Italien-Bilder
Sommer, Sonne, Sony. Um die handliche Vollformatkamera Sony A7R II in der Praxis zu testen, hat Maximilian Weinzierl sie an die Adria mitgenommen. Dort hat er ihre Raffinessen ausgetestet und ihre Schwächen kennengelernt. Von seinen knapp 1000 Bildern prä
Bella Italia
Auf in den Süden – dahin, wo viele Fotografen ausgiebig ihrem Hobby frönen: an die italienische Adria mit ihren wunderbaren Landschaften, imposanten Kulturdenkmälern und beliebten Sandstränden. Ich will möglichst wenig Gepäck mit auf diese Reise nehmen, deshalb besteht mein Equipment nur aus der Sony A7RII und zwei Objektiven: dem Weitwinkelzoom Sony Zeiss Vario-Tessar 4/16-35 mm ZA OSS und dem Telezoom Sony FE 4/70-200 mm G OSS; dazu kommt eine Kompakte für die Produktaufnahmen vor Ort.
Bildqualität
Keine Frage, das Hauptargument für die Sony A7RII ist ihr überragender CMOS-35-mm-Vollformatsensor mit 42 Megapixeln. Wenn man ein Objektiv verwendet, das dieses Potenzial ausschöpfen kann, erhält man eine exzellente Bildschärfe und kann die Bilder extrem vergrößern. Riesige Plakate sind kein Problem, und auch Doppelseiten für ein Hochglanzmagazin lassen sich damit gestalten – zum Beispiel das Aufmacherbild vom Santuario della Madonna dell‘Angelo in Caorle, das gerade einmal mit 67% seiner Originalgröße abgedruckt ist. Man könnte folglich sogar noch Ausschnitte ohne Qualitätsverlust auswählen. Wer mit der Sony A7RII verreist, kann von seinen schönsten Motiven also riesige Vergrößerungen in bestechender Qualität fürs Wohnzimmer herstellen, die das Urlaubsfeeling nachklingen lassen und die schönsten Erinnerungen wieder zum Leben erwecken.
Bildgestaltung
Während der blauen Stunde sind die Sonnenanbeter längst beim Abendessen oder auf ihren Zimmern. In den beliebten Badeorten, hier Lignano, gehört der Strand jetzt allein den Fotografen. Zeit für stimmungsvolle Bilder von den Reihen der aufgeräumten Strandgarnituren. Klappdisplays sind dafür eine segensreiche Einrichtung, damit muss ich mich für die Perspektive mit den hochragenden Sonnenschirmen nicht in den Sand legen. Leider funktioniert das Ausklappen nur in eine Richtung, sodass nur Querformataufnahmen bequem möglich sind. Auch ein Touchscreen würde die Einstellung der auf dem Boden liegenden, mit Steinen abgestützten Kamera sehr erleichtern. Lästig ist mir manchmal die automatische Sucher-Monitor-Um-
schaltung, die sehr sensibel reagiert: Wenn ich mit der Hand das Klappdisplay bewege, schaltet die Kamera oft vom Display auf den Sucher um, und das Display ist dann dunkel. In diesem Fall sollte man die Finder/MonitorUmschaltung von „auto“auf „manuell“umstellen – sofern man die Einstellung schnell genug im Menü findet. Dessen Logik ist mir immer noch ein Rätsel, oft muss ich alle Reiter durchblättern, bevor ich eine gesuchte Funktion finde.
Sand und Strand
Bei einer spiegellosen Kamera ist der Objektivwechsel immer mit dem Risiko verbunden, dass Staub auf den Sensor gelangt – denn dieser liegt völlig offen. Deshalb sollte man einen Objektivwechsel möglichst nicht an Orten wie am Strand oder neben einem blühenden Feld vornehmen. In der Sony A7R II ist zwar ein starker Staubrüttler eingebaut, trotzdem bleibt mir das nachträgliche Wegstempeln von Fusseln – vor allem im Himmel – meist nicht erspart. Der Strand mit dem roten Schirm im Vordergrund wurde in Caorle mit der längsten Brennweite und 1/60 s aus der Hand fotografiert. Die Bildstabilisierung leistete dabei ganze Arbeit.
Verwacklungsausgleich
Auch die Säulen im Forum Romanum von Aquileia habe ich mit relativ langer Belichtungszeit aus der Hand aufgenommen. Die vorbeifahrenden Autos sollten als Wischbewegung abgebildet werden, um etwas Pep in das statische Säulenbild zu bekommen. Die Autos sind unscharf wegen der Eigenbewegung, der Rest ist scharf aufgrund der Kompensation durch den Bildstabilisator. Er ist also nicht nur bei Lichtmangel nützlich, sondern auch im hellen Sonnenlicht zum Experimentieren mit längeren Belichtungszeiten. Im Ge- häuse der Sony A7R II sitzt ein SensorShift-Mechanismus mit „5-Achsen“Stabilisierung für die Verwendung von Objektiven ohne eigenen Stabilisator. Wenn aber – wie hier – OSS-Objektive mit einem integrierten Stabilisator zum Einsatz kommen, werden von der „5-Achsen“-Stabilisierung im Body nur 3 Achsen tätig, den Ausgleich entlang der beiden anderen übernimmt der Bildstabilisator des Objektivs. Somit ist die perfekte (automatische) Abstimmung des Stabilisierungsmechanismus auf das jeweils verwendete Objektiv möglich.
