So digitalisieren Hidden Champions
IDG-Studie zeigt die Vorlieben wenig bekannter Weltmarktführer.
Auch die im Verborgenen arbeitenden Weltmarktführer werden durch die Digitalisierung herausgefordert. Das hat eine Studie von IDG Research Services gezeigt. Ihre Transformation ist kein Selbstläufer.
In der gemeinsamen Studie „Hidden Champions – Champions der digitalen Transformation?“haben IDG Research Services und das Hidden Champions Institute an der ESMT Berlin den Status quo der Digitalisierung in deutschen Unternehmen untersucht. Demnach liegen Hidden Champions in vielen Bereichen zwar vor „normalen“KMU (kleine und mittlere Unternehmen), aber in einigen Belangen auch hinter den großen Konzernen.
„Heimliche Gewinner“oder „unbekannte Weltmarktführer“hat Deutschland einige zu bieten, je nach Messlatte dürfte es hierzulande zwischen 1000 und 1500 Hidden Champions geben. Der Begriff kam Anfang der 1990er Jahre auf und beschreibt Unternehmen, die ihren Markt anführen, weniger als fünf Milliarden Euro Umsatz pro Jahr erzielen und dennoch einen relativ geringen Bekanntheitsgrad aufwei- sen. Zu den weiteren Kriterien zählen ein überdurchschnittliches Umsatzwachstum sowie maximal 10.000 Mitarbeiter. Die Mehrheit dieser „Perlen“ist in der Industrie angesiedelt, vorzugsweise im Maschinenbau oder in der Elektronikbranche. Alle vereint: Die Digitalisierung macht auch vor ihnen nicht halt.
Individuelle Wege finden
In der Studie wurde untersucht, wie es um die digitale Transformation dieser Firmen bestellt ist. Als Vergleichsgruppen dienten „reguläre“Mittelständler und Big Player. Wichtigste Erkenntnis vorab: Allein aus der Zuordnung zum elitären Zirkel der Hidden Champions auf eine besonders hervorgehobene Position bei der Digitalisierung zu schließen, ist nicht gerechtfertigt. Erstens ist die Transformation kein Wettlauf mit einem Sieger, zweitens liegen die Kennzahlen von Hidden Champions tendenziell zwischen kleinen und großen Unternehmen, und drittens lassen sich Hidden Champions nicht über einen Kamm scheren. Schließlich ist jede Organisation gefordert, einen individuellen Weg in die digitale Zukunft zu finden.
Dass rund 90 Prozent der Hidden Champions bereits die Anfangsphase ihrer digitalen Entwicklung hinter sich gelassen haben, ist ein gutes Zeichen. Mehr als ein Viertel verfolgt dabei eine detaillierte Strategie, knapp die Hälfte orientiert sich an einem eher groben Digitalisierungsplan. Somit kommen die Hidden Champions auf einen höheren digitalen Reifegrad als KMU, liegen aber zum Teil deutlich hinter Konzernen zurück. Gleichstand gibt es bei der Zufriedenheit mit dem Verlauf der Transformation: Insgesamt zufrieden sind 71 Prozent der Big Player und ebenso viele Hidden Champions, jedoch nur etwa die Hälfte der KMU.
Insgesamt halten sich zehn Prozent der Konzerne, aber nur 2,5 Prozent der Hidden Champions für „allerbestens für die digitale Zukunft aufgestellt“. Untermauert wird die Zurückhal-
tung – nicht umsonst ist man „Hidden“– durch die Frage nach dem eigenen Selbstverständnis. Demnach bezeichnet sich knapp ein Viertel der Big Player als „First Mover“, sechs Prozentpunkte mehr als bei den Hidden Champions. Unter diesen machen die „Fast Follower“die Mehrheit aus, deren Mantra lautet: „Wir sind nicht die Pioniere, verlieren aber auch keine Zeit.“So punkten sie folgerichtig bei den zentralen Handlungsfeldern der digitalen Transformation: Hier ist die IT für Hidden Champions am wichtigsten, ebenso die Digitalisierung der Bereiche Vertrieb, Fertigung, Marketing sowie Forschung und Entwicklung. In diesen kritischen Feldern ist der Druck zum Wandel teilweise deutlich höher als bei Konzernen und KMU.
