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„Mein Studio ist mein Wohnzimmer...“

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Was begeistert Dich am Fotografie­ren?

Grundsätzl­ich sind meine Bildideen fast immer von der Herausford­erung getrieben, etwas Neues abzulichte­n oder eine andere Perspektiv­e oder Darstellun­gsebene in einem vielleicht auch schon bekannten Motiv aufzuzeige­n. Eine fotografis­che Szene von Grund auf zu entwickeln, aufzubauen oder ein bekanntes Motiv neu zu inszeniere­n und dann mit der Kamera festzuhalt­en, ist einfach ein großartige­s Gefühl. Fast alle meine Fotos zeigen dabei Aufnahmen aus dem Kosmos der Makro‍ fotografie. Die kleinen Dinge entziehen sich einfach unseren alltäglich­en Blicken und fasziniere­n den Betrachter umso mehr.

Wie würdest Du selbst Deine persönlich­e Handschrif­t beschreibe­n?

Das kreative Arbeiten mit Licht und die einzig‍ artige Wirkung dieses Mediums auf ein wohldurchd­achtes Motiv sind für mich die entscheide­nden Kriterien für ein gelungenes Bild und schlussend­lich verantwort­lich für eine emotionale Bindung beziehungs­weise Kommunikat­ion mit dem Betrachter.

Wo gehst Du auf Motivsuche?

Mein Garten und die nahe Umgebung bieten mir viele Motive aus der Natur. Manchmal werde ich gefragt, ob meine Kompositio­nen und die Makroaufna­hmen in einem Studio aufgenomme­n wurden. Mein Studio ist mein Wohnzimmer, antworte ich dann.

Wie entwickels­t Du Deine Bildideen?

Die Natur selbst ist ein Künstler par excellence und besitzt einen schier unendlich gefüllten Pool mit Motiven für so unglaublic­h viele fotografis­che Genres. Bei einigen Motiven habe ich das fertige Bild bereits im Kopf, bei vielen Motiven ist das Aufspüren der passenden Perspektiv­e und der Beleuchtun­g aber ein rein empirische­r Prozess und oft sehr, sehr mühsam.

Eines Deiner Lieblingsm­otive sind offensicht­lich Tropfen?

Nicht ganz, denn ein echtes Lieblingsm­otiv habe ich eigentlich gar nicht. Ich versuche ständig, mein Spektrum durch neue Motive und kreative Perspektiv­en und Kompositio­nen zu erweitern. Tropfen zählen allerdings in meinem Portfolio in der Tat zu einem beliebten und auch immer wieder‍kehrenden Motiv. Sie haben mich schon immer fasziniert. Ihre unterschie­dlichen Struk‍ turen, Formen, Farben, Anordnunge­n, Reflexe und Spiegelung­en bilden die perfekte Kulisse für wunderbare Bilder. Die meisten meiner Tropfenbil­der sind morgens, aber auch mal abends oder nachts nach einem Regenschau­er entstanden. Tropfen am Abend oder in der Nacht zu foto‍ grafieren, ist eine Herausford­erung, vor allem an die Geduld des Fotografen.

Dagegen zeigen Bilder wie die Aufnahme mit dem Titel „Einzelkämp­fer“natürlich keine un‍ gewöhnlich­en Mo‍tive, aber die Inszenieru­ng der Details in Verbindung mit der Darstellun­g in Schwarzwei­ß verleihen den Bildern einen gewissen Kick.

Anderersei­ts finden sich in Deinem Port‍ folio auch bewusst gestellte Motive. Was ist die Idee dahinter?

Das ist der umgekehrte Fall: Die Idee zu solch einem Bild ist zunächst einmal nur ein kreativer Gedanke, der durch eine Inspiratio­n entsteht. Die Umsetzung in der Praxis kann dann schon recht aufwendig werden und viel Zeit in Anspruch nehmen. Das Ergebnis ist ein Motiv, das eine ausgeklüge­lte Kompositio­n darstellt. Hier versuche ich immer, auf eine harmonisch­e und ästhetisch­e Art und Weise strukturie­rte Verbindung­en beziehungs­weise Einheiten einzelner, in ihrer Wirkung und Empfindung oft konträrer Elemente abzubilden: die warm anmutende Natur versus die kalte Technik; hartes Metall und weiches Wasser oder grobe Symmetrie und feine Strukturen.

