Oracle will mehr vom Cloud-Kuchen
Larry Ellison startet eine Produktoffensive.
Oracle bemüht sich, den Anschluss im Cloud-Geschäft zu finden. Auf der Hausmesse OpenWorld betonte Unternehmensgründer Lawrence Ellison Aspekte wie Sicherheit, Leistung und Verlässlichkeit der eigenen CloudOfferten und keilte einmal mehr gegen die Konkurrenz aus. Wieder nahm er Amazon Web Services (AWS) aufs Korn.
Unübertroffen in Sachen Sicherheit, Leistung und Kosteneinsparungen – so pries Oracle-Gründer und Chief Technology Officer (CTO) Lawrence Ellison zum Auftakt der Kundenkonferenz OpenWorld in San Francisco die neue Generation der eigenen Cloud-Infrastruktur an. Während die erste Cloud-Generation auf mittlerweile veralteten Technologien basiere, sei die „Gen 2 Cloud“von Oracle speziell auf Unternehmensanforderungen zugeschnitten. Ellison sprach insbesondere über den Stand der Verteidigung gegen Cyber-Attacken, die seiner Meinung nach bisher „einfach nicht gut genug ist“.
Oracles Security-Dienste für die eigene Cloud-Infrastruktur funktionierten hochgradig automatisiert, warb Ellison. Bedrohungen und Versuche, Daten zu stehlen, würden frühzeitig erkannt und verhindert. Außerdem ließen sich Security-Updates automatisch im laufenden Betrieb einspielen, um das Sicherheitsniveau kontinuierlich hoch zu halten. „Wir nutzen aktuellste KI- und Machine-Learning-Technologien“, sagt Oracles Cheftechnologe. Es gehe darum, Bedrohungen aufzuspüren und auszuschalten, um die Cloud gegen Hacker und Angreifer zu schützen: „Unsere Robots gegen ihre Robots.“
Oracle kündigte auf der OpenWorld verschiedene neue Security-Features an. Dazu zählt beispielsweise ein Key-Management-Service (KMS). Dabei handelt es sich um ein spezielles Hardwaremodul, mit dessen Hilfe Anwenderunternehmen ihre Keys für die Datenverschlüsselung managen können. Eine neue Version des Cloud Access Security Broker (CASB) soll Kunden das Monitoring ihrer Sicherheitskonfiguration leichter machen. Zudem hat Oracle eine Web Application Firewall (WAF) vorgestellt, die den Internet-Verkehr gegen alle möglichen Angriffe wie auch Distributed-Denial-of-Service-(DDoS-)Attacken absichern soll.
Wer die neuen Sicherheits- und Automatisierungs-Features nutzen möchte, muss sich allerdings weitgehend von Oracle-Technologien abhängig machen. Ellison betonte, dass nur die Oracle-Cloud dafür ausgelegt sei, auch die eigene autonome Datenbank zu betreiben. Der Oracle-Gründer stellte in San Francisco außerdem neue Bezugsmodelle für die Cloud-Datenbank vor. Kunden könnten beispielsweise dedizierte Exadata-Server in der Oracle-Cloud ordern, um die eigenen Workloads isoliert auf abgeschotteten Systemen zu betreiben. Dies erhöhe die Sicherheit und Verfügbarkeit gerade von Business-kritischen Workloads, argumentierte Ellison. Mit der „Autonomous Database Cloud at Customer“stehe Anwendern zudem die Option offen, die autonome Datenbank im eigenen Rechenzentrum laufen zu lassen. Das gelte etwa für Unternehmen, die aufgrund von regulatorischen Vorschriften keine PublicCloud-Infrastrukturen nutzen dürften.
