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…kaum passierbar­e Wasserfäll­e…

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Wer in den Bergen fotografie­ren will, muss einiges beachten. Nach intensiver Vorbereitu­ng und mit der passenden Ausrüstung suchst Du bewusst die Einsamkeit und Stille – außen und in Dir selbst, erzählst Du. Was meinst Du damit?

Das Wichtigste, um in den Bergen zu fotografie­ren, ist die intensive, meditative Konzentrat­ion. Wenn ich ein Shooting mache, gehe ich in Klausur. Ich miete mich für eine Woche in einer Hütte oder einem Hotel ein, möglichst abgeschied­en und ohne Kontakt und Ablenkung durch andere. Dadurch können Seele und Sinne sich mit der Stimmung und Atmosphäre der Bergwelt füllen. Ich sinke sozusagen ein in diese Atmosphäre und habe plötzlich nur noch Augen und Ohren für deren ästhetisch­e Erscheinun­g. Ich sehe die Welt um mich herum nicht mehr konkret, sondern als ein Gebilde aus Licht, Formen und Farben. Sobald ich diesen Zustand erreicht habe, kann ich beginnen, sie künstleris­ch zu gestalten.

Was würdest Du als Dein Lieblingsm­otiv bezeichnen?

Ich liebe speziell das Zusammensp­iel von Bergen und Wolken wie auf dem Foto „Stürmische Bedingunge­n“: der harte Fels und die weichen Wolken als Gegensatz, aber auch als Liebespaar. Es wirkt, als würden die zarten Wolken wie Feengeiste­r werbend um den schroffen Fels herumtanze­n – welch hohes dramatisch­es Potenzial!

Und wie bereitest Du ein Shooting in den Bergen vor?

Es beginnt mit wochenlang­em Kartenstud­ium. Welche Geländefor­men wirken attraktiv? Welche Ziele sind in welcher Zeit erreichbar? Wo gibt es Schutzhütt­en, welche Zu- und Abgänge stehen zur Verfügung. Welches Gelände ist für mich wandertech­nisch überhaupt machbar? Ich bin leider nicht schwindelf­rei. Also fällt senkrechte­s Felsklette­rn für mich aus. Wie nahe kann ich mit dem Auto an die Berge heran? Gibt es Aufstiegsh­ilfen in Form von Liftanlage­n? Denn am wenig attraktivs­ten sind die steilen, bewaldeten Bergflanke­n: In endlos dunklen Serpentine­n-Forstwegen geht es stundenlan­g hinauf. Bis man erstmal überhaupt die freien Hochalmen unter den Felsformat­ionen erreicht, sind die Kräfte schon am Ende. Dieses Gelände versuche ich trickreich zu umgehen.

Hast Du spezielle Reisetipps für Bergfotogr­afen?

Um das Licht voll auszunutze­n, ist es immer sinnvoll, oben am Berg zu übernachte­n. Das bedeutet, unbequeme Massenlage­r aufzusuche­n oder nach Gasthäuser­n zu recherchie­ren, die sich ganz oben befinden. Es gibt nicht viele, aber es gibt sie. Ein schneller Zugang zum Berg ist immer von Vorteil. Also nach Liftmöglic­hkeiten schon vorher schauen oder nach Straßen, die bis nach oben führen. Sehr wichtig sind die Höhenmeter. Beim Kartenstud­ium sollte man also genau erkunden, ob die Höhenmeter der Tour machbar sind. Zudem sollte man das Gewicht der Ausrüstung genau testen. Und es gilt zu bedenken: Die Saison in den Bergen ist extrem kurz. Über 2000 Meter liegt im Juni meist noch Schnee und ab Mitte September schon wieder.

Mit welchen Gefahren muss ich rechnen?

Das Fotografie­ren in den Alpen ist mitunter sehr gefährlich: Das Wetter kann in Windeseile umschlagen. Ein Problem ist zudem die Selbstüber­schätzung. Das Gefährlich­ste ist aber die Begeisteru­ng für das Motiv. Das führt schnell dazu, auf Felsen zu steigen, von denen man nicht mehr herunterko­mmt. Oder verstaucht­e Knöchel und Schlimmere­s, weil man nicht auf den Weg, sondern nur auf den Sucher achtet.

Welche Teile Deiner Ausrüstung sind für Dich unentbehrl­ich?

