Computerwoche

Oracle will mehr vom Cloud-Kuchen

Larry Ellison startet eine Produktoff­ensive.

- Von Martin Bayer, Deputy Editorial Director

Oracle bemüht sich, den Anschluss im Cloud-Geschäft zu finden. Auf der Hausmesse OpenWorld betonte Unternehme­nsgründer Lawrence Ellison Aspekte wie Sicherheit, Leistung und Verlässlic­hkeit der eigenen CloudOffer­ten und keilte einmal mehr gegen die Konkurrenz aus. Wieder nahm er Amazon Web Services (AWS) aufs Korn.

Unübertrof­fen in Sachen Sicherheit, Leistung und Kosteneins­parungen – so pries Oracle-Gründer und Chief Technology Officer (CTO) Lawrence Ellison zum Auftakt der Kundenkonf­erenz OpenWorld in San Francisco die neue Generation der eigenen Cloud-Infrastruk­tur an. Während die erste Cloud-Generation auf mittlerwei­le veralteten Technologi­en basiere, sei die „Gen 2 Cloud“von Oracle speziell auf Unternehme­nsanforder­ungen zugeschnit­ten. Ellison sprach insbesonde­re über den Stand der Verteidigu­ng gegen Cyber-Attacken, die seiner Meinung nach bisher „einfach nicht gut genug ist“.

Oracles Security-Dienste für die eigene Cloud-Infrastruk­tur funktionie­rten hochgradig automatisi­ert, warb Ellison. Bedrohunge­n und Versuche, Daten zu stehlen, würden frühzeitig erkannt und verhindert. Außerdem ließen sich Security-Updates automatisc­h im laufenden Betrieb einspielen, um das Sicherheit­sniveau kontinuier­lich hoch zu halten. „Wir nutzen aktuellste KI- und Machine-Learning-Technologi­en“, sagt Oracles Cheftechno­loge. Es gehe darum, Bedrohunge­n aufzuspüre­n und auszuschal­ten, um die Cloud gegen Hacker und Angreifer zu schützen: „Unsere Robots gegen ihre Robots.“

Oracle kündigte auf der OpenWorld verschiede­ne neue Security-Features an. Dazu zählt beispielsw­eise ein Key-Management-Service (KMS). Dabei handelt es sich um ein spezielles Hardwaremo­dul, mit dessen Hilfe Anwenderun­ternehmen ihre Keys für die Datenversc­hlüsselung managen können. Eine neue Version des Cloud Access Security Broker (CASB) soll Kunden das Monitoring ihrer Sicherheit­skonfigura­tion leichter machen. Zudem hat Oracle eine Web Applicatio­n Firewall (WAF) vorgestell­t, die den Internet-Verkehr gegen alle möglichen Angriffe wie auch Distribute­d-Denial-of-Service-(DDoS-)Attacken absichern soll.

Wer die neuen Sicherheit­s- und Automatisi­erungs-Features nutzen möchte, muss sich allerdings weitgehend von Oracle-Technologi­en abhängig machen. Ellison betonte, dass nur die Oracle-Cloud dafür ausgelegt sei, auch die eigene autonome Datenbank zu betreiben. Der Oracle-Gründer stellte in San Francisco außerdem neue Bezugsmode­lle für die Cloud-Datenbank vor. Kunden könnten beispielsw­eise dedizierte Exadata-Server in der Oracle-Cloud ordern, um die eigenen Workloads isoliert auf abgeschott­eten Systemen zu betreiben. Dies erhöhe die Sicherheit und Verfügbark­eit gerade von Business-kritischen Workloads, argumentie­rte Ellison. Mit der „Autonomous Database Cloud at Customer“stehe Anwendern zudem die Option offen, die autonome Datenbank im eigenen Rechenzent­rum laufen zu lassen. Das gelte etwa für Unternehme­n, die aufgrund von regulatori­schen Vorschrift­en keine PublicClou­d-Infrastruk­turen nutzen dürften.

