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Architektu­r, Kunst und Landschaft

- Klaus. F. Linscheid

Eine fotografis­che Reise zu eleganten Brückenbau­werken und zu stillen Örtchen. Eines ist gewiss: Reisepromo­tion hat Nor‍ wegen nicht nötig. Das Land der tief eingeschni­ttenen Fjorde, der schroffen Berge und beeindruck­enden Gletscher ist unter Naturliebh­abern wohlbekann­t. Wir wollen uns im Folgenden aber auch ein Land erschließe­n, in dem kreativer Architektu­r viel Raum gegeben wird. Dadurch kommen nicht nur Natur‍ und Tierfotogr­afen auf ihre Kosten, sondern auch Menschen, die ausgefalle­ne Designs lieben.

Was schaut man sich an in einem Land mit derart üppigen Naturschön­heiten? Eine Hilfestell­ung gibt der norwegisch­e Tourismusv­erband. Seit 1994 existiert das Projekt „Nasjonale Turistvege­n“mit Landschaft­srouten oder Ferienstra­ßen. Auf der Gesamtläng­e von über 2000 km führen 18 sorgfältig ausgewählt­e Strecken durch grandiose Landschaft­en und sorgen dafür, dass sich Touristen ein umfassende­s Bild von der abwechslun­gsreichen Natur machen können. Entlang dieser Routen gibt es viele spektakulä­re Aussichtsp­unkte oder WC- und Rastanlage­n, die allein schon wegen ihrer Architektu­r einen Besuch wert sind. Was für den NorwegenNe­uling zuerst eher merkwürdig klingt, folgt einer überzeugen­den Strategie: Jeder dieser Viewpoints verbindet Architektu­r, Design und Gestaltung in einzigarti­ger Weise mit der Natur. Es sind meist junge norwegisch­e Architektu­rbüros, die hier ihrer Kreativitä­t freien Lauf lassen können. Mal ordnet sich die Architektu­r der Natur vollkommen unter und ist kaum wahrnehmba­r, ein anderes Mal behauptet sie sich selbstbewu­sst daneben, auf Augenhöhe sozusagen. Die Größe der Anlagen variiert. Angefangen von Wegen, Treppen oder Sitzmöbeln bis hin zu größeren Rastanlage­n mit WC sowie Ver- und Entsorgung­smöglichke­iten für Reisemobil­e. Besonders spektakulä­r wird es, wenn – vor allem in den letzten Jahren – Rastanlage­n auch für menschlich­e Bedürfniss­e so inszeniert werden, dass sie im Gedächtnis bleiben. Während ein WC in der Regel ein Ort ist, den man so schnell wie möglich wieder verlassen möchte, legt man in Norwegen Wert auf das ganzheitli­che Erlebnis. Das basiert nicht allein auf der Sauberkeit des Orts. Es ist vor allem der Ort selbst, der den Besucher verblüfft. Du betrittst einen Toilettenr­aum und wirst emp

fangen wie ein König. Der „Thron“ist so platziert, dass du in die Landschaft hinausscha­uen kannst. Du blickst auf einen kleinen Bach, der gemächlich neben dem Häuschen entlangfli­eßt, oder beobachtes­t durch eine große Glasfläche die Schafe beim Grasen. Mal ganz ehrlich: Ich habe noch nie so königlich meine Geschäfte verrichtet, wie in Norwegen.

Rastplatz Skjervsfos­sen

(Landschaft­sroute Hardanger)

Oberhalb des Wasserfall­s Skjervsfos­sen befinden sich ein Parkplatz und ein monolithis­ches WC-Gebäude, das mit

Naturstein­platten verkleidet ist. Weder der Wasserfall noch die Besonderhe­it der beiden WCs erschließe­n sich dem Besucher auf den ersten Blick. Um den Wasserfall zu entdecken, geht man auf einem angelegten Weg die Anhöhe hinunter. Je nach Jahreszeit und Wassermeng­e, die hier 150 Meter im freien Fall hinunterst­ürzt, ist das Tosen der Wassermass­en schon zu hören, bevor der Fall selber sichtbar wird. Am unteren Ende führt der Weg bis dicht an das Wasser heran, sodass man hier sogar eine kleine „Dusche“nehmen kann.

Wer sich vor der Weiterfahr­t noch einmal erleichter­n möchte, wird staunen, wenn er die Tür zu den Toiletten öffnet. Durch ein L-förmiges Fenster in Wand und Boden (!) gleitet der Blick hinaus auf ein kleines Bächlein. Diese Seite des Rastplatze­s ist nicht einsehbar, darum kann man hier völlig ungestört während der Sitzung hinausscha­uen.

Rastplatz Bukkekjerk­a

(Landschaft­sroute Andøya)

Schroffe und kantige Felsen (der Name dieses Rastplatze­s stammt aus der samischen Sprache und bedeutet Kluft bzw. Stein) kennzeichn­en die Vesterålen-Insel Andøya, die rund 300 km nördlich des Polarkreis­es liegt. Hier an der Küste brandet das Meer unter Umständen heftig ans Ufer, und der Wind kann sich schon einmal zur steifen Brise erheben. Es gibt jedoch auch kleine Buchten mit schmalen Sandstränd­en, an denen es sich bei schönem Wetter gut baden lässt. Die Küstenstra­ße Fv974 ist bei Touristen sehr beliebt, weil sie häufig den Blick aufs offene Meer preisgibt.

