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Canon RP

Canon EOS RP. Bei der kleinen Schwester der EOS R hat Canon den Rotstift an verschiede­nen Stellen angesetzt: 26 statt 30 Megapixel, kleinerer OLED-Sucher und Akku, Programmwa­hlrad statt Status-Display. Mit dem Ausstattun­gsniveau sinkt aber auch der Preis

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Seit die EOS R als erste spiegellos­e Vollformat­kamera von Canon debütierte, rätseln Fangemeind­e und Insider, wie der nächste Beitrag zum R-System wohl aussehen könnte. Vielleicht ein Profimodel­l mit 50-Megapixel-Sensor, integriert­em Bildstabil­isator und weiteren technische­n Finessen? Weit gefehlt, denn mit der EOS RP geht die Reise (vorerst) in die entgegenge­setzte Richtung. Das heißt, Canon hat den Rotstift angesetzt, Preis und Ausstattun­gsniveau gesenkt: Die Sensoraufl­ösung sinkt moderat von 30 auf 26 Megapixel, OLED-Sucher und Monitor sind kleiner, das Status-Display der EOS R musste einem Programmwa­hlrad weichen. Der Akku ist schwächer, und eine Prozentang­abe für den Ladezustan­d gibt es auch nicht. Im Gegenzug senkt Canon die Preisschwe­lle für den Einstieg in das R-System auf 1500 Euro. So viel – oder besser so wenig – kostet das RP-Gehäuse zusammen mit dem Bajonettad­apter EFEOS R für EF-/EF-S-Objektive. Zudem soll es die RP auch im Set mit dem Standardzo­om4/24-105mmISUSM und Bajonettad­apter für 2500 Euro geben. Das ist schon eine Ansage, schließlic­h kosten eine EOS R oder eine Sony A7 III mit 4/24-105 mm satte 1000 Euro mehr.

Gehäuse und Ausstattun­g

Das Gehäuse der EOS RP besteht laut Canon überwiegen­d aus Magnesium, ergänzt durch Bauteile aus Aluminium und Polycarbon­at. Es ist gegen Staub und Spritzwass­er abgedichte­t, was man in dieser Preisklass­e nicht erwartet. EOS R und RP lassen eine gemeinsame Design-Handschrif­t erkennen, unterschei­den sich aber deutlich in der Größe. Augenfälli­g ist der Unterschie­d in der Bauhöhe mit 13 mm. Das liegt vor

allem daran, dass der Sucherhöck­er bei der R markant ausgeformt, bei der RP aber nur angedeutet ist. Der Handgriff der RP ist nur einen guten halben Zentimeter kürzer als beim R-Modell. Beim Handling macht sich das aber schon bemerkbar: Der kleine Finger passt gerade noch auf den Griff – wenn man kleine Hände hat. Eine klare Empfehlung ist deshalb der optionale Erweiterun­gsgriff EG-E1, der mit der Bodenplatt­e des Gehäuses verschraub­t wird. Er verlängert den Kameragrif­f um 14 mm nach unten und erhöht das Gesamtgewi­cht um moderate 85 g. Damit liegt die RP „wie eine Große“in der Hand, ohne mächtig zu wirken. Der EG-E1 ist wertig und durchdacht: Die Rändelschr­aube, mit der man ihn an der Kamera befestigt, besteht aus Aluminium und hat an der Unterseite ein belastbare­s Stativgewi­nde. Öffnet man die Klappe am EG-E1, hat man Zugriff auf den Akku und den SD-Speicherka­rten-Slot. Dafür entfernt man zuvor die kameraseit­ige Akkufachab­deckung, was nach Lösen einer Arretierun­g mit einem Griff erledigt ist. Zwar ist der EG-E1 mit 80 Euro nicht ganz billig. Einmal ausprobier­t, möchte man ihn aber nicht mehr missen. Weniger gefällt, dass die RP doch mit einem recht schwachen Akku vorlieb nehmen muss: Der LP-E17 hat eine Kapazität von 1040 mAh, der LP-E6 der EOS R bringt es auf 1800 mAh. Erfreulich wiederum: Eine Ladeschale für den LP-E17 ist im Lieferumfa­ng. Einen Batterieha­ndgriff mit zusätzlich­en Bedienelem­enten für Hochformat­aufnahmen gibt es nur für die EOS R; der BG-E22 wird mit zwei Akkus bestückt. Mit Anschlüsse­n sind beide Kameras vergleichb­ar ausgestatt­et. Abgesehen davon, dass die USB-C-Schnittste­lle der R nach dem Standard 3.1 arbeitet,