Speed
Beim Speichern im unkomprimierten RAW-Format (für diese Kamera empfehlen sich immer RAWs, evtl. zusammen mit JPEGs für den Sofortgebrauch) schafft die Sony A7R II 5 B/s. Das ist bei Sportaufnahmen wie dem Bild von den Trampolinspringern auf der Piazza
dell’Unità d’Italia in Triest manchmal zu wenig. Die ideale Stellung des Springers in der Luft wird nicht in jeder Aufnahmeserie abgebildet. Was aber manchmal mehr stört: Die Kamera schafft 10 RAW-Aufnahmen hintereinander, dann ist sie erst einmal mit dem Abspeichern der Daten beschäftigt, und das kann schon mal 15 s dauern (SanDisk Extreme Pro SDXC 64 GB, 95 MB/s). Im Display erscheint „Schreiben auf Speicherk. Bedienung nicht möglich“. In dieser Zeit ist die Kamera nicht ansprechbar, und der Fotograf ist zur Untätigkeit gezwungen, er kann zwischenzeitlich nicht einmal die ersten Bildergebnisse kontrollieren.
Performance
Beim Einschalten gibt es immer eine Verzögerung, bevor die Kamera erwacht. Das Display ist zunächst weiß, und erst nach einer Art Abblendung erscheinen die Details. Das ist ungewohnt, wenn man an eine stets schussbereite Spiegelreflexkamera gewöhnt ist. Die automatische Belichtung arbeitet ausgesprochen präzise. Wenn man in komplizierten Lichtsituationen – wie beim Balkon im Schatten mit Streiflicht auf den Blüten – doch einmal korrigierend eingreifen muss, erweist sich das separate
Einstellrad für die Belichtungskorrektur, rechts oben auf der Kamera in Daumennähe, als äußerst praktisch. Die Möglichkeit, das Verschlussgeräusch auszuschalten und lautlos zu fotografieren, ist besonders in den zahlreichen Kirchen vorteilhaft; das Geklapper einer Spiegelreflexkamera fällt dort immer negativ auf. Der automatische Weißabgleich der Sony A7R II erzeugt Bilder, die für mein Empfinden ein wenig zu kühl ausfallen. Doch auch das ist kein Problem, denn die Anpassung der WB-Automatik erfolgt punktgenau im Menü in einem Farbkoordinatensysten (in diesem Fall: A-B: A05, G-M: 0). Ein Manko der Sony A7RII ist jedoch ihr enormer Stromverbrauch. Es empfiehlt sich wirklich nicht, mit nur einem Akku loszuziehen, er wird nicht den ganzen Urlaubstag durchhalten. Mindestens ein Ersatzakku, besser zwei sind angesagt. Der Autofokus agiert bei genügend Licht präzise und treffsicher und fast ohne merkliche Verzögerung. Wichtig, wenn es schnell gehen muss, wie in Triest bei der Promi-Veranstaltung auf dem Platz der Einheit Italiens. Beim spärlichen Licht in italienischen Kirchen reagiert der AF zwar etwas langsamer, fährt auch schon mal hin und her, ist aber immer noch erstaunlich treffsicher. Und hier im Dunkeln sieht man durch den elektronischen Sucher der Kamera die großen Ölgemälde heller und damit detailreicher als mit bloßem Auge: die Kamera als Restlichtverstärker. Bei Sonnenschein am Strand hat man keine Chance, mit dem LCD-Monitor zu arbeiten. Dann ist der elektronische Sucher eine Wucht: hell, brillant und superscharf. Und gerade bei Sonnenschein vermisse ich sehr einen eingebauten Aufklappblitz, der harte Schatten ganz auf die Schnelle mal einen Tick aufhellen könnte.
Foto-Meditation
Im Urlaub ist Zeit für Muse und Kreativität. Tipp: Setzen Sie sich mit der Kamera ans Meer (alleine), und arbeiten Sie überlegt an einem einzigen Sujet. Für obiges Bild saß ich etwa eine Stunde lang am Strand und habe herumprobiert. Aufteilung im Goldenen Schnitt, der Fels ist mittig und kaum wahrnehmbar Land und Leute Beim Festakt in Triest auf der Piazza dell’Unità d’Italia präsentieren sich traditionelle Fahnenschwingergruppen und jede Menge Politprominenz (1). Typischer Blumenbalkon an der Hauptstraße von Aquileia (2). Raue Schönheit: die schroffe Felsenküste am Adriatischen Meer (3). nach links gerückt, eine Diagonale geht durchs Bild; Himmel, Wellen, Reflexe – viele Auslösungen bis alles eine gewisse Harmonie ausstrahlte. Schwarzweiß ist per se eine Abstraktion der Umwelt, die Reduktion auf Formen und Kontraste. Und das ist das Tolle bei der Spiegellosen: Die künstlerische Abstraktion wird vor dem Auslösen kontrollierbar im Sucher angezeigt.
Fazit
Die Sony A7RII eignet sich großartig für Landschaften, Street, Architektur und People. Für Sport, Action oder Speed würde ich aber eher zu einer schnelleren Spiegelreflexkamera oder zur Sony A9 greifen. Als handliche, leichte Urlaubskamera mit enormer Bildqualität werde ich die A7RII aber immer wieder gerne mitnehmen.
Maximilian Weinzierl