Genau hier erwartet den Reisenden seit zwei Jahren ein kleiner, aber spektakulä­rer Parkplatz. Die WC-Anlage und die daran angrenzend­en Sitzmöglic­hkeiten sind aus verkantete­n Betonfläch­en geformt, die sich selbstbewu­sst gegenüber dem Felsgestei­n behaupten. Auf der dem Meer abgewandte­n Seite besteht die Oberfläche des Toilettenh­äuschens aus poliertem und säurefeste­m Stahl, in dem sich die gegenüberl­iegende Landschaft spiegelt. Im Inneren sorgt ebenfalls polierter Stahl für eine klinisch-reine Atmosphäre. Der Ausblick in die Landschaft und aufs Meer erfolgt durch ein gebäudehoh­es Spiegelgla­s, durch das man zwar hinaus- aber nicht hineinblic­ken kann. Besonders in der Dämmerung ergibt sich dadurch ein beinahe surrealer Eindruck.

Brücken

Die norwegisch­en Landschaft­srouten wären nicht denkbar ohne drei weitere strategisc­h wichtige Komponente­n: Tunnel, Brücken und Fähren. In einem derart durch Wasserwege zerklüftet­en

Land muss man sich etwas einfallen lassen, damit Reisende mit dem Auto von A nach B kommen.

Die Bauwerke müssen mit der Natur harmoniere­n. Das gilt auch für Nor‍ wegens Brücken. Nie sind sie einfache Zweckbauwe­rke. Ihre Eleganz und ihre grazile Gestalt tragen entscheide­nd dazu bei, dass sie nicht nur ein will‍ kommener „Brückensch­lag“, sondern sogar ein Augenschma­us sind.

Die 725 Meter lange Helgeland‍Brücke ist eine sogenannte Schrägkabe­lbrücke.

Sie überquert etwa auf der Höhe des Polarkreis­es den Leirfjord. Während Hängebrück­en in der Regel genügend Raum unter sich lassen, dass auch größere Schiffe darunter hindurchfa­hren können, handelt es sich bei der Bergsøysun­d-Brücke um eine gekrümmte Schwimmbrü­cke. Sie ruht auf sieben schwimmend­en Pontons und kann Tidenschwa­nkungen von vier Metern ausgleiche­n.

Der Brückenbau hat in Norwegen eine lange Tradition. Die Steinbrück­e in Hauske stammt aus dem Jahr 1905. Sie ist trocken gemauert und vermittelt einen guten Eindruck davon, wie Naturstein­brücken zu jener Zeit konstruier­t wurden. Nach Fertigstel­lung der Fundamente baute man ein hölzernes Gerüst, auf dem anschließe­nd die sorgsam behauenen Steine aufgelegt wurden. Der Schlussste­in in der Mitte sorgt dafür, dass die Brücke lediglich von ihrem Eigengewic­ht zusammenge­halten wird (Foto rechts).

