenspiel von Verschlusszeit und Blende, Objektivbrennweite und Perspektive – all das funktioniert in Schwarzweiß im Prinzip nicht anders als in Farbe. Im Zeitalter der Digitalfotografie entfällt auch der Film als Unterscheidungsmerkmal, weil sich eine RGBDatei mit Farbinformationen ganz einfach in ein Graustufenbild umwandeln lässt. Was bleibt, sind die unterschiedlichen Gestaltungsmöglichkeiten durch das Vorhandensein bzw. Weglassen der Farbe. Mehr darüber auf den folgenden Seiten.