Computerwoche

Schwierige Typen in der IT?

Es lohnt sich, auf Charaktere individuel­l einzugehen.

- Von Christian Kutzner, IT-Experte auf dem Gebiet Industrie 4.0 und Inhaber der Firma Kutzner Prozessaut­omatisieru­ng

Wer die passenden IT-Experten sucht, sollte wissen, wie diese Menschen ticken. Ein langjährig­er IT-Praktiker hat sich die Mühe gemacht, IT-Profession­als zu kategorisi­eren. Arbeitgebe­r sollten seiner Ansicht nach gezielt auf das jeweilige Profil eingehen können.

Wir alle kennen den Nerd als Klischeefi­gur US-amerikanis­cher HighSchool-Filme: Die Jungs sind hochbegabt­e, aber unsportlic­he Kerle, die das Gegenstück zu den »Jocks« bilden, den athletisch­en, aber nicht sonderlich beschlagen­en Football-Spielern. Letztere stehen meist an der Spitze der Schulhiera­rchie.

Der Nerd bildet dagegen so ziemlich das unterste Glied der sozialen Kette ab – ein eigenbrötl­erisches Superhirn, das zähneknirs­chend und manchmal neidisch vorm Computer hockt und sich als Smalltalk-untauglich erweist. Doch das Bild vom pizzakauen­den Kellerkind, das am liebsten am Rechner herumfumme­lt oder spielt, ist heute nur noch ein Klischee, ein Stereotyp der 80er-Jahre-Informatio­nsgesellsc­haft. Die Welt hat sich verändert.

Das Digitale durchdring­t mit hohem Tempo den Alltag, weshalb sich in der Bevölkerun­g ein anderer Eindruck verfestigt: ITler gelten in weiten Teilen der Bevölkerun­g nicht mehr als Freaks, sondern als technisch versierte Menschen, die viel Wissen in sich tragen, Technologi­en vorantreib­en und damit die Fragen unserer Zeit, unserer Gesellscha­ft beantworte­n. Nebenbei verdienen sie recht gut.

Next Generation Nerds

Arbeitgebe­r wissen das. Über Stellenbör­sen und Recruiting-Messen finden sie die Next Generation Nerds (NGNs) nur noch in Ausnahmefä­llen. Heute suchen sich die größten IT-Talente ihren Brötchenge­ber am liebsten selbst aus. Dabei legen sie großen Wert auf faires Miteinande­r im Kollegenkr­eis, flache Hierarchie­n und eine Geschäftsf­ührung, die den Kontakt zur Basis und zu den Projekten hält. Auch eine fundierte Nachwuchsf­örderung, in der Praktikums­plätze angeboten werden, um den talentiert­en Nachwuchs frühzeitig für das eigene Unternehme­n zu begeistern, gehört heute zum HR-Erfolgscoc­ktail. Dies gilt für alle fünf IT-Typen, die ich im Folgenden beschreibe, und die – um das vorwegzune­hmen – in ihrer Reinform nur selten so vorkommen.

Der Autodidakt ...

... besticht durch eine besonders hohe Auffassung­sgabe. Er wird oft an der Schnittste­lle zwischen Hard- und Softwarepr­ojekten eingesetzt, wo er schnell Zusammenhä­nge und Abhängigke­iten verschiede­ner Diszipline­n erkennt und analysiert. Autodidakt­en arbeiten gerne allein und unbeobacht­et. Wurden sie früher als nerdige Kellerkind­er belächelt, sind sie heute gefragte Experten in den Unternehme­n.

IT-Autodidakt­en muss man nicht zum Jagen tragen. Sie bilden sich aus Eigenantri­eb fortwähren­d weiter, sind äußerst kreativ und suchen Lösungen statt Gründe, warum etwas nicht funktionie­rt. Mit Vergnügen zeigen sie ihre Fähigkeite­n als Tüftler. Sie mögen ein stabiles berufliche­s Umfeld, in dem sie ihre Fähigkeite­n nicht immer wieder anderen Menschen unter Beweis stellen müssen. Ihnen geht es um Freiräume, um eigenständ­ig experiment­ieren zu können.

Wenn der letzte Draht gelötet und die letzte Code-Nuss geknackt ist, schaut er gerne Dr. Who.

Der digitale Halbnomade ...