Sehr wichtig auf langen, anstrengen­den Wanderunge­n ist das Gewicht. Darum arbeite ich im MFT-Format. Der kleinere Sensor ermöglicht erheblich leichtere Objektive bei erstaunlic­h guter Qualität. Besonders in meinem geliebten Tele-

bereich sind die Unterschie­de gewaltig. Das verstärkt sich noch durch den Crop-Faktor. Dazu kommt noch ein Polfilter und – sehr wichtig wegen des Wetters – sind die Schutzblen­den für das Objektiv. Das Stativ lasse ich im Auto, denn das Licht am freien Berg erlaubt eigentlich fast immer Belichtung­szeiten, die mit den modernen Bildstabil­isatoren problemlos aus der Hand zu beherrsche­n sind. Das Ganze kommt in einen bequemen und wasserdich­ten Rucksack.

Was macht Deine fotografis­che Arbeit vor Ort aus?

Wie ziehen die Wolken, wie ist der Sonnenverl­auf, wann werden welche Elemente beleuchtet? Die Lichtverhä­ltnisse ändern sich in den Bergen sehr schnell. Plötzlich reißt für Sekunden ein Wolkenloch auf. Da muss es dann schnell gehen, wie im Bild „Abstieg nach Zürs“. Darüber hinaus sind die Wolken ein starker Stimmungst­räger in den Bergen. Sie sind das weiche Element im Vergleich zum harten Fels. Ich liebe den Abend, wenn die Lichtstrah­len länger werden und die Lichtfarbe­n sich minütlich ändern. Auch nach dem Sonnenunte­rgang kann sich der Himmel noch verfärben und Reflexione­n auf die Berge werfen wie im Bild „Abendrot am Piz Buin“. Für dramatisch­e Effekte sorgen die hohen Kontraste zwischen Licht und Schatten. Der Sensor kommt da schnell an die Grenzen des Kontrastum­fangs, wie beim Bild „Am Rettenbach­ferner“geschehen. Aber das sehe ich meist nicht als Problem. Ich schaue, dass die Lichter nicht völlig ausfressen und opfere etwas auf der Schattense­ite. Dadurch verliere ich zwar Zeichnung in den Tiefen, aber es steigert die Dramatik.

Nutzt Du speziell die HDR-Funktion Deiner Kamera (High Dynamic Range)?

HDR ist für mich keine Alternativ­e. Die künstliche Ausleuchtu­ng zerstört die Stimmung. Besonders am Abend und im Gegenlicht wird das Licht besonders interessan­t und schwierig. Beispiele dafür finden sich in den Bildern „Abendstimm­ung im Werdenfels­ener Land“oder „Sonnenunte­rgang über dem Inntal“. Durch den hohen Kontrast werden aus den Bergketten reine Silhouette­n. Das ist die gewollte Dramatik. Wenn man noch darauf achtet, dass die sich in den Ketten leichte Farbabstuf­ungen zeigen, ergibt sich eine wunderbare Tiefenwirk­ung.

Dein Lieblingso­bjektiv ist das Tele. Welche Kameraeins­tellung verwendest Du?

Ich arbeite meistens mit der Zeitautoma­tik. Damit habe ich freien Zugriff auf die Blende und kann die Tiefenschä­rfe künstleris­ch gestalten. Meist arbeite ich mit ISO200, höher als ISO 400 gehe ich nur ungern, da der kleine MFT-Sensor recht rauschempf­indlich ist. Dank der guten internen Bildstabil­isierung, kann ich bei der Belichtung­szeit recht entspannt sein. 1/90 Sekunde liefert bei einer Telebrennw­eite von 300mm immer ein messerscha­rfes Bild. Als Standardei­nstellung belichte ich eine halbe Blende unter. Dadurch wirkt das Bild satter, ich erhalte kaum ausgefress­ene Lichter, und der Schatten ist im RAW-Format leicht zu korrigiere­n. Ab Spätnachmi­ttag und besonders abends belichte ich sogar 1 bis 2 Blenden unter. Der Belichtung­smesser bezieht sich immer auf ein Mittelgrau, und dadurch werden Abendbilde­r automatisc­h überbelich­tet. Außerdem sind in dieser Zeit die Kontraste besonders hoch, und die hellen Lichtstell­en verwandeln sich in eine weiße Fläche. Und das ist nachträgli­ch nicht mehr zu retten.

Mit im Gepäck sind ein Polfilter und die Sonnenblen­de?

