Die Stunde der Wahrheit für IBM
Jahrelang war IBM mit sich selbst beschäftigt, jetzt meldet sich der IT-Riese mit der Übernahme von Red Hat zurück – und geht dabei aufs Ganze. Chance und Risiko halten sich die Waage.
IBM hat in den vergangenen Jahren viel unternommen, um sich neu aufzustellen. Nicht profitable Bereiche wurden abgestoßen, strategisch vielverspechende Geschäftsfelder auf- und ausgebaut. Der Erfolg hielt sich in Grenzen, aber eines gelang IBM immer: profitabel zu wirtschaften. Die Kassen waren auch bei stagnierenden Geschäften stets gut gefüllt. Diesen Trumpf hat der einstige Branchenführer jetzt ausgespielt und die größte Softwareübernahme in der IT-Geschichte in die Wege geleitet (siehe Seite 8).
34 Milliarden Dollar für ein Unternehmen hinzublättern, das gerade einmal 2,9 Milliarden Dollar Jahresumsatz und 260 Millionen Dollar Gewinn macht, ist eine Menge Holz. Doch nur auf die Zahlen zu schauen, greift in diesem Fall zu kurz. Red Hat ist ein Schlüsselspieler in der Open-Source-Szene und hat großen Einfluss auf Projekte wie Linux, Kubernetes oder auch Java. Mit OpenShift hat das Unternehmen zudem eine Anwendungsentwicklungs-Plattform geschaffen, mit der sich Container- und Microservices-Architekturen umsetzen und CloudMigrationen in Angriff nehmen lassen.
Mit der Übernahme von Red Hat hat die fast vergessene IBM alle Chancen, ins Blickfeld der IT-Organisationen zurückzukehren. Dort arbeiten viele Spezialisten längst mit den Produkten, für die Red Hat steht und an denen seine Mitarbeiter in den zahlreichen Open-Source-Communities aktiv mitarbeiten.
Bei allen Übernahmen sind die unterschiedlichen Unternehmenskulturen das größte Risiko. Das trifft in diesem Fall besonders zu. Es wird darauf ankommen, dass IBM Unterschiede akzeptiert und den Red-HatExperten Luft zum Atmen lässt. Wir werden sehen.
Herzlich, Ihr Heinrich Vaske, Editorial Director