Diese Haltung zeigt sich ebenfalls beim Kundenfokus – ein Thema, das auf der Digitalisierungsagenda traditionell weit oben rangiert. In der Frage nach den kundenseitigen Prozessen als zentrale Handlungsfelder des Wandels liegen Hidden Champions knapp vor den Big Playern und teils deutlich vor den KMU. Das bezieht sich vor allem auf die Nutzung und den Kauf ihrer Produkte oder Services. Die Einbindung der Kunden in die Transformation wird hingegen von Konzernen mit stärkerem Nachdruck verfolgt. Daumenregel: Je größer das Unternehmen, desto enger ist die umfassende Absprache mit Kunden für die Digitalisierung. Gerade der Kundenfokus ist jedoch eine traditionelle Stärke der Hidden Champions, und es ist notwendig, diese Bindung auch in einer stärker digitalisierten Welt zu gewährleisten.
Herausforderungen für Hidden Champions
Allerdings gibt es auf dem Weg zur Digitalisierung ein paar Stolpersteine für die versteckten Marktführer. In technologischer Hinsicht bemängeln immerhin 31 Prozent von ihnen die fehlende Möglichkeit, Daten auszuwerten. Konzerne und KMU kommen hier gerade einmal auf 18 beziehungsweise 19 Prozent. Zudem
zählen relativ viele Hidden Champions die fehlende (interne) Offenheit für den digitalen Wandel zu den organisatorischen Herausforderungen. Laut Studie klagen 42 Prozent über ein stark ausgeprägtes Silodenken in ihrer Organisation und treiben damit den Durchschnitt in die Höhe. Zum Vergleich: KMU kommen auf lediglich 23 Prozent, Big Player auf 28 Prozent. Schaut man auf Maßnahmen zum Aufbrechen von Silos, um Innovationen anzutreiben, deutet sich an, dass man offenbar lieber in seiner Komfortzone verweilt: Lediglich jeder vierte Hidden Champion investiert in Co-Working Spaces, gegenüber 45 Prozent der Big Player. Und bei Methoden wie Jobrotation oder Jobshadowing sind Hidden Champions gerade einmal Durchschnitt. Erschwerend hinzu kommt eine gering ausgeprägte Bereitschaft zur Veränderung in kultureller Hinsicht, die immerhin von 54 Prozent der Befragten genannt wird.
Leichter Talente gewinnen?
Angesichts des medialen Dauerthemas „Fachkräftemangel“überrascht es etwas, dass im Durchschnitt zwei Drittel aller Firmen der Meinung sind, zumindest eher gute Chancen zu haben, die so dringend benötigten digitalen Fachkräfte zu gewinnen. Bei Konzernen sind dies sogar über 80 Prozent. KMU hängen mit ihrer Einschätzung in Summe deutlich zurück, Hidden Champions liegen knapp unter dem Durchschnitt und weit hinter den Big Playern. Das Adjektiv „Hidden“und ein breiter Bekanntheitsgrad als attraktiver Arbeitgeber lassen sich nur schwer in Einklang bringen. Kein Wunder, dass Hidden Champions und Big Player nach neuen Mitarbeitern gerne in fremden Revieren suchen – nicht nur bei Mitbewerbern, sondern auch in fremden Branchen.
Unter dem Strich sehen sich drei von vier Hidden Champions als Gewinner der (globalen) digitalen Transformation. Ein paar Prozentpunkte optimistischer sind die Konzerne, während KMU ihre Zukunft verhaltener einschätzen. Rund 40 Prozent der heimlichen Marktführer spüren eine (eher bis sehr) große Gefahr, dass ihr Unternehmen in den nächsten Jahren infolge der globalen digitalen Transformation seine exponierte Stellung im Markt verlieren könnte. Damit sind sie optimistischer als Konzerne: Von denen sieht mehr als die Hälfte in der Digitalisierung eine Gefahr.
Nach den Ergebnissen der Studie sind die Hidden Champions auf einem guten Weg. Grund zur Euphorie besteht indes nicht, schließlich sind noch einige Hausaufgaben in organisatorischer Hinsicht zu erledigen. Hidden Champion bleibt, wer die Herausforderung der digitalen Transformation annimmt und im Sinne traditioneller Stärken bewältigt. Produktqualität, Kundennähe, Servicebereitschaft und Innovationskraft sind schließlich keine analogen, sondern universelle Tugenden.