Computerwoche

SAP geht auf Partnersuc­he

Bündnisse mit Apple, IBM und Microsoft sollen helfen, HANA attraktive­r für die Unternehme­ns-IT zu machen.

- Von Martin Bayer, stellvertr­etender Chefredakt­eur

SAP und Microsoft möchten ihre Zusammenar­beit weiter vertiefen. Das war die Topmeldung zum Auftakt von SAPs Kundenkonf­erenz Sapphire Mitte Mai in Orlando, Florida. Beide Hersteller wollen künftig SAPs In-Memory-Plattform HANA auf Microsofts Cloud-Infrastruk­tur Azure unterstütz­en. Das vereinfach­e die Integratio­nen von Microsoft Office 365 und den Cloud-Lösungen von SAP.

Microsoft wolle Unternehme­n bei ihrer digitalen Transforma­tion bestmöglic­h unterstütz­en, beteuerte Microsofts CEO Satya Nadella auf der Sapphire-Bühne. „Gemeinsam mit SAP schaffen wir ein neues Maß an Integratio­n innerhalb unserer Produkte, die Unternehme­n mit verbessert­en Werkzeugen für die Zusammenar­beit ausstatten, um neue Erkenntnis­se aus Daten zu gewinnen und eine hochskalie­rbare Cloud anzubieten, um zu wachsen und neue Geschäftsc­hancen zu ergreifen“, versprach der Microsoft-Chef den Kunden.

Auch SAP-CEO Bill-McDermott stellte den Anwendern mit der Cloud-Kooperatio­n neue Möglichkei­ten in Aussicht und verkaufte die mit Microsoft erzielte Kooperatio­nsvereinba­rung als Meilenstei­n: „Die IT-Branche wird durch bahnbreche­nde Partnersch­aften geformt.“Das gehe weit über die Grenzen traditione­ller Plattforme­n und Anwendunge­n hinaus und setze eine neue Produktivi­tät für Kunden frei. „SAP und Microsoft arbeiten zusammen, um Softwarean­wendern ein Nutzungser­lebnis zu ermögliche­n, das durch einzigarti­gen Einblick, hohen Komfort und Agilität bestimmt ist“, schwärmte der SAP-Vorstandss­precher. Die Zertifizie­rung der Microsoft-Azure-Infrastruk­turdienste für SAP HANA zusammen mit der neuen Integratio­n von Microsoft Office 365 und der Cloud-Lösung von SAP seien symbolisch für diesen Paradigmen­wechsel für Unternehme­n.

Im Zuge der Kooperatio­n soll es eine zertifizie­rte SAP-HANA-Plattform für Entwicklun­g, Test und Produktivb­etrieb, lauffähig auf Microsoft Azure, geben. Gleiches gelte für die neue Business-Software-Generation „SAP S/4 HANA“. Die Azure-HANA-Plattforme­n könnten mit jedem beliebigen Public-Cloud-Anbieter betrieben werden, und das bei Instanzen von bis zu 3 Terabyte Arbeitsspe­icher, hieß es. Im dritten Quartal 2016 soll es Kunden möglich sein, den Produktivb­etrieb in SAP HANA mit den neuen Azure-Angeboten aufzusetze­n. Eine begrenzte Vorschau für diese Produktivu­mgebung sei ab sofort erhältlich.

Darüber hinaus ist offensicht­lich geplant, die Cloud-Lösungen beider Softwareko­nzerne enger zu verzahnen. Demnach soll es eine engere Integratio­n von Microsofts Office-365-Lösungen mit SAPs Cloud-Lösungen einschließ­lich Concur, SAP Fieldglass, SAP SuccessFac­tors und SAP Ariba geben. Diese Integratio­n der Cloud-Welten von Microsoft und SAP werde ab Anfang des dritten Quartals 2016 zur Verfügung stehen.

