Mehr als ein Kosten- und Personalproblem
Spricht man mit Anwendern oder Softwarehäusern über Legacy-Anwendungen, sind schnell die Kosten und fehlenden Cobol-Entwickler als Kernprobleme identifiziert. Doch es geht um mehr.
Eine aktuelle Umfrage von Accenture unter COOs von 80 Banken in Nordamerika und Kanada wirft ein interessantes Licht auf die Legacy-Diskussion (siehe Seite 24). Demnach glauben mehr als zwei Drittel der Befragten, dass sich in ihren betrieblichen Systemen Schätze verbergen, die derzeit nicht gehoben werden können. Vor allem geht es dabei um Kundendaten, die für innovative neue Produkte und Services herangezogen werden könnten, so weit dies datenschutzrechtlich möglich ist.
Tatsächlich steht heute nicht nur in der Finanzwirtschaft, sondern in allen Branchen das Kundenparadigma im Zentrum. Unternehmen verfolgen das Ziel, möglichst nahe an ihre Klientel heranzurücken und ihr eine exzellente, personalisierte Customer Experience zu bieten. Dafür spielen die Altanwendungen im Backend oft eine wichtige Rolle – auch wenn sie schlecht dokumentiert sind und sich niemand mit ihnen auskennt. Wer neue Geschäftspotenziale realisieren und schnelle, schlanke Prozesse in Richtung des Kunden entwickeln will, braucht Lösungen, um das in alter Software kondensierte Firmenwissen zu nutzen, ohne an Speed und Reaktionsfähigkeit zu verlieren.
Doch wie geht man vor? Darauf gibt es keine einfachen Antworten, aber immerhin jede Menge Software- und Beratungshäuser mit einem ganzen Koffer von Methoden und Tools. Sie ersparen dem Kunden allerdings nicht, dass er vorab seine eigene digitale Strategie klar definiert und die Mitarbeiter dafür ins Boot holt. Nur wenn ein Unternehmen einen klaren Plan hat, wie es seine Kunden ansprechen und ihnen Mehrwerte bieten will, wird es auch entscheiden können, welche Anwendungen es dazu braucht und ob diese ausgemustert, reengineert oder komplett neu entwickelt werden müssen.