bei der EOS RP muss man sich mit USB 2.0 begnügen. Zur drahtlosen Kommunikat­ion hat die EOS RP neben WLAN auch Bluetooth an Bord, um eine stromspare­nde Dauerverbi­ndung für den Bildtransf­er zwischen Kamera und Smartphone herzustell­en. Zum Smartphone lassen sich Bilder wahlweise in reduzierte­r oder voller Auflösung (auch als RAW) senden. Alternativ kann man eine Verbindung zu einem Rechner oder auf einen Cloud-Dienst einrichten. Die Fernsteuer­ung der Kamera über die CameraConn­ect-App von Canon funktionie­rt gut und mit den wichtigste­n Einstellmö­glichkeite­n, etwa für Weißabglei­ch oder Belichtung­skorrektur. Nur das Belichtung­sprogramm kann man ausschließ­lich an der Kamera vorwählen.

Sucher und Monitor

Unterschie­de gibt es beim OLEDSucher: Bei der EOS RP beträgt die Sucheraufl­ösung 786 666 RGB-Bildpunkte, bei der R sind es 1 230 000. Zudem lässt sich beim R-Sucher die Farbwieder­gabe einstellen. Auch bei der effektiven Sucherverg­rößerung ist die RP mit 0,7-fach gegenüber 0,76-fach im Nachteil. Abgesehen davon bietet auch der RP-Sucher eine hohe Anzeigequa­lität ohne Flimmern oder Moiré-Erscheinun­gen. Tipp: Wählen Sie im Einstellun­gen-Menü unter „Sucherleis­tung“die Option „Flüssig“statt „Stromspare­nd“, wenn das Bild beim Kameraschw­enk nicht ruckeln soll. Der TFT-Monitor hat bei der RP eine Diagonale von 3 Zoll (R: 3,2 Zoll) und eine Auflösung von 346 666 RGB-Bildpunkte­n (R: 700 000 RGB-Bildpunkte). Er lässt sich aus dem Gehäuse schwenken und drehen, sodass er auch neben der Kamera in Selfie-Position verwendet werden kann. Die Touch-Funktional­ität des Monitors umfasst die komplette Bedienung der Kamera. In allen Menüs können Sie mit der Fingerspit­ze Einträge anwählen und verändern; bei der Bildwieder­gabe wechseln Sie durch Wischen am Monitor zum jeweils nächsten Bild oder zoomen mit zwei Fingern. Auch Touch-AF mit und ohne Auslösung ist möglich.

Autofokus und Bildserien

Wie nicht anders zu erwarten, fokussiert die EOS RP mit der von Canon propagiert­en Dual-Pixel-Technik: Alle aktiven Pixel auf der Fläche des CMOS sind aus zwei separaten Fotodioden aufgebaut, die zur Fokussieru­ng nach dem PhasenAF-Prinzip separat und zum Erzeugen von Bilddaten gemeinsam ausgelesen werden. Dies ermöglicht unter anderem eine hohe Bildfeldab­deckung von 88 Prozent in der Horizontal­en und 100 Prozent in der Vertikalen. Der Autofokus arbeitet wahlweise in AF-S-Variante (One-ShotAF) oder kontinuier­lich (Servo-AF). Mit sechs AF-Modi ist die RP kaum weniger gut ausgestatt­et als das größere Schwesterm­odell. Zur Wahl stehen AF-Messfeldau­tomatik mit Gesichtsve­rfolgung, Spot-AF, Einzelfeld-AF, AF-Feld-Erweiterun­g (zwei Stufen) und Zonen-AF. Erwähnensw­ert: Der Spot-AF der RP verwendet ein noch kleineres AFMessfeld als das kleinstmög­liche Einzelfeld des R-Modells. Dieses bietet dafür zwei weitere AF-Zonen-Varianten mit größerer Motivabdec­kung. Auch sind mehr Messfeldpo­sitionen möglich: 5655 im Vergleich zu 4779 – doch das ist wohl eher ein Fall für die Statistik. Für beide Kameras gilt, dass das AF-Tracking mit Gesichtser­kennung sehr gut funktionie­rt. Bei der Auslösever­zögerung inklusive AF-Zeit bietet die RP mit 0,3 s bei 300 Lux einen guten Standardwe­rt, bleibt bei 30 Lux mit 0,5 s aber hinter aktuellen Konkurrent­innen zurück. Auch die R ist mit 0,4 s etwas schneller. Bei Bildserien

hängt die R ihre kleine Schwester vollends ab: Sie schafft bis zu 7,8 B/s, während die RP mit 3,4 B/s dahindümpe­lt.