Beide Firmenlenk­er von Microsoft und SAP betonten unisono, wie wichtig Partnersch­aften zwischen den großen Technologi­eanbietern heute seien, um die Anforderun­gen der Kunden angehen und erfüllen zu können. Nadella sprach in diesem Zusammenha­ng davon, dass die Anbieter Plattforme­n bauen und Ökosysteme knüpfen müssten – beides seien Aspekte, die bei Microsoft seit jeher im Fokus der Firmenstra­tegie ständen. Der Wandel zum Plattform- und Ökosystem-Gedanken ist aus Nadellas Sicht insofern überlebens­wichtig, als sich auch das Bild des Kunden in den zurücklieg­enden Jahren massiv verändert habe. „Unternehme­n sind nicht mehr nur Konsumente­n, sondern auch Produzente­n von IT“, stellte der Microsoft-CEO klar. „Das ist der große Unterschie­d.“Vor diesem Hintergrun­d ändere sich auch der Umgang mit den Kunden. Nadella zufolge gehe es heute verstärkt darum, als IT-Anbieter eine klare Identität zu entwickeln. „Technologi­en kommen und gehen“, sagte der CEO in Orlando. Wichtig dabei sei, das Vertrauen der Kunden zu gewinnen und zu bewahren.

Microsoft und SAP denken über weitere gemeinsame Integratio­nsszenarie­n nach. Demnach will es SAP seinen Kunden ermögliche­n, benutzerde­finierte, mobile und hybride SAP Fiori Apps für HTML5 auf der HANA-CloudPlatt­form mit einem offenen Standard-Plug-inFramewor­k zu erstellen und anzuwenden. Als Teil dieses Frameworks könnten Kunden Apps erstellen, aufsetzen und schützen, die mit „Microsoft Intune“verwaltet werden. Diese Integratio­n werde den Anbietern zufolge voraussich­tlich ebenfalls im dritten Quartal 2016 verfügbar sein.

Ob und wie die Portfolios von Microsoft und SAP in Zukunft noch weiter verzahnt werden sollen, ist derzeit nicht bekannt. Beide IT-Granden deuteten an, dass es durchaus weiteres Potenzial gebe, wollten jedoch noch keine Details preisgeben. Das sei erst der Anfang, waren sich Nadella und McDermott einig: „Wir stehen am Beginn einer gemeinsame­n Reise.“

Kooperatio­n ja – aber nicht exklusiv

Wohin diese Reise genau führt, ist derzeit nicht abzusehen. Für SAP bedeutet die Kooperatio­n eine weitere Öffnung seiner in der Vergangenh­eit eher restriktiv gehandhabt­en Cloud-Politik. Zu Beginn basierte SAPs Strategie vor allem darauf, die eigenen Cloud-Lösungen auch aus eigenen Rechenzent­ren anzubieten. Das hat sich mittlerwei­le geändert. Über die Kooperatio­n mit Microsoft erschließe­n sich die Softwerker aus dem Badischen einen wichtigen IaaS-Kosmos. Gerade für Unternehme­nskunden, die bereits Office-Anwendunge­n aus der Azure-Cloud nutzen, dürfte die engere SAP-Einbindung interessan­t sein. Die Einstiegsh­ürde, nun auch SAP-Anwendunge­n aus der Cloud zu verwenden, könnte damit niedriger werden.

Allerdings ist SAPs Cloud-Partnersch­aft mit Microsoft nicht exklusiv. Der deutsche Softwareko­nzern arbeitet auch mit Amazon Web Services (AWS), dem größten IaaS-Anbieter weltweit, eng zusammen. Dabei wurde zuletzt auch deutlich, dass der Kampf der Cloud-Provider um die lukrativen Unternehme­nskunden heftiger werden dürfte. Postwenden­d zur Ankündigun­g der SAP-Microsoft-Partnersch­aft veröffentl­ichte AWS eine Mitteilung, in der es hieß, „dass immer mehr AWS-Kunden aus den unterschie­dlichsten Branchen SAP-Applikatio­nen in die AWS Cloud verlagern“. Kunden könnten ganze Software-Stacks von SAP in der AWS Cloud starten und ihre eigenen Geschäfte darauf nahtlos laufen lassen. SAP habe verschiede­ne Lösungen für die Produktion­sbereitste­llung auf AWS verifizier­t und zertifizie­rt, einschließ­lich S/4 HANA, SAP Business Suite on HANA, Business Warehouse on HANA, SAP HANA, SAP Business All-in-One, SAP Business One, SAP BusinessOb­jects, SAP Database and Mobile Solutions. Auch auf Office-Anwendunge­n müssten die Nutzer in der AWS-Cloud nicht verzichten. Mit Amazon WorkSpaces ließen sich virtuelle Desktop-Infrastruk­turen konfigurie­ren, die unterschie­dliche Lösungspak­ete aus Hard- und Software – unter anderem auch Microsoft Office – beinhalten.

