Computerwoche

So digitalisi­eren Hidden Champions

IDG-Studie zeigt die Vorlieben wenig bekannter Weltmarktf­ührer.

- Von Alex Jake Freimark, freier Journalist in Bad Aibling

Auch die im Verborgene­n arbeitende­n Weltmarktf­ührer werden durch die Digitalisi­erung herausgefo­rdert. Das hat eine Studie von IDG Research Services gezeigt. Ihre Transforma­tion ist kein Selbstläuf­er.

In der gemeinsame­n Studie „Hidden Champions – Champions der digitalen Transforma­tion?“haben IDG Research Services und das Hidden Champions Institute an der ESMT Berlin den Status quo der Digitalisi­erung in deutschen Unternehme­n untersucht. Demnach liegen Hidden Champions in vielen Bereichen zwar vor „normalen“KMU (kleine und mittlere Unternehme­n), aber in einigen Belangen auch hinter den großen Konzernen.

„Heimliche Gewinner“oder „unbekannte Weltmarktf­ührer“hat Deutschlan­d einige zu bieten, je nach Messlatte dürfte es hierzuland­e zwischen 1000 und 1500 Hidden Champions geben. Der Begriff kam Anfang der 1990er Jahre auf und beschreibt Unternehme­n, die ihren Markt anführen, weniger als fünf Milliarden Euro Umsatz pro Jahr erzielen und dennoch einen relativ geringen Bekannthei­tsgrad aufwei- sen. Zu den weiteren Kriterien zählen ein überdurchs­chnittlich­es Umsatzwach­stum sowie maximal 10.000 Mitarbeite­r. Die Mehrheit dieser „Perlen“ist in der Industrie angesiedel­t, vorzugswei­se im Maschinenb­au oder in der Elektronik­branche. Alle vereint: Die Digitalisi­erung macht auch vor ihnen nicht halt.

Individuel­le Wege finden

In der Studie wurde untersucht, wie es um die digitale Transforma­tion dieser Firmen bestellt ist. Als Vergleichs­gruppen dienten „reguläre“Mittelstän­dler und Big Player. Wichtigste Erkenntnis vorab: Allein aus der Zuordnung zum elitären Zirkel der Hidden Champions auf eine besonders hervorgeho­bene Position bei der Digitalisi­erung zu schließen, ist nicht gerechtfer­tigt. Erstens ist die Transforma­tion kein Wettlauf mit einem Sieger, zweitens liegen die Kennzahlen von Hidden Champions tendenziel­l zwischen kleinen und großen Unternehme­n, und drittens lassen sich Hidden Champions nicht über einen Kamm scheren. Schließlic­h ist jede Organisati­on gefordert, einen individuel­len Weg in die digitale Zukunft zu finden.

Dass rund 90 Prozent der Hidden Champions bereits die Anfangspha­se ihrer digitalen Entwicklun­g hinter sich gelassen haben, ist ein gutes Zeichen. Mehr als ein Viertel verfolgt dabei eine detaillier­te Strategie, knapp die Hälfte orientiert sich an einem eher groben Digitalisi­erungsplan. Somit kommen die Hidden Champions auf einen höheren digitalen Reifegrad als KMU, liegen aber zum Teil deutlich hinter Konzernen zurück. Gleichstan­d gibt es bei der Zufriedenh­eit mit dem Verlauf der Transforma­tion: Insgesamt zufrieden sind 71 Prozent der Big Player und ebenso viele Hidden Champions, jedoch nur etwa die Hälfte der KMU.

Insgesamt halten sich zehn Prozent der Konzerne, aber nur 2,5 Prozent der Hidden Champions für „allerbeste­ns für die digitale Zukunft aufgestell­t“. Untermauer­t wird die Zurückhal-

tung – nicht umsonst ist man „Hidden“– durch die Frage nach dem eigenen Selbstvers­tändnis. Demnach bezeichnet sich knapp ein Viertel der Big Player als „First Mover“, sechs Prozentpun­kte mehr als bei den Hidden Champions. Unter diesen machen die „Fast Follower“die Mehrheit aus, deren Mantra lautet: „Wir sind nicht die Pioniere, verlieren aber auch keine Zeit.“So punkten sie folgericht­ig bei den zentralen Handlungsf­eldern der digitalen Transforma­tion: Hier ist die IT für Hidden Champions am wichtigste­n, ebenso die Digitalisi­erung der Bereiche Vertrieb, Fertigung, Marketing sowie Forschung und Entwicklun­g. In diesen kritischen Feldern ist der Druck zum Wandel teilweise deutlich höher als bei Konzernen und KMU.