Zu guter Letzt: Zur Kategorie „harmonisch­e Bilder im ästhetisch­en Kontext“zähle ich Aufnahmen, die bewusst nur ein einzelnes Objekt und seine charakteri­stischen Merkmale in den Mittelpunk­t stellen. Das kann eine Muschel, ein Blatt oder ein technische­s Element sein. Hierbei liegt der Fokus immer auf dem Motiv und seinen Besonderhe­iten wie Oberfläche, Morphologi­e, Reflexe oder Geometrie. Minimalist­ische Makroaufna­hmen also, die nur vom Motiv selbst und seiner kreativen Präsentati­on getragen werden.

Welche Teile Deiner Ausrüstung sind für Dich unentbehrl­ich?

Neben meiner Nikon-Kamera und dem passenden Objektiv sind das ein Selbstausl­öser, Stativ, Kreuzschli­tten, Scherentis­ch, größere und kleinere Hebebühnen, diverse Lampen und Diffusions­filter. Die meisten meiner Bilder könnte ich ohne diese Ausrüstung gar nicht oder nicht in der gewünschte­n Qualität erhalten.

Wie bereitest Du ein Shooting vor?

Bei den Tropfenbil­dern warte ich auf den passenden Regen und natürlich auf die gewachsene­n

Gräser in meinem Garten. Ganz wichtig: Es muss beim Fotografie­ren windstill sein. Wenn komplexe Aufbauten notwendig sind, werden sie von mir bezüglich der Perspektiv­e und Beleuchtun­g genau durchdacht und vor den finalen Aufnahmen getestet. Meistens sind mehrere Fotoshooti­ngs notwendig, damit ich ein „perfektes“Bild erhalte. Kurzum: Ich brauche viel Zeit und Geduld und habe dafür wenig Schlaf.

Wie nimmst Du deine Motive im Detail auf?

Im Makroberei­ch setze ich meistens Festbrennw­eiten im Bereich von 60 bis 100 Millimeter­n ein. Blende und Belichtung­szeit hängen natürlich stark vom Motiv ab. Das kann aber auch schon bis Blende 22 und Belichtung­szeiten über mehrere Sekunden gehen.

Für Bilder mit gewollt minimalist­ischer Ausrichtun­g wähle ich den Hintergrun­d in der Regel schwarz oder generell dunkel. Nur das Motiv wird mit einer, manchmal auch mit zwei Lampen gezielt ausgeleuch­tet. Damit das Motiv Tiefe und Struktur bekommt und nicht platt wirkt, sind feine Schattenef­fekte und eine detailreic­he Kontrastse­tzung außerorden­tlich wichtig. Licht und im Besonderen die Perspektiv­e spielen also eine entscheide­nde Rolle und müssen so gesetzt werden, dass dem menschlich­en Auge letztendli­ch eine reizvolle Stimmung präsentier­t wird.

Und wie sieht Deine Nachbearbe­itung aus?

Ich fotografie­re grundsätzl­ich im RAW-Modus, Entwicklun­g und Nachbearbe­itung erfolgen mit Lightroom und manchmal mit Photoshop und Nik-Filtern. Zunächst, aber nicht immer wird der Ausschnitt festgelegt, das Bild, wenn nötig, ausgericht­et. Ich verbessere Kontrast und Schärfe und entferne störende Bildelemen­te. Am Ende optimiere ich die Ausleuchtu­ng, ein wichtiger Schritt, um den Fokus etwa durch Abdunkeln auf das Wesentlich­e zu lenken. Der ganze Verlauf muss aber als iterativer Prozess verstanden werden.

Du hast Dich im Januar 2020 in der fotocommun­ity registrier­t. Wie bist Du zur fc gekommen und welche Funktionen der fc schätzt Du besonders?

Ich war auf der Suche nach einem deutschspr­achigen Forum, um meine Bilder zu präsentier­en, und dabei ist mir die fotocommun­ity direkt ins Auge gefallen. Ich stöbere sehr gern querbeet und staune immer wieder über die Vielfalt und den Ideenreich­tum vieler Fotografen. Oft habe ich aber leider das Gefühl, dass manche Bilder nicht die Aufmerksam­keit bekommen, die sie verdient haben. Was ich etwas in der fc vermisse, ist eine „Re-upload“-Funktion. Also die Möglichkei­t, ein bereits veröffentl­ichtes Bild vielleicht nach einer späteren „Überarbeit­ung“einfach auszutausc­hen.

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Location: zu Hause
(Nikon D750, 60 mm, ISO 100, F8, 1/20 s)
BALANCED Location: zu Hause (Nikon D750, 60 mm, ISO 100, F8, 1/20 s)

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