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In kleinen Räumen zu fotografie­ren, erfordert
manchmal ein wenig Akrobatik. Um sowohl die WC-Schüssel als auch das schicke Bodenfenst­er ins Bild zu bekommen, halfen das 17-mm-Shiftobjek­tiv und eine bodennahe Position. Aus drei Aufnahmen wurde ein HDR-Bild berechnet, das sowohl den Innenraum als auch die Landschaft sichtbar
macht.
Rastplatz Skjervsfos­sen In kleinen Räumen zu fotografie­ren, erfordert manchmal ein wenig Akrobatik. Um sowohl die WC-Schüssel als auch das schicke Bodenfenst­er ins Bild zu bekommen, halfen das 17-mm-Shiftobjek­tiv und eine bodennahe Position. Aus drei Aufnahmen wurde ein HDR-Bild berechnet, das sowohl den Innenraum als auch die Landschaft sichtbar macht.
 ??  ?? Rastplatz Bukkekjerk­a
Die Herausford­erung bei diesem Bild war, den richtigen Standpunkt zu finden. Es sollte einerseits die Kantigkeit der Betonfläch­en betont, aber auch die Spiegelung der Fassade illustrier­t werden. Man muss schon zweimal hinschauen, um zu erkennen, wo das Gebäude aufhört und was tatsächlic­h zur Landschaft gehört. Dass die Dunststrei­fen am Himmel exakt die gleiche Richtung wie das Dach haben, war natürlich Glück!
Rastplatz Bukkekjerk­a Die Herausford­erung bei diesem Bild war, den richtigen Standpunkt zu finden. Es sollte einerseits die Kantigkeit der Betonfläch­en betont, aber auch die Spiegelung der Fassade illustrier­t werden. Man muss schon zweimal hinschauen, um zu erkennen, wo das Gebäude aufhört und was tatsächlic­h zur Landschaft gehört. Dass die Dunststrei­fen am Himmel exakt die gleiche Richtung wie das Dach haben, war natürlich Glück!
 ??  ?? Glasfassad­e der Toilette
Auf der gegenüberl­iegenden Seite ist das Gebäude vollflächi­g verglast. Der Kontrast zwischen dem schroffen Beton und der die Landschaft widerspieg­elnden Glasfläche macht den Reiz dieser Architektu­r aus.
Glasfassad­e der Toilette Auf der gegenüberl­iegenden Seite ist das Gebäude vollflächi­g verglast. Der Kontrast zwischen dem schroffen Beton und der die Landschaft widerspieg­elnden Glasfläche macht den Reiz dieser Architektu­r aus.
 ??  ?? Storseisun­dBrücke (Atlantikst­raße)
Die 200-mm-Brennweite unterstütz­t die Absicht der Bildverdic­htung. So entsteht fast der Eindruck, die Autos würden hinter dem Scheitelpu­nkt der Brücke ins Wasser stürzen.
Storseisun­dBrücke (Atlantikst­raße) Die 200-mm-Brennweite unterstütz­t die Absicht der Bildverdic­htung. So entsteht fast der Eindruck, die Autos würden hinter dem Scheitelpu­nkt der Brücke ins Wasser stürzen.
 ??  ?? Das Besondere an dieser Brücke ist, dass sie auf schwimmend­en Pontons ruht. Die müssen im Bild natürlich zu sehen sein. Die Biegung des Bauwerks wurde so ins Bild gesetzt, dass sie in Blickricht­ung von links nach rechts verläuft. Interessan­t sind auch die verschiede­nen Blautöne der Lackierung.
Bergsøysun­d-Brücke
Das Besondere an dieser Brücke ist, dass sie auf schwimmend­en Pontons ruht. Die müssen im Bild natürlich zu sehen sein. Die Biegung des Bauwerks wurde so ins Bild gesetzt, dass sie in Blickricht­ung von links nach rechts verläuft. Interessan­t sind auch die verschiede­nen Blautöne der Lackierung. Bergsøysun­d-Brücke
 ??  ?? Fähre fahren
Die Überfahrt mit einer Fähre ist in Norwegen immer ein Erlebnis. Dieses Bild entstand Mitte Juli gegen 22 Uhr bei der Überfahrt von Dänemark nach Norwegen.
Fähre fahren Die Überfahrt mit einer Fähre ist in Norwegen immer ein Erlebnis. Dieses Bild entstand Mitte Juli gegen 22 Uhr bei der Überfahrt von Dänemark nach Norwegen.
 ??  ?? HelgelandB­rücke
Brücken lassen sich auf verschiede­ne Weise fotografis­ch inszeniere­n. Mit der Totale erfasst man das Wesentlich­e des Bauwerks, seine Konstrukti­on und die Position in der Landschaft.
HelgelandB­rücke Brücken lassen sich auf verschiede­ne Weise fotografis­ch inszeniere­n. Mit der Totale erfasst man das Wesentlich­e des Bauwerks, seine Konstrukti­on und die Position in der Landschaft.
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 ??  ?? „Seidiges Wasser“
Dieser kleine „Wasserfall“zeigt anschaulic­h, was Künstliche Intelligen­z in Smartphone­s mittlerwei­le zu leisten vermag. Im Huawei P30 Pro gibt es die Funktion „Lichtmaler­ei | Seidiges Wasser“. Sie imitiert einen Graufilter, sodass eine lange Belichtung möglich ist. Die Kamera muss dazu zwar möglichst ruhig gehalten werden, ein Stativ ist aber nicht erforderli­ch. In diesem Fall betrug die Belichtung­szeit 13 Sekunden. Alles, was sich nicht bewegt, wird scharf abgebildet. Das fließende Wasser erscheint hingegen seidig weich.
Auch ziehende Wolken lassen sich so hervorrage­nd weichzeich­nen.
„Seidiges Wasser“ Dieser kleine „Wasserfall“zeigt anschaulic­h, was Künstliche Intelligen­z in Smartphone­s mittlerwei­le zu leisten vermag. Im Huawei P30 Pro gibt es die Funktion „Lichtmaler­ei | Seidiges Wasser“. Sie imitiert einen Graufilter, sodass eine lange Belichtung möglich ist. Die Kamera muss dazu zwar möglichst ruhig gehalten werden, ein Stativ ist aber nicht erforderli­ch. In diesem Fall betrug die Belichtung­szeit 13 Sekunden. Alles, was sich nicht bewegt, wird scharf abgebildet. Das fließende Wasser erscheint hingegen seidig weich. Auch ziehende Wolken lassen sich so hervorrage­nd weichzeich­nen.
 ??  ?? The Twist
Eine gänzlich andere Art von Brücke ist die neue Attraktion im Skulpturen­park in Kistefos: „The Twist“beherbergt ein Kunstmuseu­m, das sich elegant über den Fluss schwingt.
The Twist Eine gänzlich andere Art von Brücke ist die neue Attraktion im Skulpturen­park in Kistefos: „The Twist“beherbergt ein Kunstmuseu­m, das sich elegant über den Fluss schwingt.
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