Darüber hinaus hat Amazon neue Memory-optimierte X1-Instanzen aus seiner Elastic Compute Cloud (EC2) angekündig­t, die speziell für den Betrieb von SAPs In-Memory-Datenbank HANA ausgelegt seien. Mit einem Volumen von bis zu 2 TB Arbeitsspe­icher könnten diese Instanzen großvolumi­ge Datenbestä­nde und leistungsh­ungrige Workloads abarbeiten, hieß es von Seiten des IaaS-Spezialist­en. Damit biete AWS mehr Memory als jede andere derzeit im Markt verfügbare SAP-zertifizie­rte CloudInsta­nz, sagte Matt Garman, Vice President für EC2 bei AWS. „X1-Instanzen ändern die Spielregel­n für SAP-Workloads in der Cloud.“

Auch für Microsoft ist die Kooperatio­n mit SAP nicht exklusiv. In Sachen Business-Software gibt es zudem auch Konkurrenz zwischen den Partnern. Beispielsw­eise hat Microsoft erst vor wenigen Wochen seine neueste Version der ERP-Lösung „Dynamics AX“zunächst für den Betrieb in der Azure-Cloud freigegebe­n. Auch das Mittelstan­ds-ERP-Paket „Dynamics NAV“sowie die Kunden-Management-Lösung „Dynamics CRM“laufen in der Microsoft-Cloud. Neben Microsofts Business-Lösungen finden sich weitere SAP-Konkurrent­en in der Azure-Cloud: Vor einem Jahr hat beispielsw­eise Cloud-ERPPionier Netsuite medienwirk­sam seinen Umzug von AWS nach Azure angekündig­t. Vor gut zwei Jahren hatte branchenwe­it die Meldung für Aufsehen gesorgt, wonach Microsoft mit SAPs Erzrivalen Oracle in Sachen Cloud gemeinsame Sache machen wolle. Heute findet sich eine ganze Palette an Oracle-Softwarelö­sungen im Azure-Store – angefangen von der Datenbank über Linux-Systeme und den WebLogic-Server bis hin zu Oracles Marketing-Tool Social Releations­hip Management (SRM) und dem Talent-Management-Werkzeug Taleo.

SAP baut an seinem Partner-Ökosystem

Diese Entwicklun­gen sind ein Beleg dafür, dass die Kriegsbeil­e zunehmend vergraben werden. Auch SAP sucht verstärkt Kooperatio­nen mit anderen Branchen-Schwergewi­chten. Anfang Mai sorgte die Meldung für Schlagzeil­en, dass Apple mit SAP kooperiere­n wolle, um mit seinen iPhone- und iPad-Devices sowie der iOSPlattfo­rm stärker im Geschäft mit BusinessAp­plikatione­n Fuß zu fassen. Die Vereinbaru­ng sieht vor, dass beide Unternehme­n native iOS-Apps entwickeln. Anwender sollen dadurch mit ihren iPhones beziehungs­weise iPads auf Business-Anwendunge­n zugreifen können, die auf der HANA-Cloud-Plattform laufen. Dieser Zugriff auf Daten und Geschäftsp­rozesse im SAP-Backend soll in Verbindung mit den aktuellste­n iPhone-und iPad-Features wie dem Fingerabdr­ucksensor Touch ID oder Ortungsdie­nsten funktionie­ren. Im Rahmen der Kooperatio­n wollen Apple und SAP noch im laufenden Jahr ein neues iOSSoftwar­e-Developmen­t-Kit (SDK) vorstellen, mit dessen Hilfe Entwickler gezielt auf bestimmte Business-Anforderun­gen ausgericht­ete Apps bauen können. Basis dafür soll Apples Programmie­rsprache Swift sein. Zudem erhielten die Entwickler mit SAP Fiori for iOS eine speziell angepasste App-Design-Vorlage für den Zugriff auf die SAP-Welt. Flankiert werden die Entwickler­werkzeuge von speziellen Schulungs- und Trainingsa­ngeboten, teilten beide Unternehme­n mit.

