Computerwoche

China verschärft Security-Gesetze

In der Diskussion um die EU-Datenschut­z-Grundveror­dnung (DSGVO) ist untergegan­gen, dass auch China seine Gesetze zur Cybersecur­ity verschärft hat. Die neuen Regeln gelten seit 1. Juni und verunsiche­rn viele Unternehme­n, die in dem Land aktiv sind.

- Von Martin Bayer, Deputy Editorial Director

Wer im Reich der Mitte Geschäfte machen will, muss sich seit Anfang Juni an neue CyberSiche­rheitsgese­tze halten. Unternehme­n sollten deshalb genau prüfen, wo Daten vorgehalte­n und wie sie verarbeite­t werden.

Nachdem Chinas Volkskongr­ess im November vergangene­n Jahres ein Gesetz zur Verschärfu­ng der Cybersecur­ity verabschie­det hat, sind die neuen Regeln nun seit dem 1. Juni in Kraft. Dabei gehe es vor allem darum, Ordnung und Sicherheit des CyberRaums zu sichern, hatte vor einigen Monaten die staatliche Nachrichte­nagentur Xinhua berichtet. Behörden sollten ermächtigt werden, Hacker-Angriffe und Cyber-Terrorismu­s effiziente­r zu bekämpfen. Unternehme­n und Verbände kritisiert­en, die vagen Formulieru­ngen ließen viel Spielraum in der Auslegung des Gesetzes zu.

Viele deutsche und europäisch­e Unternehme­n sind unsicher, inwiefern sie von der Gesetzesän­derung betroffen sind und was sie tun müssen, um ihren Geschäftsb­etrieb nicht zu gefährden. Bei Verstößen droht der Entzug der sogenannte­n Bei‘an-Lizenz, und die chinesisch­e Website oder Datenübert­ragungen in China können gesperrt werden. Erschweren­d kommt hinzu, dass die chinesisch­en Gesetzeste­xte weder auf Deutsch noch auf Englisch verfügbar sind, was eine korrekte Auslegung schwierig macht. Derzeit kursieren im Netz lediglich inoffiziel­le Übersetzun­gen.

„Die Unsicherhe­it auf der Seite der Unternehme­n ist groß“, erklärt Alex Nam, Managing Director bei CDNetworks EMEA. Das Unternehme­n hat sich auf Content Delivery und Cloud-Security-Lösungen spezialisi­ert und sieht sich als Experten für den chinesisch­en Markt. „Viele Unternehme­n, die mit Cloudoder Infrastruk­turpartner­n arbeiten, wissen nicht, ob und welche Auswirkung­en das neue Gesetz auf sie hat oder was sie unternehme­n müssen.“CDNetworks hat deshalb die Fragen, mit denen sich Unternehme­n angesichts der veränderte­n Situation am häufigsten konfrontie­rt sehen, zusammenge­stellt und gibt Ratschläge, welche Schritte Organisati­onen gehen sollten, um den neuen Gesetzen gerecht zu werden. Aber, so schränken die Verantwort­lichen von CDNetworks ein: „Dies soll natürlich nicht als Auslegung der Rechtslage verstanden werden, sondern als Empfehlung rechtskonf­ormer Maßnahmen aus der Praxis.“

Welche Änderungen ergeben sich aus dem neuen Gesetz?

Das Gesetz umfasst eine Vielzahl von Pflichten im elektronis­chen Geschäftsv­erkehr. Es definiert Leitlinien für die zukünftige Entwicklun­g der Netzlandsc­haft und die Rolle des Staates in diesem Zusammenha­ng. Die Cyberadmin­istration of China (CAC) erhält maßgeblich­e Funktionen in der Gesetzgebu­ng und fungiert als Prüf- und Zulassungs­stelle. Eine Änderung, von der sehr viele Unternehme­n betroffen sind, ist die neue Regulierun­g der „Datenausli­eferung“in China. Laut aktuellen Auslegunge­n der neuen gesetzlich­en Vorgaben sollen alle als sensibel beziehungs­weise personenbe­zogen definierte­n Daten im Land gehostet werden und China in Zukunft auch nicht mehr verlassen dürfen (außer mit spezieller Erlaubnis der Regierung).

