Standardisiertes Lernen
Die Digitalisierung beschleunigt das Tempo in der Weiterbildung. Firmen setzen auch aus wirtschaftlichen Gründen auf standardisierte Inhalte, die mobil auf vielen Geräten abrufbar sind. Große Unternehmen lagern die Bildung oft komplett an Dritte aus.
Firmen setzen aus wirtschaftlichen Gründen auf standardisierte Inhalte, die auch mobil abrufbar sind. Konzerne lagern die Bildung oft komplett an Dritte aus.
Weiterbildung muss abwechslungsreich und online verfügbar sein – via App und auf Websites in responsivem Design. „Große Unternehmen stellen ihre Weiterbildungsangebote von Präsenz- auf Online-Kurse um. Virtuelle Klassenräume sind Standard“, sagt Ralf Karabasz, Geschäftsführer des Weiterbildungsnetzwerks Synergie. Uwe Schöpe hingegen geht der Trend zum E-Learning noch nicht schnell genug: „In den USA ist digitales Lernen das Normalste der Welt, wir in Deutschland sind noch zurück“, so der Chef der Bonner Akademie.
Weiterbildung von der Stange
Standardisierte Inhalte waren lange verpönt – wohl auch, weil sich mit maßgeschneiderten Kursen mehr Geld verdienen ließ. Aus betriebswirtschaftlichen Gründen fordern Unternehmen nun Angebote von der Stange, die sie möglichst vielen Mitarbeitern über Lernplattformen anbieten können und die auf unterschiedlichen Geräten einsetzbar sind. „Firmen wollen 60 bis 90 Prozent der Lerninhalte digital anbieten“, so Ingmar Rath, Vorstandschef der Integrata AG in Stuttgart.
Auch die Rolle des lernenden Mitarbeiters hat sich mit den Jahren verändert. „Der Einzelne hat heute eine viel höhere Eigenverantwortung für seine Weiterbildung“, sagt Karabasz. Die Grenzen zwischen Berufs- und Privatleben verschwimmen ebenso wie die zwischen beruflichem Lernen und privatem Wissensdurst. Wer aus dem Karussell des permanenten Lernens aussteigt, riskiert auch im Alltag den Anschluss zu verlieren – weil er etwa seine Bankgeschäfte nicht im Internet erledigen oder keine Reisen online buchen kann. Die Digitalisierung ist längst Teil des täglichen Lebens. Um die eigenen Mitarbeiter in ihrem Arbeitsumfeld digital fit zu machen, setzt Peter Dern, Leiter der Corporate University bei der Software AG, auf „Bildung als Schlüssel für Veränderungen“. Dern möchte „mit Design Thinking Innovationen und neues Denken fördern.“Später soll noch Storytelling als weitere Methode hinzukommen. Dafür muss der promovierte Chemiker Überzeugungsarbeit leisten. Deshalb setzt der für Bildungsthemen verantwortliche Manager auf die Führungskräfte als Verbündete: „Wenn der Chef sagt, dass Design Thinking ein wichtiges Thema für uns ist, hören die Mitarbeiter zu. Wir wollen Leidenschaft für das Lernen wecken.“
In der Akademie der Software AG sollen auch die Mitarbeiter ihr Wissen weitergeben und andere für neue Themen begeistern. „Die Kollegen sollen positive Lernerfahrungen sammeln, deshalb haben wir die Usability der Lernplattform verbessert“, sagt Dern. Dadurch will er die Mitarbeiter zum Lernen verführen.
Momentan finden sie dort rund 700 Kurse. Auch externe Links zählen zum Angebot. „Wir hoffen, dass die Kollegen dort auch für kleine Fünf-Minuten-Einheiten vorbeischauen und über ihre guten Erfahrungen mit anderen sprechen. Ich wünsche mir, dass die Lernplattform ähnlich populär wird wie ein Shopping-Portal.“Die Corporate University der Software AG be- schäftigt 20 Mitarbeiter, die sich um administrative Aufgaben kümmern, technische Produktschulungen entwickeln und umsetzen sowie die hauseigene Personalentwicklung verantworten.