Ellison verglich das Oracle-Cloud-Angebot mit dem der Konkurrenz und ließ dabei kein gutes Haar an den Wettbewerbern – vor allem nicht an Amazon Web Services (AWS). Es gebe jede Menge Clouds draußen im Markt. Diese seien jedoch nicht für Enterprise-Anforderungen ausgelegt. Die Cloud-Datenbank von AWS setzte der Oracle-Manager mit einem halbautonom fahrenden Auto gleich: „Sie steigen ein, fahren los und sterben.“Die Oracle-Datenbank funktioniere dagegen voll autonom: „Hier muss keiner sterben.“
Ellison betonte darüber hinaus, dass CloudAnwender in der Lage sein sollten, ihre Daten in die Cloud hinein- und wieder hinauszubewegen: „Bei Amazon bringt man seine Daten hinein, und das war es.“Kritik übte der Manager ferner an dem Cloud-Datenbank-Portfolio von AWS. Während Oracles Cloud-Datenbank in der Lage sei, gemischte Workloads zu verarbeiten, müssten AWS-Kunden auf verschiedene Cloud-Angebote zurückgreifen: „Redshift“für Data-Warehouse-Funktionen und „Aurora“für transaktionale Prozesse.
Bis dato scheinen Ellisons Angriffe allerdings wirkungslos zu verpuffen. Erst Anfang August hatten die Analysten von Gartner einen aktuellen Bericht zur Entwicklung des Infrastructure-as-a-Service-(IaaS-)Markts in der Public Cloud vorgestellt. Demzufolge legten die weltweiten IaaS-Geschäfte 2017 im Vergleich zum Vorjahr um knapp 30 Prozent auf ein Volumen von fast 23,6 Milliarden Dollar zu. Unangefochtener Marktführer bleibt dabei AWS. Der Oracle-Konkurrent konnte seinen Umsatz um 25 Prozent auf rund 12,2 Milliarden Dollar steigern und kam auf einen Marktanteil von fast 52 Prozent. Das bedeutet einen deutlichen Vorsprung auf die Verfolger Microsoft (13,3 Prozent), Alibaba (4,6 Prozent) und Google (3,3 Prozent). Oracle taucht in dem Ranking nicht als eigenständiger Cloud-Anbieter auf.
Probleme im Cloud-Geschäft?
Tatsächlich mutmaßen einige Analysten, dass Oracle mit Problemen in seinem Cloud-Business kämpft. Sie monieren, dass der Konzern mit seinen kürzlich geänderten Bilanzierungspraktiken versuche, seine Cloud-Zahlen zu verschleiern, um enttäuschende Wachstumsraten verborgen zu halten. Listete Oracle bis zum dritten Quartal des Finanzjahrs 2018 noch dediziert die Einnahmen mit SaaS- sowie zusammengefasst mit PaaS- und IaaS-Angeboten auf, verschwanden die Cloud-Umsätze im Bericht zum vierten Fiskalquartal in dem Posten „Cloud Services and License Support“– also Cloud-Einnahmen plus dem für Oracle wichtigen Umsatzbringer Wartung und Support für herkömmliche On-Premise-Lizenzen. Den Löwenanteil am Oracle-Geschäft machen weiter die klassischen On-Premise-Lizenzeinnahmen aus, die allerdings laufend zurückgehen oder stagnieren, sowie der Wartungs- und SupportUmsatz, der kontinuierlich leicht zulegen konnte. Beide Posten standen in den vergangenen Quartalen für rund zwei Drittel des Oracle-Umsatzes (zwischen 65 und 69 Prozent), wobei die klassische Wartung mit 45 bis 54 Prozent vom Gesamtumsatz nach wie vor die wichtigste Säule im Oracle-Business bildet.
Kunden würden bestehende Lizenzen weiter in der Cloud nutzen, hatte Oracles Co-CEO Safra Catz die veränderte Bilanzierung zu rechtfertigen versucht. Damit fielen weiterhin Wartungsgebühren an, aber eigentlich handele es sich bereits um Cloud-Geschäft. Vorwürfe, Oracle verstecke seine Cloud-Zahlen, um Schwächen in diesem Geschäftsbereich zu vertuschen, wies die Oracle-Managerin zurück.