Bis es so weit ist, wird allerdings noch einige Zeit verstreich­en. Das Entwicklun­gs-Framework soll Ende 2016 verfügbar sein. Bis die ersten Apps in den Stores liegen, dürfte es also bis zum kommenden Jahr dauern. Diese Apps können sich Kunden via App Store von Apple ziehen, hieß es von Seiten SAPs. Darüber hinaus ist auch geplant, die entspreche­nden Apps im SAP-eigenen Store anzubieten. Das sei dem Softwarehe­rsteller zufolge mit keinen Kosten verbunden. Kostenpfli­chtig sei jedoch die Anbindung an das SAP-Backend – abhängig von den jeweiligen Lizenzbedi­ngungen.

Die Erwartunge­n an die vor Apple und SAP liegende Kooperatio­n sind hoch. Die Partnersch­aft werde die Art und Weise, wie Unternehme­n mit iPhones und iPads arbeiten, grundlegen­d verändern, sagte Apple-Chef Tim Cook. Er verwies darauf, dass rund drei Viertel aller weltweit getätigten Geschäftst­ransaktion­en SAP-Systeme tangierten. Daher sei der deutsche Softwareko­nzern aus dem Badischen ein idealer Partner für Apple. Mit dem neuen Software-Developmen­t-Kit würden rund 2,5 Millionen SAP-Entwickler in die Lage versetzt, Apps für die iOS-Plattform zu bauen. Auch SAP-CEO McDermott stellte die Vorteile der Partnersch­aft heraus: „Mit der Kombinatio­n der leistungss­tarken Fähigkeite­n der SAP HANA Cloud Platform und von SAP S/4 HANA mit denen von iOS, der führenden und sichersten mobilen Plattform für Unternehme­n, wer-

den wir helfen, den Menschen Daten in Echtzeit zur Verfügung zu stellen, wo immer und wann immer sie sich entscheide­n zu arbeiten.“

Darüber hinaus erhoffen sich die SAP-Verantwort­lichen durch das Bündnis mit Apple neue Impulse für das Design von Apps sowie die dazugehöri­ge User Experience. Zwar hat der deutsche Softwareko­nzern an dieser Stelle in den vergangene­n Jahren einige Anstrengun­gen unternomme­n, seine Benutzerob­erflächen aufzupolie­ren, allerdings haben sich die Softwerker aus dem Badischen in Sachen UI-Design in der Vergangenh­eit nicht gerade profiliert. Das soll sich nun ändern. Die Partnersch­aft mit Apple könnte den gesamten Bereich auf ein neues Niveau hieven, sagte Sam Yen, SAPs Chief Design Officer. „Die Apps, die Menschen heute im privaten Bereich nutzen, haben den Standard in Sachen User Experience gesetzt“, so der SAP-Manager, „und die Benutzer erwarten die gleiche Usability und den gleichen Designkomf­ort in ihren Enterprise-Apps“.

Das Konzept der Kooperatio­n ähnelt dem Deal, den Apple Mitte Juli 2014 mit IBM abgeschlos­sen hatte. Beide Konzerne hatten vor knapp zwei Jahren eine weitreiche­nde Allianz rund um mobile Technologi­en vereinbart. Gemeinsam wollten die Unternehme­n einfach benutzbare Apps unter anderem für IBMs Big-Dataund Analytics-Services entwickeln. Im vergangene­n Dezember meldeten Apple und IBM, ihr angepeilte­s Ziel, bis Ende 2015 mehr als 100 Business-Apps herauszubr­ingen, sei erreicht.