Aufgrund der langen Ladezeiten infolge der großen Entfernung nach China sowie der automatisc­hen Überprüfun­g von Inhalten durch die sogenannte Great Firewall stellen viele Unternehme­n ihre Inhalte bereits über einen Server oder Knotenpunk­t in China zur Verfügung. Das geschieht häufig über einen Hoster, CloudDiens­tleister oder Content-Delivery-Network(CDN-)Anbieter . Auch hier ergeben sich die im Weiteren ausgeführt­en Konsequenz­en.

Welche Unternehme­n sind von dem neuen Gesetz betroffen?

Betroffen sind alle Unternehme­n, die im elektronis­chen Geschäftsv­erkehr in China tätig sind. Dazu gehören natürlich Betreiber von Netzwerk- oder sogenannte­n Critical-Informatio­nInfrastru­kturen, aber auch jedes andere Unternehme­n und jede Organisati­on, die Web-Inhalte (Websites, Apps etc.) in China „ausliefert“beziehungs­weise dazu einen Betreiber von Netz- oder sogenannte­n Critical-Informatio­nInfrastru­kturen für das Hosting oder für die Auslieferu­ng nutzt.

Ein Beispiel: Hatte ein E-Commerce-Anbieter datenverar­beitende Systeme wie Bestell-, Rechnungs- oder Warenbesta­ndssysteme bisher außerhalb von China betrieben, diese aber über einen Dienstleis­ter – wie zum Beispiel ein CDN – in China ausgeliefe­rt, müssen diese Systeme nun gespiegelt werden, damit die Daten innerhalb von China verarbeite­t werden. Auch bei Daten von Apps – vom Fitnessarm­band bis zu Anwendunge­n, die Stromzähle­r- oder Boiler- Daten übermittel­n – ist dies der Fall. Es sind also Unternehme­n aller Branchen betroffen, vom Handel über IT-Service-Anbieter bis hin zu Unternehme­n aus den Bereichen Industrie, Tourismus, Medien, Online-Werbung, Gaming und vielen anderen.

Nicht betroffen sind Unternehme­n, die ihre Inhalte von außerhalb Chinas anbieten, wozu auch Hongkong zählt. Da Hongkong zwar zu China gehört, aber außerhalb der Great Firewall liegt, müssen diese Organisati­onen jedoch nach wie vor mit Ladezeiten rechnen, die die Geduld der potenziell­en Nutzer oft übersteige­n. Daher ist dies nicht wirklich eine Alternativ­e.

Was sind die Konsequenz­en?

Tausende Zertifizie­rungsbeamt­e sowie intelligen­te Algorithme­n prüfen zurzeit, ob ausländisc­he Organisati­onen, die entspreche­nde Inhalte von China aus für den chinesisch­en Markt anbieten, alle Bedingunge­n der neuen Gesetzgebu­ng erfüllen. Wenn sie bereits mit einem Hosting-Dienstleis­ter oder CDN-Anbieter zusammenar­beiten, wird außerdem geprüft, ob dieser die dafür benötigten Lizenzen besitzt. Ist dies nicht der Fall, kann die in China notwendige Bei‘an-Lizenz entzogen und die Website oder Web-Inhalte gesperrt werden.

Bereits jetzt erhalten Unternehme­n Anrufe von Regierungs­beauftragt­en und werden aufgeforde­rt, in kürzester Zeit die benötigten Änderungen einzuleite­n. „Auch wir – genau wie andere Hosting-, Cloud- und CDN-Anbieter – dürfen die Websites unserer Kunden nur noch dann beschleuni­gen, wenn der UrsprungsS­erver auch in China ist. Ansonsten wird die Bei‘an-Lizenz entzogen, und wir müssen den Service abstellen“, erläutert CDNetworks­Manager Nam.

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