Bildungs-Outsourcing liegt im Trend
Doch die Software AG ist mit dieser Eigeninitiative eher die Ausnahme. Konzerne lagern das Management der betrieblichen Weiterbildung zunehmend an Dienstleister aus. Von der Anmeldung zum Seminar über die Einladung der Teilnehmer bis zu Abrechnung und FeedbackBogen organisieren die Dienstleister den Management-Training-Solution-Service für die Firmen über eine Plattform. „Große Unternehmen wollen mit der Organisation der Weiterbildung nichts mehr zu tun haben, das senkt die Kosten und ist auch betriebswirtschaftlich sinnvoll“, meint Synergie-Chef Karabasz.
Auch Integrata hat dazu einen Service im Angebot, der jedes Jahr zweistellige Wachstumsraten verzeichnet. Die Bonner Akademie, die zur Zurich Gruppe gehört, wickelt die Weiterbildung für eine große Bank sogar bereits seit zwölf Jahren ab. Geschäftsführer Schöpe sieht in diesem Geschäftsfeld noch viel Potenzial: „Wenn es der Kunde wünscht, verhandeln wir auch mit Weiterbildungsanbietern über die Konditionen.“Zudem veröffentlicht die Bonner Akademie in einer App sämtliche Kurse zu einem Thema, sortiert nach Städten, Preisen und Verfügbarkeit. Die Listen ähneln denen eines Hotelbuchungsportals, inklusive Bewertungen. Die Konkurrenten schreckt dieses Angebot nicht. „Wir rennen bei den Anbietern offene Türen ein. Viele wittern eine Chance, über die App weitere Buchungen zu generieren“, verrät Schöpe. Über ein Rabatt- und Provisionsmodell verdient die Bonner Akademie mit.
Auch wenn viele Firmen sich E-Learning-Kurse wünschen, schließen muss Integrata-Chef Rath die rund 100 Trainingsräume keineswegs. „Gerade wenn es um neue Technologien geht, schicken die Firmen ihre Mitarbeiter in unsere Trainingscenter, damit sie sich mit neuen ITSystemen vertraut machen, ohne die operativen Systeme zu belasten und sich mit dem Thema Firewall auseinandersetzen zu müssen“, erklärt Rath.
Welche Kurse sind gefragt?
Die Bestseller der IT-Weiterbildung bei Integrata sind IT-Service-Angebote von ITIL über Software-Testing bis zu agilen Methoden wie Scrum. Auch IT-Zertifizierungen sind beliebt. „50 Prozent unserer Kunden wollen ein Zertifikat“, erläutert der Integrata-Chef.
Durch die Fusion mit der französischen Cegos Gruppe, deren Schwerpunkt das offene Seminargeschäft ist, sieht sich Integrata auch international gut positioniert. Jedes entwickelte E-Learning-Programm kann das Unternehmen in 18 Sprachen erstellen und an die kulturellen Gepflogenheiten des Ziellandes anpassen. Das hilft, die sinkenden Investitionen der Unternehmen in Weiterbildung zu kompensieren.
Ralf Karabasz sieht die starke Konzentration in der Weiterbildung auf Online-Lernangebote kritisch. „Viele Führungskräfte haben Angst, dass sie von der Digitalisierung abgehängt werden. Hier brauchen wir ganz andere Angebote, um diese Mitarbeiter wieder zu integrieren und für neue Aufgaben fit zu machen“, fordert der Bildungsberater.
Auch die große Euphorie für agile Methoden und Design Thinking als Allheilmittel kann Karabasz nicht teilen. „Die Hilflosigkeit von vielen Führungskräften, mit der sie ihre Mannschaften auf Veränderungen vorbereiten, zeigt sich auch daran, dass sie ,agil‘ und ,Design Thinking‘ davor schreiben. Mit Hilfe von Methoden wird niemand zur innovativen Führungskraft.“