DSAG mahnt zu Pragmatismus
Der Spagat zwischen gewachsenen, heterogenen und zunehmend komplexeren Systemlandschaften sowie der für die Digitalisierung notwendigen Agilität und Flexibilität droht zur größten Herausforderung für die SAP-Anwender zu werden. Die fordern deshalb mehr Un
Der Vorsitzende des SAP-Anwendervereins, Marco Lenck (Foto), sieht den Spagat zwischen gewachsenen, heterogenen und zunehmend komplexeren Systemlandschaften sowie der für die Digitalisierung notwendigen Agilität und Flexibilität als große Herausforderung.
Die Digitalisierung ist in den Unternehmen angekommen“, sagte Marco Lenck, Vorstandsvorsitzender der Deutschsprachigen SAP-Anwendergruppe (DSAG), zum Auftakt der diesjährigen Jahrestagung in Nürnberg. Einfach dürfte das allerdings nicht werden. Der damit verbundene Wandel wird aus Sicht der Anwendervertreter die Art und Weise, wie Unternehmen funktionieren und arbeiten, radikal umkrempeln. So werde sich die Komplexität der Prozesse in den Unternehmen massiv erhöhen, sagte Lenck.
Die Anwender fordern ihren Softwarepartner SAP auf, gemeinsam daran zu arbeiten, die Business Transformation möglichst ohne Reibungsverluste abzuwickeln. War SAP in der Vergangenheit in vielen Unternehmen automatisch gesetzt, wird das Standing des Softwarekonzerns heute durchaus hinterfragt. Zwar bezeichneten vier von fünf Anwendern SAP als wichtigen oder sehr wichtigen Partner für die eigene Business Transformation, berichtete Lenck. Für fast jeden fünften SAPKunden ist das aber anscheinend nicht der Fall, rechnete der DSAG-Vorstand explizit vor. Außerdem würden sich knapp zwei Drittel der SAP-Anwender auch mit anderen Softwareanbietern wie Microsoft, Salesforce und IBM beschäftigen.
Digitalisierung braucht stabilen Kern
Gegenüber ihrem Softwarelieferanten formulierten die SAP-Kunden klare Anforderungen. Neue digitale Prozesse brauchen stabile Kernsysteme, die sich erweitern, modifizieren oder ergänzen lassen. Lenck setzt an dieser Stelle auf die klassische Business Suite. Das sei eine stabile Plattform, in die Anwender viel Geld und Arbeit gesteckt hätten, hier sei jede Menge Know-how aufgebaut worden. Das wollten die Anwender in erster Linie bewahren. SAP hat zwar eine Wartung dieser Plattform bis 2025 zugesichert, doch das reicht den Anwendern nicht. „Wir brauchen eine Vision auch über 2025 hinaus“, stellte Lenck klar. Mit Blick auf die Wartungszahlungen fordert die DSAG zudem eine adäquate Weiterentwicklung der Bestandslösungen, die nicht zugunsten von Neuprodukten wie S/4HANA ausfallen dürfe. Auch die Qualität der gelieferten Systeme müsse sicher-
gestellt sein. „Wir brauchen mehr Prozessqualität in Form von fehlerfrei gelieferten Lösungen“, erklärte Lenck und ergänzte: „In Zukunft müssen Softwarelösungen einfach zu betreiben sein, sonst werden Unternehmen in ihren Digitalisierungsprojekten zu stark aufgehalten.“Beispielsweise seien Ausfallzeiten bei Upgrades nicht mehr akzeptabel. Außerdem erwarteten die Anwender mehr Funktionalität und eine bessere Integration der Lösungen. Erforderlich seien zudem aussagekräftige Roadmaps, um sicherer planen zu können.
SAP signalisierte, ein offenes Ohr gegenüber den Anwenderforderungen zu haben. Der für Technologie und Innovation zuständige SAPVorstand Bernd Leukert bezeichnete die Business Transformation als stürmische Phase und versprach auf dem DSAG-Kongress, SAP wolle sich als Partner dafür empfehlen. Als größte Herausforderung für die Anwender sieht der SAP-Manager den Spagat zwischen den über Jahre hinweg gewachsenen, heterogenen und immer komplexer gewordenen Systemlandschaften auf der einen sowie der notwendigen Agilität und Flexibilität auf der anderen Seite.
Leukert brachte an dieser Stelle S/4HANA als neue Softwaregeneration ins Spiel. Damit ließen sich IT-Infrastrukturen vereinheitlichen und vereinfachen, versprach er den Anwendern. S/4HANA könne Fundament und Schaltzentrale für die digitale Transformation sein. Dafür sei jedoch ein Sprung in der eigenen Softwareentwicklung notwendig gewesen, sagte der SAP-Vorstand. „Wir mussten etwas neu machen.“
Durchaus gebe es an der einen oder anderen Stelle Nachbesserungsbedarf, räumte Leukert auf dem DSAG-Kongress selbstkritisch ein. Er verwies unter anderem auf Redundanzen im eigenen Produktportfolio. Diese seien durch Zukäufe, aber auch durch die eigene organische Softwareentwicklung entstanden. Der SAP-Vorstand versprach, für mehr Klarheit zu sorgen, und kündigte an, dass der Software- konzern in Zukunft regelmäßig detailliertere Informationen über seine Produkt- und Entwicklungs-Roadmap – on Premise wie für die Cloud – veröffentlichen werde. Darüber hinaus will man Anwendern konkrete Empfehlungen geben, wenn diese unsicher seien, in welche Produkte sie investieren sollen. Den Verdacht, SAP könnte Produktlinien aufs Abstellgleis schieben und Lösungen abkündigen, wies Leukert zurück. SAP werde sämtlichen Wartungsverpflichtungen nachkommen, versicherte der Manager.
Unübersichtliche Softwarelandschaften
DSAG-Chef Lenck begrüßte die Ankündigung Leukerts. Anwender bräuchten regelmäßige und vor allem verbindliche Aussagen hinsichtlich der Entwicklungs-Roadmap ihres Softwarelieferanten. Man müsse schlichtweg wissen, wann welche Funktionalitäten zur Verfügung stünden. Das sei in der Vergangenheit nur teilweise klar gewesen. Gerade hinsichtlich neuer Partnerschaften und Produktankündigungen hatte es zudem in der jüngeren Vergangenheit einige Irritationen gegeben, beispielsweise im Zuge der Apple-Kooperation in Sachen User Interface und dem gerade angekündigten BW/4HANA. SAP habe die Anwender häufig rechtzeitig abgeholt, sagte Lenck, „aber nicht immer“.
Klarheit hinsichtlich der Roadmap dürfte in Zukunft noch wichtiger werden, da die Softwarelandschaften wohl unübersichtlicher werden. SAP-Vorstand Leukert rechnet mit wesentlich modulareren Softwarearchitekturen. In diesem Zusammenhang könnten seiner Einschätzung nach Plattformen, auf denen einzelne Softwareservices entwickelt, betrieben und miteinander integriert werden, an Bedeutung gewinnen. SAP setzt an dieser Stelle auf die eigene HANA Cloud Platform (HCP), die auch in der internen Entwicklung künftig eine zentralere Rolle spielen soll. Leukert betonte mit Hinweis auf einen OpenStack- und OpenFoundrybasierenden Layer in der HCP die Offenheit der SAP-Plattform und konnte sich dabei einen Seitenhieb auf die Konkurrenz nicht verkneifen: „Wer sich für Salesforce entscheidet, läuft in einen Vendor-Lockin“, warnte der SAP-Manager.