Nikon D500 versus Sony A6500
– welche Vor- und Nachteile zeichnen diese beiden Lösungen aus? Die COLORFOTO-Autoren Reinhard Merz und Erich Baier diskutieren die Frage anhand der beiden Top-Modelle Nikon D500 und Sony A6500.
Die Nikon-SLR D500 im Vergleich mit der spiegellosen Systemkamera Sony A6500
Spiegellose Systemkameras galten vielen lange als Spielzeug. Doch längst begegnen die klassische SLR mit Schwingspiegel und die spiegellose Systemkamera einander auf Augenhöhe. Seit einigen Jahren wachsen die Marktanteile spiegelloser Systemkameras. Mit kleinen Abmessungen und geringem Gewicht kann man sie immer dabeihaben. Der Verzicht auf den Spiegel erlaubt zudem mehr Freiheiten beim Kamera- und Objektivdesign. Doch auch für klassische SLRs mit Umlenkspiegel gibt es gute Argumente, auch wenn die vormals klassischen Vorteile – etwa der schnellere Phasen-AF – heute der Vergangenheit angehören. Was für welche Lösung spricht, haben wir anhand der beiden Top-Modelle Nikon D500 und Sony Alpha 6500 in der Praxis getestet. Das Besondere an diesen Kandidaten: Viele Teile der Elektronik stammen aus den firmeneigenen Vollformat-Topmodellen. Beide Kameras nutzen einen APS-C-Sensor mit 21 beziehungsweise 24 Megapixeln.
Größe und Gewicht
Während die SLR-Konstruktion wegen des ausladenden Spiegelkastens eine gewisse Mindesttiefe des Gehäuses fordert, bieten Spiegellose mit weniger als dem halben Auflagemaß (Abstand zwischen Bildebene und Auflagefläche des Objektivs) ganz andere Möglichkeiten zur Miniaturisierung. So auch hier. Die Sony misst 120x67x52mm und wiegt 460 Gramm. Die Nikon bringt bei Abmessungen von 147 x 115 x 82 mm mit 850g Gewicht fast das Doppelte auf die Waage. Kommt noch das Objektiv AF-S Nikkor 2,8-4/16-80 mm E ED dazu, wiegt die Kombination satte 1320g. Flanscht man dagegen das vergleichbare VarioTessar E 4/16-70 mm ZA OSS von Zeiss
an die Sony, wiegt dieses Paket nur 760 g. Beide Kameras bestehen zum großen Teil aus Magnesium, und der Spritzwasserschutz gehört im gehobenen APS-C-Segment zum Standard. Die ausgezeichnete Ergonomie ist ein Argument der SLR-Befürworter. Durch Form und Gewicht liegt sie gut in der Hand und lässt sich mit den großen Knöpfen und Rädern zuverlässig bedienen. Dafür passt sie aber nicht in eine Jackentasche. Soweit die Theorie. In der Praxis liegen beide Kameras sehr gut in der Hand, die Griffe sind ausgeprägt und dank Strukturbeschichtung gut zu halten. Beim Transport von Kamera und Objektiven kann die spiegellose Sony punkten, bei der Griffigkeit gibt es keiSucherbilds, nen Unterschied. Der kompakteren Bauweise steht der höhere Strombedarf für den elektronischen Sucher gegenüber. Das zehrt nicht nur am Akku, sondern bringt eine zusätzliche Wärmequelle in die Kamera ein.
