Computerwoche

Vor allem Fingerspit­zengefühl

Seit knapp zwei Jahren ist Bernhard Speyer Chief Digital Officer (CDO) von Carglass. Seine erste Amtshandlu­ng bestand darin, die teils ausgelager­te IT zurück ins eigene Haus zu holen und Brücken zu den Fachbereic­hen zu bauen.

- Von Christiane Pütter, freie Autorin in München

Bernhard Speyer ist seit zwei Jahren Chief Digital Officer von Carglass. Seine wichtigste Aufgabe sieht er darin, Fachabteil­ungen und IT eng zusammenzu­führen.

Postings zufriedene­r Kunden machen Bernhard Speyer, Chief Digital Officer bei Carglass, stolz: „Ich komme vom Kunden her.“Schon vor seinem Einstieg im April 2015 hatte er sich bei der Deutschen Telekom als Head of User Experience & eTransform­ation, eBusiness Europe intensiv mit den Usern auseinande­rgesetzt. Für seine Aufgabe hält er es auch heute, die Kundenzufr­iedenheit hochzuhalt­en.

Frust durch Outsourcin­g

Obwohl Speyer in seiner Doppelroll­e als Direktor Digital und Direktor IT auch Business Continuity sicherzust­ellen hat, kreisen seine Pläne deutlich stärker um den Digital- als um den operativen Teil. Das bisher vielleicht sichtbarst­e Ergebnis: Die Carglass-Monteure sind mit Mobilgerät­en ausgestatt­et und können über Mobile Payment auch Zahlungen entgegenne­hmen. Weder Monteur noch Kunde soll mit Medienbrüc­hen zu tun haben müssen, verlangt Speyer von sich und seinem Team. Als er an- fing, war die 20 Mitarbeite­r umfassende Mannschaft nicht sonderlich motiviert. „Wir hatten viel ausgelager­t“, erinnert er sich. Ihm gefiel das nicht – zu groß schien die Gefahr einer Hersteller­abhängigke­it. Zudem wanderte zu viel Wissen aus dem Unternehme­n ab. Nicht wenige Mitarbeite­r mutierten gegen ihren Willen von Experten zu Zulieferer­n der IT-Dienstleis­ter.

Also stockte Speyer seine Truppe auf. Heute arbeiten 37 Kollegen bei Carglass. Das Motto gibt der CDO vor: Grow, build, run. Im Zentrum steht der Anwender. „Die Apps für die ServiceCen­ter-Monteure haben wir gemeinsam mit ihnen entwickelt“, erzählt Speyer. Es sei die wichtigste Aufgabe seines Teams, den Mitarbeite­rn der Fachabteil­ungen über die Schultern zu schauen: „Wo hat der Kunde oder Mitarbeite­r einen Painpoint, und wie können wir das lösen?“

In diesem Jahr will Speyer den Digital Workplace ausrollen. Ziel ist eine bessere Zusammenar­beit, Monteure wie Sachbearbe­iter sollen ihr Wissen austausche­n. Orientiere­n kann er sich an der spanischen Schwesterg­esellschaf­t, die mit Erfolg „Facebook at Work“einführte. „Die Leute kennen Facebook als private Nutzer“, sagt Speyer, „deshalb nehmen sie es auch am Arbeitspla­tz an.“Für Spanien galt: Wer nicht gleich mitziehen wollte, wurde schnell von den Kollegen infiziert. Ein tragfähige­s Modell, findet Speyer: „Solche Tools darf man den Mitarbeite­rn aber nicht von oben überstülpe­n.“

Bessere Zusammenar­beit strebte der CDO auch für das eigene Team an. Dafür ließ er Wände einreißen und einen neuen Workspace entstehen. Jetzt gibt es Räume mit viel Licht und Glas, mit Tischen, deren Platten sich für Kleingrupp­engespräch­e herauf- und für die Einzelarbe­it wieder herunterfa­hren lassen. Den Umbau musste Speyer durchaus gegen Widerständ­e durchsetze­n, wie er offen zugibt.

Der Aufwand habe sich aber gelohnt: „Heute stehen die Kollegen zu dritt oder viert an hochgefahr­enen Tischen und diskutiere­n über ein Problem, das gab es vorher nicht.“Die meisten fänden heute, das hätte man schon viel früher so machen sollen. Manch andere Abteilung sei sogar neidisch.

Speyer möchte sein Team noch weiter ausbauen. Er hat ein Projekt-Management-Office (PMO) etabliert, das Fachabteil­ungen unterstütz­t. Dabei geht es auch um grundsätzl­iche Fragen, etwa, wie man Projekte aufsetzt und steuert. „Das ist kein IT-PMO, sondern ein CarglassPM­O.“

Zudem hat er einen Enterprise-Architekte­n eingestell­t. Der neue Mitarbeite­r habe „das Mindset der Startup-Szene“, freut sich der ITVerantwo­rtliche. „Ich will innovative­s Denken ins Haus holen.“Bekommen hat Speyer seine IT-Experten über Headhunter und Netzwerke. Daran will er anknüpfen: „Ich baue jetzt eine Talentseit­e auf.“In kurzen Interviews stellen sich die Mitarbeite­r vor und erklären, woran sie gerade arbeiten. Dass seinem Unternehme­n trotz der starken Marke Carglass nicht zugetraut wird, ein hippes junges IT-Team zu beschäftig­en, ärgert Speyer.

Einfühlung­svermögen ist wichtig

Der 54-Jährige versteht sich immer auch als Change-Manager. „Ein Chief Digital Officer braucht Einfühlung­svermögen“, so seine Zwischenbi­lanz. Soft Skills wie Geduld und Konfliktlö­sung gehörten in jedem Fall dazu: „Als CDO hat man Überschnei­dungen mit dem CIO und dem Marketing-Chef. Man muss fähig sein, die Position des anderen zu verstehen und eine gemeinsame Lösung zu finden.“Was den IT-Part seiner Position bei Carglass angeht, schmunzelt Speyer, er habe einiges dazugelern­t: „Ich weiß jetzt, dass die IT immer schuld ist. Und wenn es eine kaputte Steckdose in irgendeine­m Büro ist.“

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Das offene Büro des IT-Teams von Carglass soll die Zusammenar­beit in den Projekten erleichter­n.
 ??  ?? Bernhard Speyer, CDO von Carglass, will den digitalen Workplace ausrollen, um den Austausch unter den Mitarbeite­rn zu verbessern.
Bernhard Speyer, CDO von Carglass, will den digitalen Workplace ausrollen, um den Austausch unter den Mitarbeite­rn zu verbessern.

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