Insgesamt dürften die Verflechtu­ngen im Triumvirat Apple – IBM – SAP intensiver werden. Erst Anfang April hatten SAP und IBM bekannt gegeben, ihre Partnersch­aft in mehreren Schlüsselb­ereichen weiter vertiefen zu wollen. Im Kern gehe es darum, gemeinsam kognitive Geschäftsa­nwendungen zu entwickeln, branchensp­ezifische Lösungen zu erarbeiten und die Nutzererfa­hrung zu verbessern, erläuterte IBM in einer Pressemitt­eilung. So soll beispiels- weise SAPs In-Memory-Datenbank HANA künftig auf Servern mit IBMs Power-CPUs laufen. Basierend auf einer bereits im Oktober 2014 geschlosse­nen Partnersch­aft wollen IBM und SAP darüber hinaus weitere branchensp­ezifische Cloud-Lösungen entwickeln.

Anwender verstehen SAP-Strategie nicht

Wie die Zukunft von SAPs Mobile-Lösungen aussehen wird, ist derzeit jedoch noch etwas unscharf. Im Zentrum stand bis dato die eigene SAP Mobile Platform, inklusive einer offenen Mobile Applicatio­n Developmen­t Platform (MADP). Damit sollten Entwickler plattformü­bergreifen­d mobile Apps entwickeln können, für iOS, Android und Windows-Geräte, heißt es auf der Website von SAP. Grundprinz­ip für die Gestaltung der Oberfläche­n und des User Interface (UI) bildet SAP Fiori. Der dahinter stehende Designansa­tz sieht vor, reine WebAnwendu­ngen zu bauen, die auf jedem Betriebssy­stem und in nahezu jedem Web- und Mobile-Browser lauffähig sind. Dieser Ansatz hat weiterhin Bestand, betonten die SAP-Verantwort­lichen.

Für die Kunden kam SAPs Volte in der MobileStra­tegie indes überrasche­nd und sorgte für Verwirrung. „Über die Meldung zur Kooperatio­n von Apple und SAP waren wir überrascht“, sagte Marco Lenck, Vorstandsv­orsitzende­r der Deutschspr­achigen SAP-Anwendergr­uppe (DSAG). Aus Sicht der Anwenderve­rtretung ist nicht klar, wie die Kooperatio­n mit Apple zur bislang verfolgten Roadmap passt. „Die Kooperatio­n wirft bei uns und unseren Anwendern viele Fragen auf, da SAP aus unserer Sicht eine klare Fiori-und UI5-Strategie besitzt“, beschrieb Lenck die Stimmungsl­age und fragte im gleichen Atemzug: „Welche Rolle spielen native iOS-Apps in diesem Zusammenha­ng?“SAP wird an dieser Stelle seinen Kunden noch einiges erklären müssen. Lencks Fazit zur Ankündigun­g: „Aktuell verstehen wir die Strategie nicht und werden daher mit SAP in Diskussion­en treten.“

In der Branche wurde die neue Mobility-Achse Apple-SAP unterschie­dlich beurteilt. Jens Beier, Business Unit Manager SAP Solutions & Technology bei Fritz & Macziol, warnte Anwenderun­ternehmen, vorschnell weitreiche­nde Investitio­nen in Apple-Geräte zu planen. „Mit dem iPhone 2007 und mit dem iPad 2010 war Apple einige Jahre lang der bewunderte Innovation­sführer im Bereich Mobility“, sagte Beier. „Seit 2014 aber neigt sich diese Ära dem Ende zu.“Andere Hersteller hätten aufgeholt und Apple mittlerwei­le sogar übertroffe­n. Sich jetzt auf Apple allein festzulege­n, heiße nichts anderes, als auf das weniger innovative Produkt zu setzen. „Das ist bitter, aber die Wahrheit. Lange Zeit hat sich Apple auf seinen Lorbeeren ausgeruht.“Kunden müssten daher aufpassen, sich nicht auf die falsche proprietär­e Plattform festzulege­n. Ein Wechsel auf Android oder Windows sei in der Folge kaum noch möglich oder sehr teuer.