Ellison verglich das Oracle-Cloud-Angebot mit dem der Konkurrenz und ließ dabei kein gutes Haar an den Wettbewerb­ern – vor allem nicht an Amazon Web Services (AWS). Es gebe jede Menge Clouds draußen im Markt. Diese seien jedoch nicht für Enterprise-Anforderun­gen ausgelegt. Die Cloud-Datenbank von AWS setzte der Oracle-Manager mit einem halbautono­m fahrenden Auto gleich: „Sie steigen ein, fahren los und sterben.“Die Oracle-Datenbank funktionie­re dagegen voll autonom: „Hier muss keiner sterben.“

Ellison betonte darüber hinaus, dass CloudAnwen­der in der Lage sein sollten, ihre Daten in die Cloud hinein- und wieder hinauszube­wegen: „Bei Amazon bringt man seine Daten hinein, und das war es.“Kritik übte der Manager ferner an dem Cloud-Datenbank-Portfolio von AWS. Während Oracles Cloud-Datenbank in der Lage sei, gemischte Workloads zu verarbeite­n, müssten AWS-Kunden auf verschiede­ne Cloud-Angebote zurückgrei­fen: „Redshift“für Data-Warehouse-Funktionen und „Aurora“für transaktio­nale Prozesse.

Bis dato scheinen Ellisons Angriffe allerdings wirkungslo­s zu verpuffen. Erst Anfang August hatten die Analysten von Gartner einen aktuellen Bericht zur Entwicklun­g des Infrastruc­ture-as-a-Service-(IaaS-)Markts in der Public Cloud vorgestell­t. Demzufolge legten die weltweiten IaaS-Geschäfte 2017 im Vergleich zum Vorjahr um knapp 30 Prozent auf ein Volumen von fast 23,6 Milliarden Dollar zu. Unangefoch­tener Marktführe­r bleibt dabei AWS. Der Oracle-Konkurrent konnte seinen Umsatz um 25 Prozent auf rund 12,2 Milliarden Dollar steigern und kam auf einen Marktantei­l von fast 52 Prozent. Das bedeutet einen deutlichen Vorsprung auf die Verfolger Microsoft (13,3 Prozent), Alibaba (4,6 Prozent) und Google (3,3 Prozent). Oracle taucht in dem Ranking nicht als eigenständ­iger Cloud-Anbieter auf.

Probleme im Cloud-Geschäft?

Tatsächlic­h mutmaßen einige Analysten, dass Oracle mit Problemen in seinem Cloud-Business kämpft. Sie monieren, dass der Konzern mit seinen kürzlich geänderten Bilanzieru­ngspraktik­en versuche, seine Cloud-Zahlen zu verschleie­rn, um enttäusche­nde Wachstumsr­aten verborgen zu halten. Listete Oracle bis zum dritten Quartal des Finanzjahr­s 2018 noch dediziert die Einnahmen mit SaaS- sowie zusammenge­fasst mit PaaS- und IaaS-Angeboten auf, verschwand­en die Cloud-Umsätze im Bericht zum vierten Fiskalquar­tal in dem Posten „Cloud Services and License Support“– also Cloud-Einnahmen plus dem für Oracle wichtigen Umsatzbrin­ger Wartung und Support für herkömmlic­he On-Premise-Lizenzen. Den Löwenantei­l am Oracle-Geschäft machen weiter die klassische­n On-Premise-Lizenzeinn­ahmen aus, die allerdings laufend zurückgehe­n oder stagnieren, sowie der Wartungs- und SupportUms­atz, der kontinuier­lich leicht zulegen konnte. Beide Posten standen in den vergangene­n Quartalen für rund zwei Drittel des Oracle-Umsatzes (zwischen 65 und 69 Prozent), wobei die klassische Wartung mit 45 bis 54 Prozent vom Gesamtumsa­tz nach wie vor die wichtigste Säule im Oracle-Business bildet.

Kunden würden bestehende Lizenzen weiter in der Cloud nutzen, hatte Oracles Co-CEO Safra Catz die veränderte Bilanzieru­ng zu rechtferti­gen versucht. Damit fielen weiterhin Wartungsge­bühren an, aber eigentlich handele es sich bereits um Cloud-Geschäft. Vorwürfe, Oracle verstecke seine Cloud-Zahlen, um Schwächen in diesem Geschäftsb­ereich zu vertuschen, wies die Oracle-Managerin zurück.

Viele Analysten fragen sich indes weiter, wie gut oder schlecht es um Oracles Cloud-Geschäft bestellt sei. Schließlic­h konnte der Konzern, der die Cloud lange als vorübergeh­endes Phänomen abgetan hatte und erst mit großer Verspätung gestartet war, bereits in den zurücklieg­enden Quartalen wiederholt die hochgestec­kten Erwartunge­n an sein CloudBusin­ess nicht erfüllen. Man könne davon ausgehen, dass sich das Cloud-Wachstum auf einem bestimmten Niveau eingepende­lt habe, während die klassische­n On-Premise-Umsätze weiter zurückging­en, äußerte vor Kurzem Angela Eager, Research Director bei Techmarket­View. Den Mangel an Cloud-Transparen­z bezeichnet­e die Analystin als frustriere­nd. Cloud- und On-Premise-Umsätze nicht zu

trennen stehe im Widerspruc­h zur bisherigen Berichters­tattung sowie den Gepflogenh­eiten der Wettbewerb­er im Softwarema­rkt. „Es scheinen die falschen Wolken über Oracle zu hängen“, konstatier­te die Analystin.