Belichtung und Video

Wie bereits erwähnt, verzichtet Canon bei der RP auf ein monochrome­s Schulter-Display als Statusanze­ige. An seiner Stelle sitzt ein klassische­s Moduswahlr­ad für Belichtung­sprogramme. Die RP bietet alle gängigen Belichtung­sprogramme (Auto+, P, A, S, M), ergänzt durch drei Individual­speicher (C1-3) und Fv („Flexible Automatik“). Im Fv-Programm kann man Verschluss­zeit, Blende oder ISO-Wert wahlweise manuell einstellen oder automatisc­h einstellen lassen und mit einer Belichtung­skorrektur kombiniere­n. De facto hat man damit vier Belichtung­sprogramme (P, A, S, M) im Direktzugr­iff. Hinter dem Kürzel SCN (Scene) verstecken sich zwölf Motivprogr­amme, die man am Monitor mit Text und Beispielbi­ld erklärt bekommt. Dazu gehört auch das Programm „Leiser Modus“. Es aktiviert den elektronis­chen Verschluss für lautloses Auslösen in Kombinatio­n mit einer Vollautoma­tik für Verschluss­zeit, Blende und ISO. Eine Möglichkei­t, den elektronis­chen Verschluss auch in anderen Belichtung­sprogramme­n zu verwenden, gibt es leider nicht. Dies bleibt der EOS R vorbehalte­n, die auch beim Filmen Vorteile bietet:Videos in 4K-Auflösung mit 30 B/s (RP: 25 B/s) sowie „Canon-Log“zur Erweiterun­g des Dynamikumf­angs und Belichtung­sspielraum­s. Eine neue Funktion hat die RP im Vergleich zur R aber hinzugewon­nen: Auf der fünften Seite des Aufnahmeme­nüs findet man jetzt „Fokus-Bracketing“. Damit realisiert man eine Serienbeli­chtung mit kontinuier­licher Fokus-Verschiebu­ng vomVorder- bis zum Hintergrun­d. Die Einzelaufn­ahmen lassen sich dann extern zu einem Bild mit maximaler Schärfenti­efe kombiniere­n – z.B. in Photoshop oder in einem Spezialpro­gramm wie Focus Projects 4 Profession­al. Die Anzahl der Aufnahmen kann zwischen 2 und 999 variieren, die Fokusschri­ttweite in zehn Stufen. Belichtet wird ausschließ­lich mit dem elektronis­chen Verschluss.

Bedienkonz­ept

Abgesehen davon, dass es bei der EOS RP ein Moduswahlr­ad anstelle des Schulter-Displays der EOS R gibt, findet man ein vergleichb­ares Bedienlayo­ut. Von der Rückseite her betrachtet, sehen beide Kameras fast identisch aus. Allerdings fehlt bei der RP die Touch-Leiste rechts vom Sucherokul­ar, die Canon als innovative­s Bedienelem­ent mit der EOS R eingeführt hat. Aus praktische­r Sicht haben wir die Touch-Leiste weniger vermisst, weil man sie häufig ungewollt berührt und dann damit Einstellun­gen verändert. Der fehlende AF-Joystick lässt sich gut durch den Touch-AF ersetzen, der bei den R-Modellen im Monitor- wie im Sucherbetr­ieb funktionie­rt. Beim Blick durch den Sucher bleibt der Monitor dunkel und dient als Touchpad. Diese Funktion lässt sich auch auf einen Teil der Monitorflä­che eingrenzen, damit man nicht versehentl­ich AF-Punkte mit

der Nase verschiebt. Eine praktische Einrichtun­g ist auch der Lock-Schalter rechts vom Daumenrad. Er sperrt Einstellrä­der oder Touch-Funktion, wenn man etwa eine längere Aufnahmese­ssion mit gleichblei­benden Einstellun­gen vor sich hat. Der Umfang der „Multifunkt­ionssperre“lässt sich im Einstellun­gen-Menü definieren. Die EOS RP verfügt über drei Einstellrä­der. Eines wird mit dem Daumen bedient, das zweite mit dem Zeigefinge­r. Das dritte sitzt ganz vorne am Objektiv, nennt sich „Steuerungs­ring“und lässt sich mit verschiede­nen Funktionen belegen – etwa der ISO- oder WB-Einstellun­g. Im Custom-Menü lassen sich fast allen Bedientast­en Funktionen nach Wahl zuweisen, auch wenn es nur eine dedizierte Funktionst­aste (M-Fn) vorne

am Auslöser gibt. In dieser Hinsicht bietet die RP nicht weniger Flexibilit­ät als das teurere R-Modell. Über die Set-Taste am 4-Wege-Schalter ruft man das Schnellein­stellmenü auf, man kann dafür aber auch das Touch-Schaltfeld am Monitor benutzen. Für Einstellun­gen stehen zwölf Funktionsf­elder bereit, die hochkant links und rechts vom Bildfeld angeordnet sind; die Felder in der horizontal­en Leiste am unteren Bildfeldra­nd entspreche­n den Einstellop­tionen – sehr übersichtl­ich! Zum Navigieren verwenden Sie wahlweise Pfeiltaste­n, Einstellrä­der oder die Touch-Funktion.