Sucher
Beim Sucher unterscheiden sich die Ansätze am stärksten: Der Spiegelsucher erlaubt den direkten Blick auf das Motiv, ohne dass das Bild vorher digital bearbeitet wird. Wer das Bild eines guten optischen SLR-Suchers gewohnt ist, wird sich mit elektronischen Sucherbildern zunächst schwertun. Lichtschwache (Zoom-)Objektive mindern in beiden Fällen die Qualität des der Effekt ist beim elektronischen Sucher aber noch stärker. Die Unterschiede sind bei den beiden Testmodellen deutlich: Der Pentaprismensucher der Nikon ist groß, hell und klar. Die BriteView-Einstellscheibe hat AF-Bereich-Markierungen, zusätzlich können Gitterlinien eingeblendet werden. Weitere Symbole sind stets im unteren Randbereich sichtbar. Der 1,0cm (0,39 Zoll) kleine elektronische Sucher der Sony mit 786 432 Bildpunkten unterscheidet sich von der Realansicht im Nikon-Sucher deutlich. Die Abbildung ist scharf, die Farben korrekt, und Farbe sowie Helligkeit sind einstellbar. Das Bild wirkt trotzdem „synthetisch“, es ist halt schon bearbeitet. Dafür können hier
wechselnde Symbole oder Text über die gesamte Fläche abgebildet werden. Muss der Nikon-Fotograf die Kamera absenken, um das Bild auf dem Display zu prüfen, erledigt der Sony-Fotograf dies direkt im Sucher: Belichtungskorrekturen und Weißabgleich sind schon vor der Aufnahme einberechnet. Man kann aufhellen oder abdunklen, sich ein Histogramm einblenden lassen. Im Sony-Sucher lässt sich mit der Funktion „Kantenanhebung“auch die Lage der Schärfe anzeigen. Das hilft beim Scharfstellen, was mit einem optischen Sucher – auch wenn er so großartig wie in der D500 ist – eher zum Glücksspiel wird. Im Sony-Sucher wird die Abbildung bei wenig Licht in dunklen Partien aufgehellt – je nach Kameraeinstellung zeigt das Display kurz die reale Lichtsituation, bei anderen Einstellungen wird der aufgehellte Zustand bei der Belichtung angezeigt. Das ist einerseits hilfreich – man sieht bei Nacht, was man fotografiert – andererseits gewöhnungsbedürftig. Zudem verbraucht der elektronische Sucher der Sony reichlich Strom. Nächster Unterschied: Der Sony-Sucher sitzt weit entfernt vom Display an der Gehäuseecke. Nikon dagegen platziert den optischen Sucher der D500 in der Gehäusemitte. Natürlich ließe sich der Strahlengang mit Spiegeln oder Prismen zur Ecke umlenken, doch dies würde die Kamera noch größer machen. Und der mittig platzierte Sucher hat auch einen Vorteil: Er sitzt über der optischen Achse, was manchen Fotografen die Kameraausrichtung erleichtert. Insgesamt erhält der „spiegellose“Fotograf wesentlich mehr Informationen, muss allerdings auf die Homogenität des optischen Suchers verzichten.
Autofokus
Zweiter zentraler Unterschied sind die AF-Systeme. Spiegelreflexkameras greifen im Sucherbetrieb in der Regel auf ein vom Aufnahmesensor unabhängiges Phasen-AF-Modul zu. Ein Schwingspiegel im Strahlengang versorgt das AF-Modul mit Licht, bis der Spiegel hochklappt, wenn der Fotograf den Auslöser drückt. In diesem Moment steht kein AF-Signal zur Verfügung. Phasen-AF bedeutet, dass Teilbilder des Motivs aus dem Hauptstrahlengang auf spezialisierte AF-Sensoren umgelenkt werden. Diese werten die Abbildungen
Teilbilder aus und geben der AFSteuerung vor, wie zu fokussieren ist. Die Fokussierung ist abgeschlossen, wenn die beiden Teilbilder zur Deckung gebracht sind. Die Kamera ermittelt mit einer einzigen Messung, in welche Richtung und wie weit die Linsen verschoben werden müssen, um ein scharfes Bild zu erzeugen. Es wird anschließend kaum noch nachfokussiert. Nikon wählt für die D500 das PhasenAF-Sensormodul Multi-CAM 20K der D5, das zum Fokussieren einen eigenen Prozessor mobilisiert. Mit 153 PhasenAF-Punkten, darunter 99 Kreuzsensoren, ist das System rekordverdächtig üppig ausgestattet. Im Vergleich zur Vollformatkamera D5 wird hier ein doppelt so großer Anteil des Sucherfelds von den AF-Sensoren abgedeckt. Im Live-ViewModus nutzen die D500 und andere SLRs – wie die spiegellosen Kameras – die Daten des Aufnahmesensors und stellen mittels Kontrast-AF scharf. Zwar arbeiteten die Autofokuslösungen spiegelloser Kameras in der Vergangender heit langsamer als die Phasenautofokusmodule der SLRs, doch diese Unterschiede haben sich längst nivelliert. Die Sony A6500 verwendet, wie viele moderne Spiegellose, einen Hybrid-AF mit Phasen- und Kontrastdetektion auf dem Bildsensor. Sie schaltet je nach Lichtbedingungen oder Motiv automatisch zwischen den Messmethoden um. Für die Kontrastmessung stehen der A6500 169 Felder zur Verfügung, für die Phasenerkennung nutzt sie 425. Die Laborwerte der beiden Kameras lassen aufhorchen: Die Auslöseverzögerung inklusive AF-Zeit beträgt bei der Nikon D500 angenehm kurze 0,22/0,23 s bei 300/30 Lux. Die Sony Alpha 6500 ist mit 0,29/0,30 s nur einen Wimpernschlag langsamer, während die D500 im Live-View mit 1,07/1,00s vergleichsweise gemächlich daherkommt. Der Nikon-AF verursacht beim Fokussieren stets ein leises mechanisches Geräusch; der Sony-AF reagiert wesentlich leiser – fast lautlos.
