Mehr Tempo mit der Profi-Kamera
Sony A9. Sony wirbt mit einer superschnellen spiegellosen VollformatkameraumdieGunstderProfis.DaskompakteModell wartet mit Superlativen auf, mit denen sich einige Grenzen der herkömmlichenSLR-Fotografieüberwindenlassen.Maximilian Weinzierl
Live-Kontrolle
Diese Waldszene ist beleuchtungstechnisch eine Herausforderung: Von der Sonne beschienene Flächen und sehr dunkle Areale sind gleichzeitig im Bild. Die Kunst ist es, bei diesem hohen Kontrast so zu belichten, dass die Sonnenflecken gerade noch Zeichnung aufweisen und nicht ausfressen. Bei diesem Motiv besteht die Gefahr, dass selbst aus der RAW-Aufnahme die Zeichnung in den Lichtern nachträglich nicht mehr hergestellt werden kann. Der Fotograf wird also in die Belichtungsautomatik eingreifen. Mit einer Spiegelreflexkamera wird er ein Bild aufnehmen, das Ergebnis auf dem Display auf blinkende weiße Stellen kontrollieren, eine Belichtungskorrektur vornehmen und die Aufnahme wiederholen. Oder er wird gleich eine automatische Belichtungsreihe schießen und später die beste Version aussuchen. Das erste Vorgehen ist umständlich und kostet Zeit, das zweite produziert eine Menge unnützer Daten. Die Spiegellose hingegen markiert live im Sucher und vor der eigentlichen Aufnahme mittels einem sich bewegenden diagonalen Streifenmuster, dem sogenannten Zebra, jene Problemzonen, in denen eine Überbelichtung stattfindet. Für das Zebra können die Stärke und der Bereich oder der untere Grenzwert als benutzerdefinierte Einstellung im Menü festgelegt werden (hier: Bereich Untergrenze, Wert 95+). Wie bei den A7-Modellen hat auch die A9 ein eigenes geriffeltes Einstellrad für die Belichtungskorrektur, das auf der Kameraoberseite anwenderfreundlich mit dem Daumen erreichbar ist. Damit wird sehr schnell und intuitiv – kontrolliert durch das Zebramuster – die Automatikbelichtung beeinflusst. Und dazu muss die Kamera nicht einmal vom Auge genommen werden. Das bietet keine digitale Spiegelreflexkamera, und der Profi wird sich sehr schnell daran gewöhnen und dieses Feature nicht mehr missen wollen – zum Beispiel der Sportfotograf, der beim Fotografieren eines Fußballspiels damit ständig vor Augen hat, ob und wo die weißen Trikots der Spieler „ausfressen“könnten. Die LiveKontrolle gibt Sicherheit und führt in Extremlichtsituationen zu mehr perfekt belichteten Bildern.
Sensorqualität
Die Abbildungsqualität des neuen rückseitig belichteten, mehrschichtigen Exmor-RS-CMOS-Bildsensors ist über jeden Zweifel erhaben (siehe Test in COLORFOTO 7/2017) und mit seinen moderaten 24,2 Megapixeln Auflösung den SLR-Profiflaggschiffen ebenbürtig. Oben eine 1:1-Makroaufnahme, die mit der Sony A9 unter Idealbedingungen aufgenommen wurde: förderliche Blende, niedrige ISO-Einstellung, Stativ, Studioblitzanlage und das sagenhaft scharfzeichnende Makro-Objektiv FE 2.8/90 Macro G OSS.
Klappmonitor
Ein ausklappbarer Monitor an einer Profikamera? Das muss in jedem Fall sein! Für das Aufmacherbild hätte ich mich sonst auf den Boden legen müssen, um das Fliegenpilzfoto perfekt arrangieren zu können. Der Pilz stand unter einem Felsvorsprung; die Sony A9 wurde einfach bodennah auf den Kamerarucksack gepackt (Bild unten). Der Bildausschnitt und der AF-Punkt konnten bequem am Touchdisplay festgelegt werden. Das leidige Problem der ungewollten automatischen Monitor/Sucher-Umschaltung, wenn das Auge dem Sucher zu nahe kommt, wurde raffiniert gelöst: Ist der Monitor jetzt auch nur leicht ausgeklappt, befindet sich die automatische Sucherumschaltung außer Betrieb.
