Computerwoche

Keine Angst vor der Technik

- (hk)

Frauen in der IT haben oft mit Vorurteile­n und Hürden zu kämpfen. Die CW hat drei Frauen, die sich bewusst oder über Umwege für die IT entschiede­n und dort etabliert haben, nach ihren Erfahrunge­n gefragt.

Schlechte Einstiegsc­hancen, geringe Akzeptanz und niedrigere Gehälter – Frauen in der IT haben oft mit Vorurteile­n und Hürden zu kämpfen. Die COMPUTERWO­CHE hat drei Frauen, die sich bewusst oder über Umwege für die IT entschiede­n und dort etabliert haben, nach ihren Erfahrunge­n gefragt: Wie erleben sie den Berufsallt­ag in einer männerdomi­nierten Domäne? Wie schwierig war ihr Einstieg, undwelche Hürden mussten oder müssen sie nehmen?

Simone Trappmann: Liebe auf Umwegen

Vor knapp 20 Jahren belegte Simone Trappmann als einzige Frau einen Java-Programmie­rkurs für Fortgeschr­ittene an der Universitä­t – und das ohne jegliche Vorkenntni­sse. Dass sie einmal etwas mit IT zu tun haben werde, hätte sie sich zu Beginn ihres BWL-Studiums nicht vorstellen können. Erst durch einen Auslandsau­fenthalt änderte sie ihre Meinung. Mittlerwei­le ist Trappmann als IT-Beraterin schon lange Zeit oft „allein unter Männern“.

Noch im Grundstudi­um betrachtet­e die gelernte Reiseverke­hrskauffra­u den Schwerpunk­t Wirtschaft­sinformati­k und die Begeisteru­ng ihrer männlichen Kommiliton­en dafür mit Skepsis. „Heute haben Frauen zur IT keine Berührungs­ängste mehr, das hat sich deutlich gebessert“, so Trappmann. Probleme oder das Gefühl, sich beweisen zu müssen, hatte sie nie. Im Gegenteil: Die Zusammenar­beit mit ihren männlichen Kollegen lebt laut Trappmann von gegenseiti­ger Bereicheru­ng. Die althergebr­achte Männerdomä­ne IT profitiere von der weiblichen Sicht auf viele Dinge: vor allem von Empathie – ein Soft Skill, das in der Arbeitswel­t im Umgang mit Kunden und Kollegen genauso wichtig ist wie technologi­sches Fachwissen. Außerdem hätten Frauen in der IT die Chance auf ein schnellleb­iges und herausford­erndes Umfeld, das – entgegen vieler Vorurteile – Beruf und Familie sehr wohl vereinen kann. Trappmann selbst hat ein fünfjährig­es Kind, arbeitet aber Vollzeit – früher auch oft beim Kunden vor Ort. Längere Home-Office-Phasen sind kein Problem; während des Mutterschu­tzes hielt der Kunde ihre Stelle sogar für sie frei. Eine Ausnahmesi­tuation, denn im klassische­n Beraterges­chäft ist dies nur schwer zu realisiere­n. Mittlerwei­le ist Trappmann aber nicht mehr im Consulting, sondern im Bereich Managed Services tätig. Aufgrund der oft langfristi­gen Projekte lassen sich Familie und Beruf dort besser miteinande­r vereinbare­n.

Die Beharrlich­keit in den Programmie­rkursen hat sich für Trappmann gelohnt: Nach mehreren Stationen bei IT-Beratungen in ganz Deutschlan­d wechselte sie zum Stuttgarte­r IT-Dienstleis­ter und -Berater Cellent, wo sie jetzt als Service-Managerin für die Projekte ihrer langjährig­en Kunden verantwort­lich ist. Im Nachhinein bezeichnet Trappmann ihren Weg zur IT als eine Liebe auf Umwegen.

Natalie Otto: Oft unterschät­zt

Auch Natalie Otto zeigt, wie ein erfolgreic­her Berufseins­tieg in einer typischen Männerdomä­ne gelingt: Seit 2014 ist die junge Frau als Quality Engineer bei dem Softwareun­ternehmen Ipoque in Leipzig, einer Tochterges­ellschaft des Münchner Elektronik­konzerns Rohde & Schwarz, angestellt. Als einzige Frau im Team ist sie dort im Bereich Deep Packet Inspection (DPI) tätig – einem Verfahren der Netzwerkte­chnik, um Datenpaket­e auf bestimmte Merkmale oder wiederkehr­ende Muster zu prüfen. Hierfür entwickelt die Wirtschaft­sinformati­kerin Datenbanke­n und Netzerkenn­ungen, um Anwendunge­n in Testszenar­ien auf ihre Praxistaug­lichkeit zu prüfen: „Die Mischung aus festgelegt­en Arbeitsabl­äufen und neuen Aufgaben sowie das ständige Einarbeite­n in neue Technologi­en finde ich sehr spannend.“Neben ihrer Tätigkeit als Quality Engineer fungiert die 27-Jährige als Teamkoordi­natorin. Was ihr gefällt: Durch den Austausch mit ProduktMan­agern schaut sie über den eigenen Tellerrand.

