Vor allem Fingerspitzengefühl
Seit knapp zwei Jahren ist Bernhard Speyer Chief Digital Officer (CDO) von Carglass. Seine erste Amtshandlung bestand darin, die teils ausgelagerte IT zurück ins eigene Haus zu holen und Brücken zu den Fachbereichen zu bauen.
Bernhard Speyer ist seit zwei Jahren Chief Digital Officer von Carglass. Seine wichtigste Aufgabe sieht er darin, Fachabteilungen und IT eng zusammenzuführen.
Postings zufriedener Kunden machen Bernhard Speyer, Chief Digital Officer bei Carglass, stolz: „Ich komme vom Kunden her.“Schon vor seinem Einstieg im April 2015 hatte er sich bei der Deutschen Telekom als Head of User Experience & eTransformation, eBusiness Europe intensiv mit den Usern auseinandergesetzt. Für seine Aufgabe hält er es auch heute, die Kundenzufriedenheit hochzuhalten.
Frust durch Outsourcing
Obwohl Speyer in seiner Doppelrolle als Direktor Digital und Direktor IT auch Business Continuity sicherzustellen hat, kreisen seine Pläne deutlich stärker um den Digital- als um den operativen Teil. Das bisher vielleicht sichtbarste Ergebnis: Die Carglass-Monteure sind mit Mobilgeräten ausgestattet und können über Mobile Payment auch Zahlungen entgegennehmen. Weder Monteur noch Kunde soll mit Medienbrüchen zu tun haben müssen, verlangt Speyer von sich und seinem Team. Als er an- fing, war die 20 Mitarbeiter umfassende Mannschaft nicht sonderlich motiviert. „Wir hatten viel ausgelagert“, erinnert er sich. Ihm gefiel das nicht – zu groß schien die Gefahr einer Herstellerabhängigkeit. Zudem wanderte zu viel Wissen aus dem Unternehmen ab. Nicht wenige Mitarbeiter mutierten gegen ihren Willen von Experten zu Zulieferern der IT-Dienstleister.
Also stockte Speyer seine Truppe auf. Heute arbeiten 37 Kollegen bei Carglass. Das Motto gibt der CDO vor: Grow, build, run. Im Zentrum steht der Anwender. „Die Apps für die ServiceCenter-Monteure haben wir gemeinsam mit ihnen entwickelt“, erzählt Speyer. Es sei die wichtigste Aufgabe seines Teams, den Mitarbeitern der Fachabteilungen über die Schultern zu schauen: „Wo hat der Kunde oder Mitarbeiter einen Painpoint, und wie können wir das lösen?“
In diesem Jahr will Speyer den Digital Workplace ausrollen. Ziel ist eine bessere Zusammenarbeit, Monteure wie Sachbearbeiter sollen ihr Wissen austauschen. Orientieren kann er sich an der spanischen Schwestergesellschaft, die mit Erfolg „Facebook at Work“einführte. „Die Leute kennen Facebook als private Nutzer“, sagt Speyer, „deshalb nehmen sie es auch am Arbeitsplatz an.“Für Spanien galt: Wer nicht gleich mitziehen wollte, wurde schnell von den Kollegen infiziert. Ein tragfähiges Modell, findet Speyer: „Solche Tools darf man den Mitarbeitern aber nicht von oben überstülpen.“
Bessere Zusammenarbeit strebte der CDO auch für das eigene Team an. Dafür ließ er Wände einreißen und einen neuen Workspace entstehen. Jetzt gibt es Räume mit viel Licht und Glas, mit Tischen, deren Platten sich für Kleingruppengespräche herauf- und für die Einzelarbeit wieder herunterfahren lassen. Den Umbau musste Speyer durchaus gegen Widerstände durchsetzen, wie er offen zugibt.
Der Aufwand habe sich aber gelohnt: „Heute stehen die Kollegen zu dritt oder viert an hochgefahrenen Tischen und diskutieren über ein Problem, das gab es vorher nicht.“Die meisten fänden heute, das hätte man schon viel früher so machen sollen. Manch andere Abteilung sei sogar neidisch.
Speyer möchte sein Team noch weiter ausbauen. Er hat ein Projekt-Management-Office (PMO) etabliert, das Fachabteilungen unterstützt. Dabei geht es auch um grundsätzliche Fragen, etwa, wie man Projekte aufsetzt und steuert. „Das ist kein IT-PMO, sondern ein CarglassPMO.“
Zudem hat er einen Enterprise-Architekten eingestellt. Der neue Mitarbeiter habe „das Mindset der Startup-Szene“, freut sich der ITVerantwortliche. „Ich will innovatives Denken ins Haus holen.“Bekommen hat Speyer seine IT-Experten über Headhunter und Netzwerke. Daran will er anknüpfen: „Ich baue jetzt eine Talentseite auf.“In kurzen Interviews stellen sich die Mitarbeiter vor und erklären, woran sie gerade arbeiten. Dass seinem Unternehmen trotz der starken Marke Carglass nicht zugetraut wird, ein hippes junges IT-Team zu beschäftigen, ärgert Speyer.
Einfühlungsvermögen ist wichtig
Der 54-Jährige versteht sich immer auch als Change-Manager. „Ein Chief Digital Officer braucht Einfühlungsvermögen“, so seine Zwischenbilanz. Soft Skills wie Geduld und Konfliktlösung gehörten in jedem Fall dazu: „Als CDO hat man Überschneidungen mit dem CIO und dem Marketing-Chef. Man muss fähig sein, die Position des anderen zu verstehen und eine gemeinsame Lösung zu finden.“Was den IT-Part seiner Position bei Carglass angeht, schmunzelt Speyer, er habe einiges dazugelernt: „Ich weiß jetzt, dass die IT immer schuld ist. Und wenn es eine kaputte Steckdose in irgendeinem Büro ist.“