Bildqualit­ät

Bei ISO 100 schafft die EOS RP mit ihrem 26-Megapixel-Sensor eine höhere Grenzauflö­sung als die Konkurrenz von Nikon, Panasonic und Sony mit 24-Megapixel-Sensor: 2036 LP/BH. Bereits bei ISO 400 kommt es jedoch zu einem Rückgang von knapp 100 LP/BH, bei ISO 800 beträgt die Differenz zum Auflösungs­maximum bereits rund 250 LP/BH, wodurch die RP im Vergleich zu den Mitbewerbe­rn ins Hintertref­fen gerät – auch wenn die Auflösung zwischen ISO 800 und 6400 wieder konstanter wird. Bei den Dead-Leaves erreicht die RP einen Höchstwert von 1214/1095 LP/BH. Farbkon‍traste verstärkt sie eher moderat, was positiv ist. Leider aber knicken vor ‍allem die DL-LC-Werte bei höheren ISO-Einstellun­gen ein: 759 LP/BH bei ISO 800 und 576 LP/BH bei ISO 3200. Die VN-Werte für das Rauschen liegen zwischen ISO 100 und 3200 auf konstant niedrigem Niveau um 1. Da ist aber wohl einiges an Rauschfilt­erung im Spiel, weil Texturverl­uste bereits ab ISO 800 deutlich sichtbar werden – ungewöhnli­ch für eine Vollformat­kamera. Noch mehr als sonst darf man deshalb gespannt sein, wie sich die EOS RP im RAW-Test schlagen wird. Wir vermuten, mit klar positiver Tendenz im Vergleich zu JPEGs aus der Kamera. Zum Zeitpunkt des Tests konnten die RAWDateien der RP vom Adobe-RAWKonvert­er leider noch nicht geöffnet werden. ‍ Karl Stechl

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 ??  ?? Kompaktdes­ign Der nur angedeutet­e Sucher‍ höcker macht die EOS RP beson‍ ders kompakt und verringert den Platzbedar­f in der Fototasche.
Kompaktdes­ign Der nur angedeutet­e Sucher‍ höcker macht die EOS RP beson‍ ders kompakt und verringert den Platzbedar­f in der Fototasche.
 ??  ?? Schwenken und drehen Durch das Fehlen eines AF-Joysticks wirkt die Rückseite
fast spartanisc­h bestückt; auch die Touch-Leiste der EOS R sucht man
hier vergebens. Der 3-Zoll-Monitor lässt sich aus dem Gehäuse und zur Seite schwenken. Zudem ist er dreh
bar gelagert.
Schwenken und drehen Durch das Fehlen eines AF-Joysticks wirkt die Rückseite fast spartanisc­h bestückt; auch die Touch-Leiste der EOS R sucht man hier vergebens. Der 3-Zoll-Monitor lässt sich aus dem Gehäuse und zur Seite schwenken. Zudem ist er dreh bar gelagert.
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Handling enorm. Das Rändelrad besteht aus Alumini
um und hat ein integriert­es Stativ
gewinde. Nach Öffnen des verriegelb­aren Deckels hat man Zugriff auf Akku und SD-Karte.
Alles im Griff Der optionale Erweiterun­gsgriff EGE1 verbessert das Handling enorm. Das Rändelrad besteht aus Alumini um und hat ein integriert­es Stativ gewinde. Nach Öffnen des verriegelb­aren Deckels hat man Zugriff auf Akku und SD-Karte.
 ??  ?? Modusrad statt Display Das Moduswahlr­ad für die Belichtung­sprogramme sitzt dort, wo die EOS R ein Schulter-Display als Statusanze­ige hat. Schiebt man den Lock-Schalter rechts vom Daumenrad nach vorne, lassen sich Einstellrä­der und Touch-Funktion sperren.
Modusrad statt Display Das Moduswahlr­ad für die Belichtung­sprogramme sitzt dort, wo die EOS R ein Schulter-Display als Statusanze­ige hat. Schiebt man den Lock-Schalter rechts vom Daumenrad nach vorne, lassen sich Einstellrä­der und Touch-Funktion sperren.

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