Im Studiobetrieb
Sofern man nicht bei vorhandenem Licht, sondern mit einer Blitzanlage arbeitet, sollte bei Shootings im Studio, im Menü „Anzeige/Bildkontrolle 2“auf Seite 7/9 die Position „Anzeige LiveView“auf „Alle Einstell. Aus“stehen. Sonst bleibt das Display dunkel. Mit dieser Live-View-Umstellung kann das Motiv trotz eingestellter kleiner Blende und kurzer Verschlusszeit als helles Livebild betrachtet werden. Erst beim Auslösen schließt die Kamera dann auf Arbeitsblende. In der Regel wird der Profi bei Stills manuell scharfstellen. Dazu gibt es als elektronische Hilfsmittel die Ausschnittsvergrößerung beim Drehen des Entfernungsrings und das Fokuspeaking (farbige Darstellung der scharfen Kanten; Farbe Rot, Gelb oder Weiß und Stärke einstellbar). Diese Fokussier-Unterstützung funktioniert, anders als bei Spiegelreflexkameras, auch im Sucher. Dieser verfügt bei der Sony A9 über 2,3 Millonen Bildpunkte und eine Bildwiederholrate von 120 B/s. Damit ist manuelles Scharfstellen ein Vergnügen. Über das integrierte WLAN kann das Sucherbild ohne weiteres Zubehör auf ein Smartphone übertragen werden, was bei der Kontrolle enorm hilfreich ist, wenn z.B. mit der Pinzette am Arrangement gearbeitet wird, die Kamera aber kopfüber montiert ist.
Hochgeschwindigkeit Die Sony A9 ist momentan die schnellste Vollformatkamera, und in diesem Kriterium übertrifft sie die SLR-Profikollegen, die unter Optimalbedingungen höchstens 12 bis 14 B/s liefern. Es sind tatsächlich 20 echte RAW-Einzelbilder (komprimiert), mit dem normalen Akku, ohne zusätzlichen Batteriegriff, und das in Serie über 241 Bilder lang. Mein einfacher Test dazu steht auf: youtu.be/inafSw1xXr8. Die hohe Geschwindigkeit der Sony A9 ist ein gutes Kaufargument für Sport- und Tierfotografen. Bei einem schnellen Bewegungsvorgang, wie beim startenden Schwan (die Kamera hat den kontinuierlichen AF zuverlässig mitgezogen), kann später die Idealstellung aus einer großen Bildauswahl ausgesucht werden. Sehr angenehm und entspannend: der Sucher zeigt keine Blackouts bei der Serienaufnahme. Das Bild bleibt ständig sichtbar, was die Konzentration auf das Motiv und den schnellen Vorgang erhöht. Und dank der einzigartigen 693 AF-Punkte gerät kein Motiv so leicht aus der Fokussierzone. Freilich entsteht bei der Highspeed-Serie schnell eine große Menge an Daten, die es zu managen gilt.
Profi-like
Es sind mit der Sony A9 einige Features zur A-Reihe hinzugekommen, die professionelles Arbeiten erleichtern. Gefühlsmäßig funktioniert zunächst alles schneller als mit den früheren A-Modellen: der Autofokus, die Bildanzeige, das Speichern etc. Das Menü wurde endlich übersichtlicher gestaltet und vereinfacht. Es gibt jetzt die Option, ein eigenes Menü mit individuellen Einstellungen anzulegen. Es sind zwei Kartenfächer vorhanden; ein Steckplatz unterstützt UHS-II-Karten, einen neuen Joystick für die schnelle und präzise AF-Feld-Verschiebung, ein zweites Einstellrad für die Serienfrequenz und darunter ein weiteres neues Einstellrad für die direkte Anwahl der AF-Modi (beide verriegelbar). Ein Highlight ist Sonys neuer Akku NP-FZ100 mit doppelt so langer Laufzeit wie der herkömmliche. Der Akku hielt tatsächlich einen ganzen Produktionstag lang.
Objektive
Sportprofis und Naturfotografen brauchen lichtstarke Teleobjektive im großen Brennweitenbereich. Im Moment gibt es für die A9 (E-Mount) als längste Brennweite nur das Telezoom G-Master FE 4.5-5.6/100-400 GM OSS (Bild oben). In puncto Abbildungsqualität, Handling und Verarbeitung genügt es absolut professionellen Ansprüchen. Bei manchen Einsätzen ist aber mehr Lichtstärke oder längere Brennweite gefordert, und da bleibt nur zu hoffen, dass Sony künftig noch einige große Teleobjektive auf den Markt bringt. Dann dürfte das Sony-A9-Konzept wahrlich konkurrenzlos sein, sofern die anderen Hersteller nicht gleichziehen.