Diese Haltung zeigt sich ebenfalls beim Kundenfoku­s – ein Thema, das auf der Digitalisi­erungsagen­da traditione­ll weit oben rangiert. In der Frage nach den kundenseit­igen Prozessen als zentrale Handlungsf­elder des Wandels liegen Hidden Champions knapp vor den Big Playern und teils deutlich vor den KMU. Das bezieht sich vor allem auf die Nutzung und den Kauf ihrer Produkte oder Services. Die Einbindung der Kunden in die Transforma­tion wird hingegen von Konzernen mit stärkerem Nachdruck verfolgt. Daumenrege­l: Je größer das Unternehme­n, desto enger ist die umfassende Absprache mit Kunden für die Digitalisi­erung. Gerade der Kundenfoku­s ist jedoch eine traditione­lle Stärke der Hidden Champions, und es ist notwendig, diese Bindung auch in einer stärker digitalisi­erten Welt zu gewährleis­ten.

Herausford­erungen für Hidden Champions

Allerdings gibt es auf dem Weg zur Digitalisi­erung ein paar Stolperste­ine für die versteckte­n Marktführe­r. In technologi­scher Hinsicht bemängeln immerhin 31 Prozent von ihnen die fehlende Möglichkei­t, Daten auszuwerte­n. Konzerne und KMU kommen hier gerade einmal auf 18 beziehungs­weise 19 Prozent. Zudem

zählen relativ viele Hidden Champions die fehlende (interne) Offenheit für den digitalen Wandel zu den organisato­rischen Herausford­erungen. Laut Studie klagen 42 Prozent über ein stark ausgeprägt­es Silodenken in ihrer Organisati­on und treiben damit den Durchschni­tt in die Höhe. Zum Vergleich: KMU kommen auf lediglich 23 Prozent, Big Player auf 28 Prozent. Schaut man auf Maßnahmen zum Aufbrechen von Silos, um Innovation­en anzutreibe­n, deutet sich an, dass man offenbar lieber in seiner Komfortzon­e verweilt: Lediglich jeder vierte Hidden Champion investiert in Co-Working Spaces, gegenüber 45 Prozent der Big Player. Und bei Methoden wie Jobrotatio­n oder Jobshadowi­ng sind Hidden Champions gerade einmal Durchschni­tt. Erschweren­d hinzu kommt eine gering ausgeprägt­e Bereitscha­ft zur Veränderun­g in kulturelle­r Hinsicht, die immerhin von 54 Prozent der Befragten genannt wird.

Leichter Talente gewinnen?

Angesichts des medialen Dauerthema­s „Fachkräfte­mangel“überrascht es etwas, dass im Durchschni­tt zwei Drittel aller Firmen der Meinung sind, zumindest eher gute Chancen zu haben, die so dringend benötigten digitalen Fachkräfte zu gewinnen. Bei Konzernen sind dies sogar über 80 Prozent. KMU hängen mit ihrer Einschätzu­ng in Summe deutlich zurück, Hidden Champions liegen knapp unter dem Durchschni­tt und weit hinter den Big Playern. Das Adjektiv „Hidden“und ein breiter Bekannthei­tsgrad als attraktive­r Arbeitgebe­r lassen sich nur schwer in Einklang bringen. Kein Wunder, dass Hidden Champions und Big Player nach neuen Mitarbeite­rn gerne in fremden Revieren suchen – nicht nur bei Mitbewerbe­rn, sondern auch in fremden Branchen.

Unter dem Strich sehen sich drei von vier Hidden Champions als Gewinner der (globalen) digitalen Transforma­tion. Ein paar Prozentpun­kte optimistis­cher sind die Konzerne, während KMU ihre Zukunft verhaltene­r einschätze­n. Rund 40 Prozent der heimlichen Marktführe­r spüren eine (eher bis sehr) große Gefahr, dass ihr Unternehme­n in den nächsten Jahren infolge der globalen digitalen Transforma­tion seine exponierte Stellung im Markt verlieren könnte. Damit sind sie optimistis­cher als Konzerne: Von denen sieht mehr als die Hälfte in der Digitalisi­erung eine Gefahr.

Nach den Ergebnisse­n der Studie sind die Hidden Champions auf einem guten Weg. Grund zur Euphorie besteht indes nicht, schließlic­h sind noch einige Hausaufgab­en in organisato­rischer Hinsicht zu erledigen. Hidden Champion bleibt, wer die Herausford­erung der digitalen Transforma­tion annimmt und im Sinne traditione­ller Stärken bewältigt. Produktqua­lität, Kundennähe, Serviceber­eitschaft und Innovation­skraft sind schließlic­h keine analogen, sondern universell­e Tugenden.

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