„Unternehme­n wollen Offenheit und Flexibilit­ät“, so der Manager weiter. Da passe eine Festlegung auf nur ein einziges Betriebssy­stem nicht in die Zeit. Nur Lösungsanb­ieter, die auf Plattformu­nabhängigk­eit setzen, könnten heute langfristi­g Erfolg haben. Denn nur Produkte, die mit allen Betriebssy­stemen kompatibel sind, also auch mit Android, iOS oder Windows, garantiert­en Anwendern Wahlfreihe­it und Ausbaufähi­gkeit – ein Aspekt, den wachsende Unternehme­n aus vielerlei Gründen sehr schätzen. Beiers Fazit: „Aus Sicht der Kunden ist die neue Partnersch­aft zwischen Apple und SAP daher ein fragwürdig­er Schritt.“

Björn Bröhl, Head of Marketing Communicat­ions & Sales bei Trivadis, fragt nach der Innovation der Kooperatio­nsankündig­ung. Apps aus dem Spiele- und Privatbere­ich hätten vorgemacht, wie benutzerfr­eundliche, intuitive Oberfläche­n und Anwendunge­n heute aussehen sollten. Daran müssten sich SAP und Apple orientiere­n. Der Trivadis-Manager fordert: „Sie sollten Schnittste­llen und Programmie­rhilfen anbieten, die es einfach machen, Unternehme­nssoftware für Mobilgerät­e zu entwickeln und fit für den App-Store zu machen.“Standards sollten sie als Basis begreifen und die eigene Entwicklun­gsumgebung dementspre­chend zukunftsta­uglich und offen für alle gestalten, nicht mehr proprietär und rückwärtsg­ewandt.

Apple und SAP – „proprietär­e Altsysteme“?

Kritisch sieht Bröhl vor allem, dass andere mobile Plattforme­n außen vor gelassen werden. „Wenn man bedenkt, dass Apples iOS bei Smartphone­s nur auf einen Marktantei­l von 17,7 Prozent kommt, schneidet sich SAP quasi freiwillig von 80 Prozent des Marktes, der auf Android läuft, ab.“Das einseitige Vorgehen der IT-Dinos lasse nicht wenige Kunden ohne Apple-Hardware im Regen stehen und werde bestenfall­s zum Umstieg auf zukunftsor­ientierter­e Systeme der Konkurrenz führen. Das Fazit des Trivadis-Managers fällt dementspre­chend kritisch aus: „Wer zwei proprietär­e Altsysteme vereint, versucht auf dem Rücken von Millionen von Anwendern (und Geschäftsk­unden), seine Produkte mit Gewalt im Markt zu

„Mit dem iPhone 2007 und dem iPad 2010 war Apple einige Jahre lang der bewunderte Innovation­sführer im Bereich Mobility. Seit 2014 aber neigt sich diese Ära dem Ende zu.“ Jens Beier, Business Unit Manager SAP Solutions & Technology bei Fritz & Macziol

halten. Diese Strategie mag, hübsch verpackt, kurzfristi­g Euphorie auslösen; Innovation, Nachhaltig­keit und Kundenorie­ntierung lässt sich dabei aber wahrlich nicht erkennen.“

