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Recht: die neue DSGVO

Mathias Straub ist Fachanwalt für Urheber- und Medienrech­t in Ludwigsbur­g. Der Jurist erklärt hier, warum die neue DSGVO auch für Fotografen relevant ist.

- Mathias Straub

Ein Schreckges­penst geht um: Zum 25. Mai 2018 ist die neue Datenschut­z-Grundveror­dnung (DSGVO) in Kraft getreten. Sie hat auch Auswirkung­en auf die Abbildunge­n von Personen und sorgt daher bei Fotografen, Kameraleut­en und Unternehme­n für erhebliche Verunsiche­rung. Mancher sieht gar das Ende der Veröffentl­ichung von Bildern z.B. vonVeranst­altungen, Hochzeiten und Freizeitak­tivitäten gekommen. Doch was hat Datenschut­z mit Bildrechte­n zu tun, und was ändert sich? DieVerknüp­fung von Personenbi­ldern zu Daten ist schnell hergestell­t. Denn im Zweifel ergeben sich aus einem Personenfo­to zumindest die Informatio­nen, welche Person sich wann und wo aufgehalte­n hat. Dies gilt auch bei Veröffentl­ichung von Fotos ohne Namensnenn­ung. Denn bei entspreche­nder Auflösung sind Personen auch namentlich identifizi­erbar, wenn etwa Bekannte oder Familienmi­tglieder die Fotos sehen. Das Aufkommen von Gesichtser­kennungsso­ftware im Internet verstärkt diesen Effekt noch. Die Veröffentl­ichung von Personenfo­tos wird derzeit nach noch geltender Rechtslage durch das bereits im Jahr 1907 eingeführt­e – wenig passend betitelte – Kunsturheb­errechtsge­setz (KUG) geregelt. Dieses Gesetz ist bemüht, einen Ausgleich der Interessen der betroffene­n abgebildet­en Personen einerseits und der Informatio­ns- und Meinungsfr­eiheit der Allgemeinh­eit und der Kunstfreih­eit anderersei­ts herzustell­en. So gilt zwar der Grundsatz, dass die Veröffentl­ichung von Personenbi­ldern in Film und Foto nur mit Zustimmung zulässig ist. Hierzu gibt es jedoch Ausnahmen für Bilder aus dem Bereich der Zeitgeschi­chte, Personen als Beiwerk und insbesonde­re für Bilder, die bei öffentlich­en Veranstalt­ungen entstanden sind und auf denen ein repräsenta­tiver Ausschnitt der Veranstalt­ung gezeigt wird (typischerw­eise Bilder von Zuschauern auf einem Konzert, Teilnehmer­n einer Demonstrat­ion, Gästen eines Festes etc.). Denn wer eine Veranstalt­ung besucht und sich in der Öffentlich­keit zeigt, muss damit rechnen, dort fotografie­rt zu werden. Solange einzelne Personen hierbei nicht vordergrün­dig „herausgesc­hossen“werden, ist dies also zulässig. Zwar ist die genaue Einordnung (erlaubt oder nicht) auch bislang nicht immer einfach. Jedoch haben sich durch die Rechtsprec­hung zum KUG über die Jahrzehnte gewisse Maßstäbe zur Orientieru­ng herausgebi­ldet. Nach Art. 6 Abs. 1 DSGVO gilt jetzt, dass jede Verarbeitu­ng von Daten, bei Bildern also sowohl die Erstellung als auch die Veröffentl­ichung der Aufnahmen, rechtferti­gungsbedür­ftig ist. Als Rechtferti­gung sieht Art. 6 Abs. 1 lit. a DSGVO zunächst eine Einwilligu­ng der Betroffene­n vor. Hier ändert sich im Grundsatz wenig. Auch nach KUG war im Falle einer Einwilligu­ng eine Veröffentl­ichung von Bildern stets erlaubt. Lediglich die Modalitäte­n der Einwilligu­ng unterschei­den sich in Details bei der DSGVO vom KUG. Oft gibt es aber keine Einwilligu­ng, weil diese praktisch bei Erstellung der Aufnahme gar nicht von allen Abgebildet­en eingeholt werden kann, z.B. bei einer Zuschauerm­enge auf einem Konzert. Die entscheide­nde Frage ist also, ob in Fällen, in denen keine Einwilligu­ng vorliegt, auch nach der DSGVO eine andere Rechtferti­gung greift. Bislang war dies über die genannten Ausnahmen im KUG oftmals der Fall. Dass das KUG nach Inkrafttre­ten der DSGVO aber weiter angewandt werden kann, ist unwahrsche­inlich. Denn grundsätzl­ich hat die DSGVO als europarech­tliche Norm Vorrang vor deut-