Tempo ist nicht alles
Beide Fokussysteme sind schnell, ohne Frage. Bei einem Umgebungslicht von
EV6 bis 18 ist in der täglichen Fotopraxis kein Geschwindigkeitsunterschied zwischen den sonst so unterschiedlichen Kameras festzustellen. Beim Vergleich ist aber nicht nur das Tempo von Interesse, sondern auch, wie zuverlässig der Autofokus in der Praxis arbeitet. Und hier gibt es sehr wohl Unterschiede. Das AF-Verhalten ändert sich in den Belichtungsrandbereichen – also bei Aufnahmeszenen mit besonders viel oder besonders wenig Licht oder Kontrast. Eine sonnenbeschienene, grob weiß verputzte Hauswand mit einem Messwert von EV 16 ist für die Sony kein Problem. Die Fokussierung ist blitzschnell und korrekt. Die Nikon dagegen kann mit diesem Motiv nichts anfangen. Der Fokus versucht scharfzustellen, leider reicht der vorhandene Kontrast an der hellen Wand dazu nicht aus. Wird die Kamera im LiveView-Modus mit hochgeklapptem Spiegel verwendet, tritt das Problem nicht auf, und es wird sauber fokussiert: Eine Bewegung vor, eine zurück – und das Motiv ist scharf. Die beim hochgeklappten Spiegel aktiven Sensoren für die Kontrasterkennung arbeiten also deutlich langsamer, bewältigen aber einen größeren Helligkeitsbereich und auch geringere Kontraste. Als Testmotiv mit wenig Licht wählten wir einen Karton mit leichter Struktur und eine Tafel mit grafischen, schwarzweißen Mustern. Der am Karton gemessene EV ist 1, es ist also recht duster. Der Nikon-AF meistert das Motiv mit den grafischen Mustern, die Fokussierung ist jedoch langsam. Beim Motiv mit geringerem Kontrast kann der AF nicht mehr scharfstellen und „sucht“ den Fokuspunkt. Und dieses Mal hilft auch der LiveView nicht. Motive mit geringem Kontrast werden erst wieder bei etwas hellerer Beleuchtung (ca. EV 3) bewältigt. Die Sony erkennt dagegen auch bei besonders hellen und dunklen Motiven feine Helligkeitsunterschiede und fokussiert exakt. Dafür zeigt sich das AF-System von Nikons D500 bei Aufnahmen bewegter Objekte von seiner besten Seite: Der Autofokus zieht im AF-C-Modus die Schärfe mit atemberaubendem Tempo nach. Auch die Sony Alpha 6500 kann hier durchaus überzeugen, aber beim direktenVergleich der Bilder schien uns die Nikon noch einen Tacken präziser zu sein – kleine Unterschiede auf sehr hohem Niveau. Unterm Strich gehören die AF-Systeme der beiden Testkandidaten von Nikon und Sony zum Besten, was derzeit am Markt erhältlich ist. Und die hohe Qualität bei diesem fotografisch immens wichtigen Ausstattungsmerkmal relativiert auch die happigen Gehäusepreise von 1700 Euro (Sony Alpha 6500) und 2300 Euro (Nikon D500). Beim Filmen bieten die spiegellosen Kameras einen systembedingtenVorteil: Die SLRs müssen den Spiegel hochklappen und haben keinen Zugriff mehr auf die AF-Sensoren. Der – meist deutlich langsamere – AF des LiveViews muss übernehmen. Da die Spiegellosen dagegen immer auf dem Sensor messen, können sie auch beim Filmen schnell scharfstellen. Ein Plus bei bewegten Motiven.