Momente
Fernab von Stress und Alltag findet Kerstin Zimmermann einen meditativen Zugang zur Landschaftsfotografie. Wenn sich ihr Blick weitet und die Gedanken zu fließen beginnen, spürt sie den Zauber des Augenblicks. Eine fotografische Sinnestour auf der Suche nach Seelenbildern mit dem fotografischen Blick und völlig frei vom Fotografieren nach Lehrbuch. Alle Fotos: Kerstin Zimmermann
Wer Kerstin Zimmermann näher kennt, weiß, dass es der Ostseeraum und ganz besonders Norwegen sind, und da meist die unberührten Landstriche, wohin es die fc-Fotografin immer wieder zieht, sei es, um einfach die Natur zu genießen oder zum Fotografieren. „An der Landschaftsfotografie reizt mich vor allem, dass ich in meinen Bildern zeigen kann, wie ich mich als Mensch in der Unendlichkeit von Raum und Zeit fühle.“Das Gefühl „eins zu werden mit der Landschaft“ist etwas, was Zimmermann nicht mit Worten, aber umso mehr mit Bildern beschreiben kann. Wenn sie spürt, wie ihr Blick weit wird und die Gedanken anfangen zu fließen, dann ist das für sie genau der richtige Augenblick, damit zu beginnen, Bildgeschichten ohne jeglichen Zeitdruck und mit viel Muße zu erzählen.
Der richtige Augenblick Was für Zimmermann beim Fotografieren zählt, ist, den richtigen Augenblick zu erfassen und nicht lange in Vorbereitungen zu investieren. „Alles bereits im Vorfeld zu planen, würde mir von vornherein den mentalen Raum nehmen, mich davon ablenken, das Unverhoffte, die unvorbereitete Situation, die mein fotografisches Auge anregen und kreisen lassen, zu spüren.“Ihre Herangehensweise beschränkt sich im Wesentlichen auf das Wetter und die daraus resultierenden Lichtsituationen. „Was ein Sich-Treiben-Lassen mit sich bringt und das zwanglose Warten auf Momente, die meine Bilder für mich einzigartig werden lassen.“Die Magie des Augenblicks spüren, urplötzlich, wenn das Besondere sich anbahnt, dafür gilt es, sich zu sensibilisieren. Je dramatischer sich die Lichtverhältnisse zeigen, desto besser für Kerstin Zimmermann. „Ein strahlend blauer und wolkenloser Himmel regt mich in der Regel kaum an, fotografisch aktiv zu werden.“
Fotografische Voraussetzungen
Kerstin Zimmermann wartet grundsätzlich auf den Moment, in dem Wetter, Jahreszeit und Licht eine Landschaft derart gestalten, dass es sie vereinnahmt. „Bei Landschaftsaufnahmen hat man dafür meist alle Zeit der Welt, und es ist nicht so schwer, genau den richtigen Moment für ein besonderes Bild zu erahnen“, sagt sie. Aber es braucht Geduld und das Wissen um die besten Bedingungen in der Wahl des richtigen Augenblicks. Dafür ist es wichtig, dass man sein Gerät beherrscht und nicht anfängt, Objektive zu wechseln, oder Kameraeinstellungen vornimmt und dabei gar nicht merkt, wie
man die wichtigsten Augenblicke verpasst. „Einmal verpasste Momente kommen niemals wieder, sie sind für immer verloren!“
Ausrüstung: Weniger ist mehr
Bei der Ausrüstung beschränkt sich Zimmermann daher auf das Wesentliche. Neben ihrer Nikon D800 (seltener die D300) nimmt sie ihre beiden lichtstarken Nikkore mit, eine Festbrennweite von 85 mm und das 17-55-mmZoom. „Am liebsten fotografiere ich mit der Festbrennweite. Aber am Meer, meist an Nord- und Ostsee oder auf dem Schiff, wenn Norwegens einzigartige Landschaft an meinem Auge vorbeizieht, lohnt es sich immer, das Zoom-Objektiv erst einmal aufgesetzt zu haben und dann nicht mehr an Technik zu denken, sondern sich einfach nur treiben zu lassen, alles andere kommt dann ganz von selbst.“Ansonsten verzichtet sie auf fast alles, was in einschlägigen Fotobüchern und Beiträgen zur Fotografie, insbesondere zur Landschaftsfotografie als unersetzlich gepriesen wird: Sie benutzt weder Filter noch Fernauslöser und auch kein Stativ. „Meine D800 plus Objektiv sind zusammen recht schwer, sodass Verwacklungsgefahr kaum besteht.“
Aufnahmetechnik
Werden die Lichtverhältnisse grenzwertig, was bei ihren lichtstarken Objektiven eher selten ist, fotografiert Zimmermann nicht mehr, abgesehen von den Nordlichtern, die sie ausschließlich mit Offenblende 1,4 und ISO bis zum Anschlag aus der Hand macht. Ansonsten verzichtet sie weitgehend auf technische Unterstützung. „Mir gefällt es einfach nicht, wenn durch den Einsatz von Pol- beziehungsweise Graufilter alles weichgezeichnet wird, was sich eigentlich bewegt und lebt, wie etwa fließendes Wasser. Beliebt ist auch, dass ein blauer Himmel durch entsprechende Objektivvorsätze noch dunkelblauer, Wolken noch dramatischer oder verwischt erscheinen in der Farb- und Schwarzweiß-Landschaftsfotografie. Auch das Wegfiltern von spannenden Spiegelungen wird gerne gemacht. Solche oder ähnlich wirkende Filter kommen bei mir nicht zum Einsatz.“All das hauche den Bildern zwar fototechnische Perfektion, aber eben auch sehr viel Sterilität ein. „Ich liebe
es, alles auf meinen Bildern annähernd so zu sehen, wie es sich mir in natura gezeigt hat.”
Nacharbeiten
Den wichtigsten Tipp, den Kerstin Zimmermann geben möchte, ist, unbedingt immer im RAW-Format zu fotografieren. Besonders früher verzichtete die Fotografin aus Gründen der Speicherersparnis schon einmal auf das RAWFormat und ärgert sich bis heute darüber. „Jede Komprimierung wie etwa JPEG führt zu unwiderruflichen Informationsverlusten, die man hinterher auch nicht mehr mit einer Nachbearbeitung am Computer rückgängig und schon gar nicht hinzuzaubern kann.“Die Nacharbeit am PC betreibt Zimmermann eher spartanisch. Meist korrigiert sie die Belichtung, erhöht etwas die Dynamik und den Kontrast und reduziert entsprechend die Sättigung. Generell neigt sie tendenziell eher zu gedämpften Farben und Grautönen. Dazu verzichtet sie vehement auf nachträgliches Scharfzeichnen. „Von dieser, unter fc-Fotografen recht verbreiteten Praxis, bin ich gar kein Freund, da das menschliche Auge in freier Landschaft nicht sehr weit scharf sehen kann. Manch einer vergisst das gerne, zeigt über große Distanzen viel zu viel Schärfe im Bild. Das führt sehr oft dazu, dass kaum noch Tiefe im Bild erkennbar ist, Bilder einfach zu großen kunterbunten Flächen werden, wo vom Vordergrund bis hinein in den tiefsten Hintergrund alles scharf ist.“Redaktion Sabine Schneider