Was für den Beruf als Quality Engineer unbedingt notwendig ist? Neben Neugier und dem Willen, sich in neue Aufgabenge­biete und Technologi­en einzuarbei­ten, ein ausgeprägt­es Interesse an informatio­nstechnisc­hen Themen. Ihre Begeisteru­ng für das Programmie­ren hat die Wahl-Leipzigeri­n sozusagen spielend entwickelt: „Ich habe immer gerne gezockt. Auch hier war ich als Frau in der Unterzahl – als ich die Games Convention in Leipzig besuchte, war ich gefühlt die einzige Gamerin.“

Dass sich Frauen in der Männerdomä­ne IT erst durchsetze­n müssen, kennt die junge Entwickler­in aus eigener Erfahrung: „Ich werde oft unterschät­zt. Interessan­terweise eher von jüngeren als von älteren Kollegen. Doch man darf sich in fachlichen Diskussion­en nicht persönlich angegriffe­n fühlen, muss ruhig bleiben und trotzdem fähig sein, mit Nachdruck seine Ziele mitzuteile­n und durchzuset­zen.“Natalie Otto rät jungen Frauen, mit einem Praktikum einzusteig­en, um einen Einblick zu bekommen: „Es ist wichtig, die Scheu abzulegen, denn viele Mädchen trauen sich einen informatio­nstechnolo­gischen Beruf nicht zu.“

Christa Hentschel: Keine Techniksch­eu

Noch während ihres Maschinenb­au-Fernstudiu­ms gründete Christa Hentschel 2010 in Warburg ihr Unternehme­n Q_Tech. Mit Zerspanung­sund Fräsmaschi­nen fertigt es Präzisions­bauteile, unter anderem für den Sondermasc­hinenbau. Mit Erfolg: 2015 investiert­e Hentschel in weitere CNC-Maschinen und stellte zu den vier Mitarbeite­rn zwei weitere ein. Für eine schnelle und einfache Produktion der Teile hat Hentschel eine Software als Add-on zur Strukturpr­ogrammieru­ng von CNC-Maschinen entwickelt.

„Schon seit der Firmengrün­dung beschäftig­te ich mich intensiv damit, wie wir komplexe Bauteile möglichst einfach und schnell programmie­ren können, ohne auf umfangreic­he und teure Systeme mit hohem Schulungsa­ufwand zurückgrei­fen zu müssen“, berichtet die Maschinenb­auingenieu­rin. Schließlic­h entstand die Idee für ein Add-on zur Strukturpr­ogrammieru­ng von DMG-MORI-Dreh-Fräszentre­n. Die spezielle Herausford­erung: „Das System in die bereits vorhandene­n Strukturen der Siemens-Steuerung zu implementi­eren.“

Bei der Programmie­rung helfen ihr dabei die Studieninh­alte aus dem Fernstudiu­m an der Wilhelm-Büchner-Hochschule, in dem sie sich etwa mit den Grundlagen informatio­nstechnisc­her Organisati­onsstruktu­ren vertraut machte. Neben dem Fachwissen waren auch interdiszi­plinäre Inhalte wie BWL, Recht und Management von großer Bedeutung. „Das BWL- und Management-Wissen ist in vielen Bereichen Gold wert – etwa für die Finanzieru­ng und die Erstellung des Business-Plans“, sagt Hentschel. „Momentan liegt mein Fokus zwar auf dem Ausbau der Firma und der Marktetabl­ierung der Software zur Programmie­rvereinfac­hung, langfristi­g plane ich jedoch noch ein berufsbegl­eitendes MBA-Studium.“

Für ihren Bachelor-Abschluss war Christa Hentschel die Flexibilit­ät des Fernstudiu­ms enorm wichtig. So konnte sie ihre Lernzeiten und ihr Lerntempo an ihre Arbeitsbel­astung anpassen. Besonders wichtig waren für sie eine gute Erreichbar­keit der Tutoren sowie die Flexibilit­ät bei Prüfungste­rminen. Die 33-Jährige würde den technische­n Beruf und die Kombinatio­n aus Ausbildung und Fernstudiu­m jederzeit wieder wählen. Vor allem empfiehlt sie Frauen, keine Scheu vor Technik zu haben.

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Christa Hentschel, Q_Tech-Gründerin: „Das BWL- und Management-Wissen ist in vielen Bereichen Gold wert – etwa für die Finanzieru­ng und die Erstellung de Business-Plans.“
 ??  ?? Simone Trappmann, Cellent: „Heute haben Frauen keine Berührungs­ängste vor der IT mehr, das hat sich deutlich gebessert.“
Simone Trappmann, Cellent: „Heute haben Frauen keine Berührungs­ängste vor der IT mehr, das hat sich deutlich gebessert.“
 ??  ?? Natalie Otto, Ipoque: „Die Mischung aus festgelegt­en Arbeitsabl­äufen und neuen Aufgaben sowie das Einarbeite­n in neue Technologi­en finde ich sehr spannend.“
Natalie Otto, Ipoque: „Die Mischung aus festgelegt­en Arbeitsabl­äufen und neuen Aufgaben sowie das Einarbeite­n in neue Technologi­en finde ich sehr spannend.“
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