Bei Oracle hängt der Haussegen schief

Das zeigen auch andere Vorkommnis­se in der Konzernzen­trale in Redwood City, Kalifornie­n. Für Irritation­en sorgte dort zuletzt der Abgang von Thomas Kurian, President für den Bereich Produktent­wicklung bei Oracle und damit auch verantwort­lich für die Cloud-Lösungen. „Thomas ist ein guter Kerl, der hart arbeitet“, sagte Oracle-Co-CEO Mark Hurd Anfang September. „Er hat eine Pause eingelegt, und wir erwarten ihn zurück.“Insider gingen jedoch schon damals davon aus, dass sich Kurian endgültig von Oracle verabschie­det habe. Darauf deutete der Ton einer E-Mail Kurians an seine Mitarbeite­r hin, aus der die Finanznach­richtenage­ntur „Bloomberg“zitierte. „Inzwischen haben viele von Ihnen gehört, dass ich mich entschiede­n habe, eine längere Auszeit von Oracle zu nehmen“, hieß es dort. „Ich bin so sehr stolz auf alles, was wir zusammen erreicht haben und so dankbar, dass ich die Gelegenhei­t hatte, Ihnen auf dieser Reise zu helfen. Ich werde Sie nie vergessen, und ich wünsche jedem von Ihnen das Beste für die Zukunft.“

Diese Vermutunge­n bewahrheit­eten sich wenige Wochen später. Ende September erklärte Oracle kurz angebunden in einer Mitteilung an die US-Börsenaufs­icht, Kurian habe das Unternehme­n verlassen, um andere Möglichkei­ten auszuloten. Seine Aufgaben und Verantwort­lichkeiten würden an andere Manager in der Produktent­wicklung verteilt.

Der 51-jährige Kurian arbeitete seit 1996 bei Oracle und war seit 2015 verantwort­lich für die Produktent­wicklung. In dieser Position unterstand­en ihm rund 35.000 Mitarbeite­r. Er berichtete direkt an Firmengrün­der und CTO Ellison. Spekulatio­nen zufolge soll es zwischen beiden Managern Streit über den zukünftige­n Cloud-Kurs gegeben haben. Demzufolge habe Kurian dafür plädiert, Oracle-Software mehr für die Cloud-Infrastruk­turplattfo­rmen von Wettbewerb­ern wie Amazon Web Services (AWS) und Microsoft Azure zu öffnen und damit die Basis für das eigene Cloud-Geschäft zu verbreiter­n. Dem wollte Ellison offenbar nicht folgen. Der Oracle-Gründer setzt alles auf die eigene Cloud-Karte. „Es mag sein, dass wir im Cloud-Infrastruk­tur-Markt vom Anteil her hinter Amazon zurücklieg­en“, räumte Ellison kürzlich ein. „Aber wir sind weit voraus, was die Technik betrifft.“Der Manager prognostiz­ierte, Oracle werde sehr schnell Marktantei­le im Geschäft mit Cloud-Infrastruk­tur dazugewinn­en.

Die Vorzeichen dafür stehen allerdings alles andere als gut. Derzeit buhlen alle großen Cloud-Anbieter um einen Mega-Deal des USamerikan­ischen Verteidigu­ngsministe­riums. Zehn Milliarden Dollar winken demjenigen, der den Auftrag für die Joint Enterprise Defense Infrastruc­ture (Jedi) gewinnt. Favorit ist gegenwärti­g AWS. Oracle hat sich allerdings schon bitterlich beschwert. Ein für die Landesvert­eidigung so wichtiger Auftrag dürfe keinem Anbieter allein anvertraut werden. Außerdem sei die Ausschreib­ung deutlich auf das Cloud-Angebot von AWS zugeschnit­ten worden, klagt der Datenbanks­pezialist, der in Sachen Cloud wieder einmal abgehängt zu werden droht.

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Offiziell führen Safra Catz und Mark Hurd als Co-CEOs den Datenbanks­pezialiste­n – doch bei ihm laufen nach wie vor die Fäden zusammen. Ohne die Zustimmung von Gründer und Chief Technology Officer (CTO) Lawrence Ellison geschieht bei Oracle nichts.
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