Viele Analysten fragen sich indes weiter, wie gut oder schlecht es um Oracles Cloud-Geschäft bestellt sei. Schließlich konnte der Konzern, der die Cloud lange als vorübergehendes Phänomen abgetan hatte und erst mit großer Verspätung gestartet war, bereits in den zurückliegenden Quartalen wiederholt die hochgesteckten Erwartungen an sein CloudBusiness nicht erfüllen. Man könne davon ausgehen, dass sich das Cloud-Wachstum auf einem bestimmten Niveau eingependelt habe, während die klassischen On-Premise-Umsätze weiter zurückgingen, äußerte vor Kurzem Angela Eager, Research Director bei TechmarketView. Den Mangel an Cloud-Transparenz bezeichnete die Analystin als frustrierend. Cloud- und On-Premise-Umsätze nicht zu
trennen stehe im Widerspruch zur bisherigen Berichterstattung sowie den Gepflogenheiten der Wettbewerber im Softwaremarkt. „Es scheinen die falschen Wolken über Oracle zu hängen“, konstatierte die Analystin.
Bei Oracle hängt der Haussegen schief
Das zeigen auch andere Vorkommnisse in der Konzernzentrale in Redwood City, Kalifornien. Für Irritationen sorgte dort zuletzt der Abgang von Thomas Kurian, President für den Bereich Produktentwicklung bei Oracle und damit auch verantwortlich für die Cloud-Lösungen. „Thomas ist ein guter Kerl, der hart arbeitet“, sagte Oracle-Co-CEO Mark Hurd Anfang September. „Er hat eine Pause eingelegt, und wir erwarten ihn zurück.“Insider gingen jedoch schon damals davon aus, dass sich Kurian endgültig von Oracle verabschiedet habe. Darauf deutete der Ton einer E-Mail Kurians an seine Mitarbeiter hin, aus der die Finanznachrichtenagentur „Bloomberg“zitierte. „Inzwischen haben viele von Ihnen gehört, dass ich mich entschieden habe, eine längere Auszeit von Oracle zu nehmen“, hieß es dort. „Ich bin so sehr stolz auf alles, was wir zusammen erreicht haben und so dankbar, dass ich die Gelegenheit hatte, Ihnen auf dieser Reise zu helfen. Ich werde Sie nie vergessen, und ich wünsche jedem von Ihnen das Beste für die Zukunft.“
Diese Vermutungen bewahrheiteten sich wenige Wochen später. Ende September erklärte Oracle kurz angebunden in einer Mitteilung an die US-Börsenaufsicht, Kurian habe das Unternehmen verlassen, um andere Möglichkeiten auszuloten. Seine Aufgaben und Verantwortlichkeiten würden an andere Manager in der Produktentwicklung verteilt.
Der 51-jährige Kurian arbeitete seit 1996 bei Oracle und war seit 2015 verantwortlich für die Produktentwicklung. In dieser Position unterstanden ihm rund 35.000 Mitarbeiter. Er berichtete direkt an Firmengründer und CTO Ellison. Spekulationen zufolge soll es zwischen beiden Managern Streit über den zukünftigen Cloud-Kurs gegeben haben. Demzufolge habe Kurian dafür plädiert, Oracle-Software mehr für die Cloud-Infrastrukturplattformen von Wettbewerbern wie Amazon Web Services (AWS) und Microsoft Azure zu öffnen und damit die Basis für das eigene Cloud-Geschäft zu verbreitern. Dem wollte Ellison offenbar nicht folgen. Der Oracle-Gründer setzt alles auf die eigene Cloud-Karte. „Es mag sein, dass wir im Cloud-Infrastruktur-Markt vom Anteil her hinter Amazon zurückliegen“, räumte Ellison kürzlich ein. „Aber wir sind weit voraus, was die Technik betrifft.“Der Manager prognostizierte, Oracle werde sehr schnell Marktanteile im Geschäft mit Cloud-Infrastruktur dazugewinnen.
Die Vorzeichen dafür stehen allerdings alles andere als gut. Derzeit buhlen alle großen Cloud-Anbieter um einen Mega-Deal des USamerikanischen Verteidigungsministeriums. Zehn Milliarden Dollar winken demjenigen, der den Auftrag für die Joint Enterprise Defense Infrastructure (Jedi) gewinnt. Favorit ist gegenwärtig AWS. Oracle hat sich allerdings schon bitterlich beschwert. Ein für die Landesverteidigung so wichtiger Auftrag dürfe keinem Anbieter allein anvertraut werden. Außerdem sei die Ausschreibung deutlich auf das Cloud-Angebot von AWS zugeschnitten worden, klagt der Datenbankspezialist, der in Sachen Cloud wieder einmal abgehängt zu werden droht.