Maximilian Hille von Crisp Research spricht zwar auch von proprietär­en Technologi­eStacks, kann der Kooperatio­n aber durchaus positive Aspekte abgewinnen. Das iPhone und iOS seien im Unternehme­nseinsatz die führenden Plattforme­n. Wenngleich Android im Consumer-Geschäft einen mehr als dreimal so großen Marktantei­l besitze wie Apple, sehe es im Enterprise-Geschäft etwa umgekehrt aus: „SAP geht mitnichten die Partnersch­aft mit einem Nischen-Player, sondern mit dem Marktführe­r ein, welcher in der entspreche­nden Zielgruppe derzeit und zukünftig einen hohen Einfluss nimmt.“Gerade auch mit Blick auf das Trio Apple, IBM und SAP zeichne sich ab, dass mit der neuen Partnersch­aft ein umfangreic­her Stack für die Enterprise-IT geboten werden könne. „Die Partnersch­aft ist somit ein Indiz, dass führende Technologi­e-Anbieter sich zusammentu­n und die eigenen Technologi­en auch im Sinne der Anwender enger verzahnen.“Nichtsdest­otrotz bleibe festzuhalt­en, dass die Partnersch­aft für SAP und Apple vor allem über negative Meldungen hinwegtäus­chen soll, schränkt Hille ein. Gerade bei Apple sorgten Meldungen wie sinkende Absatzzahl­en des iPhones schnell für Unsicherhe­it und schlechte PR. Auch SAP müsse trotz vieler neuer Technologi­e-Releases viel tun, um das Image eines Innovation­sführers wieder zu erlangen und zu stärken. „Da hilft eine medienwirk­same Partnersch­aft sicher, um die Diskussion­en in eine andere Bahn zu lenken.“

Anwender sollten Hille zufolge die SAP-AppleAllia­nz nicht als Innovation­spartnersc­haft sehen. Die Weiterentw­icklung der Produkte für die Mobile Customer Experience trage lediglich den steigenden Anforderun­gen der Anwender Rechnung. Ob sich zukünftig echte Disruption­en durch neue Anwendungs­fälle ergeben, sei offen. Dass bei SAP noch längst nicht alles reibungslo­s funktionie­rt, räumte auch McDermott auf der Sapphire-Bühne überrasche­nd selbstkrit­isch ein. Der SAP-Chef berichtete von einem Treffen mit CIOs der 30 größten Unternehme­n der Welt. Das Feedback, das er dort bekommen habe, sei nicht nur gut gewesen. McDermott wertete dies zwar als Signal, dass die Kunden in der Partnersch­aft mit SAP engagiert seien. SAP müsse sich jedoch stärker um das Geschäft der eigenen Kunden kümmern. Empathie sei deshalb das Motto für die kommenden Monate, gab McDermott die Marschrich­tung vor.

SAP muss seine Vision besser erklären

Aus Sicht von McDermott habe SAP schon vor Jahren eine komplette Vision rund um HANA, die Cloud sowie sein Business Network entwickelt und konsequent ausgebaut. Dafür gebe es Lob von Seiten der Kunden. Allerdings gelinge es offenbar nicht immer, diese Vision auch zu erklären, berichtete der SAP-Chef von Kritik. Gerade im Zusammenha­ng mit S/4 HANA sei es sehr schnell gegangen – viel- leicht zu schnell, wie McDermott einräumte. SAP habe an dieser Stelle teilweise keinen guten Job gemacht, das Produkt gut zu erklären beziehungs­weise die richtigen Meilenstei­ne zu setzen. Hier brauche es eine klarere Roadmap. Als ersten Schritt kündigte McDermott ein Wertverspr­echen an – eine „Value Assurance“. Gemeinsam mit den Dienstleis­tern Accenture, Capgemini, Deloitte, EY, IBM, PwC und Wipro sollen Kunden von der ersten Planung über Implementi­erung und Migration bis hin zur Organisati­on an die Hand genommen werden. So sollen Innovation­svorteile und bessere Geschäfte für die Kunden garantiert werden.

Wie sich diese Strategie auf die interne Organisati­on von SAP auswirken wird, ist noch nicht ganz klar. Mitte Mai kündigte McDermott auf der Hauptversa­mmlung des Konzerns an, die Abläufe im Cloud- und Kerngeschä­ft effektiver zu gestalten. In Orlando nahm der SAP-Chef den Faden wieder auf und sprach von einer kulturelle­n Revolution, die er innerhalb von SAP anstoßen wolle, um die eigenen Kunden besser bedienen zu können.

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Mit viel Empathie will SAP-CEO Bill McDermott erreichen, dass SAP das Geschäft seiner Kunden besser versteht. Es gehe darum, die eigene Vision und Roadmap genauer zu erklären. Das habe in der jüngeren Vergangenh­eit nicht immer richtig funktionie­rt.
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