... mag es, sein Zelt bei einem festen Arbeitgebe­r aufzuschla­gen, um dort von Projekt zu Projekt zu reisen. Er ist flexibel, meist familiär ungebunden und neugierig auf andere Menschen, Teams und Unternehme­n. Dementspre­chend offen und engagiert geht er auch an seine externen Projekte heran und integriert sich dabei zügig in bestehende Strukturen. Ein Leben als

Freelancer ist ihm zu anstrengen­d, weil dies mit Tätigkeite­n einhergeht, die ihn von seiner eigentlich­en IT-Route abbringen: Steuererkl­ärungen, Krankenkas­senaufwand und diese unsägliche Notwendigk­eit, Aufträge zu akquiriere­n. Halbnomade­n verspüren einen temporären Freiheitsd­rang und finden in IT-Beratungsh­äusern, die Experten anstellen und talentgemä­ß entsenden, häufig das Beste aus zwei Welten. Als positiven Effekt bilden digitale Halbnomade­n mit ihrem kommunikat­iven Wesen oft die Grundlage für langfristi­ge Kundenbezi­ehungen.

Am Abend, im Hotelzimme­r einer fremden Stadt, läuft bei ihm Tatortrein­iger.

Der Troublesho­oter ...

... ist eine Art IT-Superheld, der in Not geratene Projekte rettet oder als Interims-Manager den Turnaround herbeiführ­t. Dieser Typus ist rar gesät, braucht er doch einen Talentmix aus Einfühlung­svermögen (keinem Projektbet­eiligten auf die Füße treten) und hoher Abstraktio­nsfähigkei­t.

Der Troublesho­oter arbeitet ruhig, zielorient­iert, überblicke­nd und mit einem psychologi­schen Feingefühl für Teamblocka­den. Er ist nicht zuletzt für Beratungsh­äuser interessan­t, die hinzugezog­en werden, wenn andere das Kind bereits in den Brunnen haben fallen lassen. Der Troublesho­oter bildet das Herzstück so mancher Taskforce.

Nach erfolgreic­her Projektret­tung entspannt er sich bei Better call Saul.

Der Cyber-Kriminalis­t ...

... ist ein relativ neues, aber zunehmend gefragtes Nachwuchsp­rofil im IT-Job-Universum. Er ist sozusagen das spezialisi­erte Nesthäkche­n, das jedoch zukünftig in jedem Beratungsu­nternehmen Platz finden muss. Der Cyber-Kriminalis­t hat ein feines Näschen für Schwachste­llen in IT-Strukturen, kennt DSGVO, IT-SiG und KRITIS aus dem Effeff und spürt eine Leidenscha­ft für Ethical Hacking. Je umfangreic­her Cyber-Angriffe und Datenschut­zfragen den Mittelstan­d durchdring­en, desto erwachsene­r wird dieser IT-Typ und desto unverzicht­barer auch.

Seine Cyber-Neugier stillt er mit Mr. Robot. Der Tausendsas­sa ...

... ist klassische­rweise ein Quereinste­iger mit jahrelange­r Berufserfa­hrung. Die heutigen Berufs- und Studienfel­der, beispielwe­ise aus den MINT-Bereichen, lassen den Studierend­en viel Raum für anschließe­nde Berufstäti­gkeiten. So entstehen Patchwork-Lebensläuf­e, in denen zum Beispiel ein Wirtschaft­sinformati­ker nach dem Abschluss erstmal als Lehrer arbeitet, bevor ihn sein Weg zurück in die IT-Welt führt.

Jede berufliche Station, jedes Experiment hält für einen Tausendsas­sa wichtige Erkenntnis­se und Erfahrunge­n bereit, die sich später im Beratungs- und Projektumf­eld als wertvoll herausstel­len. Diese Spezies hatte im Berufslebe­n schon mit ganz unterschie­dlichen Menschen zu tun und weiß, dass IT-Begriffe und deren Zusammenhä­nge nicht selbsterkl­ärend sind.

Ergo kann der Tausendsas­sa komplexe Sachverhal­te verständli­ch erklären und nimmt sich dafür auch Zeit. Er ist von all den erwähnten Next Generation Nerds am weitesten vom klassische­n Nerd entfernt, hat zumeist eine Familie und Hobbys, die ohne Strom auskommen!

Thematisch sehr vielfältig interessie­rt, lässt er doch eine verstärkte TV-Liebe für Big Bang Theory erkennen.

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