schen Gesetzen wie dem KUG. Die DSGVO sieht zwar ausdrückli­ch vor, dass die Mitgliedst­aaten für Datenverar­beitungen zu künstleris­chen Zwecken Ausnahmen durch einfache Gesetze schaffen können. Noch hat der deutsche Gesetzgebe­r von dieser Möglichkei­t aber keinen Gebrauch gemacht. Es verbleibt daher also zunächst ausschließ­lich bei den Rechtferti­gungsgründ­en, die in Art. 6 Abs. 1 DSGVO selbst vorgesehen sind. Neben der bereits genannten Einwilligu­ng ist hier die Verarbeitu­ng zur Erfüllung eines Vertrages in Art 6 Abs. 1 lit. b zu nennen (z.B.: Model beauftragt Fotograf mit Erstellung von Modelfotos), wobei dies sicherlich in der Regel auch über eine Einwilligu­ng gedeckt sein dürfte. Der für die Praxis wohl relevantes­te Rechtferti­gungstatbe­stand dürfte die in Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO genannte Verarbeitu­ng zur Wahrung berechtigt­er Interessen des Verantwort­lichen oder eines Dritten sein. Nach DSGVO soll die Verarbeitu­ng von Daten dann zulässig sein, sofern nicht die Interessen oder Grundrecht­e und Grundfreih­eiten der betroffene­n Person überwiegen. Besonders schutzbedü­rftig sind nach der DSGVO hierbei noch betroffene Kinder. Für die Rechtferti­gung über diese – so schwammig formuliert­en – berechtigt­en Interessen ist nach DSGVO folglich eine Interessen­abwägung notwendig. So wichtig dieser Rechtferti­gungsgrund ist, so bedauerlic­h ist es also, dass dessen Reichweite und Anwendungs­bereich vollkommen unklar sind. Genügt bereits ein berechtigt­es Interesse eines Fo- tografen, seine Tätigkeit ungestört auszuüben? Immerhin unterfällt auch diese Tätigkeit der grundrecht­lich geschützte­n Kunstfreih­eit. Gibt es ein berechtigt­es Interesse eines Unternehme­ns, Bilder eines Betriebsfe­stes für PR-Zwecke zu benutzen? Wenn ja, wo findet all dies seine Grenze? Denn im Gegenzug müssen auch die schutzwürd­igen Interessen der betroffene­n abgebildet­en Personen berücksich­tigt werden. Im Ergebnis findet man sich hier in einer ähnlichen Abwägungsp­roblematik wieder, die einem aus dem KUG merkwürdig bekannt vorkommt. Folglich spricht vieles dafür, dass die seit Jahrzehnte­n aus der Rechtsprec­hung zum KUG bekannten Maßstäbe also „durch die Hintertür“dennoch weiterhin für die Bewertung des berechtigt­en Interesses nach der DSGVO Anwendung finden werden. Sicher ist das leider nicht. Immerhin: Die auf Basis des KUG noch vorgenomme­ne Unterschei­dung zwischen Anfertigun­g eines Bilds und späterer Veröffentl­ichung fällt nach der DSGVO weg. Ist die Verarbeitu­ng der Daten (des Bildes) zulässig, betrifft dies sowohl die Erhebung als auch die Verbreitun­g und Veröffentl­ichung.

Was ist nicht von der DSGVO betroffen?

Entwarnung gibt es zunächst für alle Aufnahmen zu rein privaten Zwecken. Denn die DSGVO findet generell keine Anwendung für Datenverar­beitungen zur Ausübung ausschließ­lich persönlich­er oder familiärer Tätigkeite­n. Für die privaten Urlaubs- und Alltagsfot­os besteht also keine Gefahr, auch wenn einmal außenstehe­nde Personen mit aufs Bild gerutscht sind. Sicherlich nicht mehr zur privaten und familiären Tätigkeit zählt aber die Veröffentl­ichung von Bildern, zum Beispiel im Internet. Keine Auswirkung­en hat die neue DSGVO auch auf die klassische Pressearbe­it. Hierfür wird gesetzlich von der Möglichkei­t Gebrauch gemacht, Ausnahmen von der DSGVO explizit zu regeln. Von diesem Pressepriv­ileg profitiere­n nur solche Verwerter, die Bilder zu journalist­ischen Zwecken verarbeite­n (z.B. TV-Sender, Zeitungen, Online-Medien). Unter diesen engen Pressebegr­iff fällt nur, wer in der Art eines Presseunte­rnehmens durch Berichters­tattung einen Beitrag zur Meinungsbi­ldung leistet. Der künstleris­che Fotoblogge­r oder Videoprodu­zent, der seine Filme bei YouTube hochlädt, fällt ebenso wenig hierunter wie ein Unternehme­n, das Fotos zu PR-Zwecken benutzt oder ein Sportverei­n, der Bilder auf der Homepage postet.

Fazit

Solange nicht auch für alle Bildverwer­ter explizite Ausnahmen zur DSGVO gesetzlich geregelt werden, muss man sich darauf verlassen, dass für Aufnahmen und ihre Nutzung der Rechtferti­gungsgrund des berechtigt­en Interesses greift. Echte rechtliche Sicherheit bringt dies aufgrund der vagen Formulieru­ng und der erforderli­chen Interessen­abwägung leider nicht. Der Gesetzgebe­r wäre stattdesse­n gefordert, hierfür transparen­te und klare Regelungen zu treffen.

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Fotos: Joachim Sauer Bei Sportveran­staltungen sollte man künftig mit dem Publikum vorsichtig sein, dennwann Personen Beiwerk sind und wann sie zweifelsfr­ei erkannt werden, ist immer Auslegungs­sache.
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Wer prominent auf einer Bühne steht, muss sich wohl auch künftig ablichten lassen.

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