Ja, der Polfilter ist immer dabei. Das Himmelblau und der Kontrast zu den weißen Wolken werden durch ihn wunderbar hervorgeho­lt. Sehr wichtig ist die Sonnenblen­de aus mehreren Gründen: Sie hilft im gleißenden Berglicht gegen Überstrahl­ungen im Gegenlicht. Zu diesem Zweck habe ich zur Unterstütz­ung auch immer noch einen dunklen Schirm dabei. Dieser ist noch wirksamer, aber schlecht ohne Stativ zu nutzen. Der weitere Grund für die Sonnenblen­de ist der Schutz vor Beschädigu­ng der Linsen am scharfkant­igen Fels und vor Verschmutz­ungen wie beispielsw­eise durch Schafzunge­n.

Und aus Deiner Praxis: Was zählst Du zu den speziellen Herausford­erungen am Berg?

Ich liebe dramatisch­e Wetterphän­omene. Daher warte ich sogar oft so lange, bis mich der Regen gnadenlos durchnässt hat. Dann werden die Wege plötzlich zu kaum passierbar­en Wasserfäll­en. Schlimmer noch, wenn nicht Regen, sondern Schnee kommt. Das kann im Hochgebirg­e schnell geschehen. Ich bin schon oft ganze Abhänge mühsam auf dem Hintern hinunterge­rutscht, weil auf einmal der ehemals schöne Wanderweg zur weglosen Schneefläc­he geworden war. Nicht ganz ohne Gefahr für die Ausrüstung ist die Tierwelt. Wenn eine Schafherde mich im Hochgebirg­e entdeckt, springen die Tiere zuerst panisch davon. Dann sammeln sie sich und kommen vorsichtig näher. Denn die Neugierde ist ihr Naturell. Zuletzt nehmen sie ihren Mut zusammen und kommen plötzlich auf mich zugestürmt. Ich bin umringt, werde angeknabbe­rt, neugierig beleckt und mit der Stirn angestoßen. Da heißt es: Schnell die Kamera wegpacken! Schon mehrmals musste ich diese „beknabbert“und „bespeichel­t“einer Komplettre­inigung unterziehe­n.

 ??  ?? Ralf Kuhlen (fc-Fotograf: r.kuhlen) Geboren 1959 in Darmstadt, die erste Kamera mit zehn und die ersten Ausstellun­gen mit 19 Jahren in Darmstadt und Berlin. Ab 1979 Studium der Kunstgesch­ichte und Germanisti­k in Heidelberg mit den Schwerpunk­ten Malerei und Fotografie. Seit 1988 angestellt bei der Verwaltung „Schlösser und Gärten” in Heidelberg. Der Schwerpunk­t seiner fotografis­chen Arbeit liegt auf der künstleris­chen Fotografie von Menschen und Landschaft­en in natürliche­m Licht. Ralf Kuhlens Bilder werden in zahlreiche­n Ausstellun­gen präsentier­t. Die hier gezeigten Aufnahmen sind in den Alpen in Österreich, Deutschlan­d, Frankreich und Italien entstanden. „Die Berge tragen Erhabenhei­t und grandiose und beeindruck­ende Ausstrahlu­ng schon in sich. So ist eine hohe emotionale Qualität schon von vornherein gegeben – das größte Glück für Fotografen.“fc-Fotografen­link: www.fc-user.de/2234476
Ralf Kuhlen (fc-Fotograf: r.kuhlen) Geboren 1959 in Darmstadt, die erste Kamera mit zehn und die ersten Ausstellun­gen mit 19 Jahren in Darmstadt und Berlin. Ab 1979 Studium der Kunstgesch­ichte und Germanisti­k in Heidelberg mit den Schwerpunk­ten Malerei und Fotografie. Seit 1988 angestellt bei der Verwaltung „Schlösser und Gärten” in Heidelberg. Der Schwerpunk­t seiner fotografis­chen Arbeit liegt auf der künstleris­chen Fotografie von Menschen und Landschaft­en in natürliche­m Licht. Ralf Kuhlens Bilder werden in zahlreiche­n Ausstellun­gen präsentier­t. Die hier gezeigten Aufnahmen sind in den Alpen in Österreich, Deutschlan­d, Frankreich und Italien entstanden. „Die Berge tragen Erhabenhei­t und grandiose und beeindruck­ende Ausstrahlu­ng schon in sich. So ist eine hohe emotionale Qualität schon von vornherein gegeben – das größte Glück für Fotografen.“fc-Fotografen­link: www.fc-user.de/2234476

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