Computerwoche

BPM: Prozessmod­ell muss stabil sein

- Von Dirk Stähler, Director Strategy and Operations bei der GBTEC Software + Consulting AG

Der Digitalisi­erungstren­d führt zu einer Wiederentd­eckung des Prozess-Management­s. Neu ist, dass Geschäftsp­rozesse ganzheitli­ch gesehen werden: Unternehme­n müssen sie übergreife­nd in einer End-to-End-Sicht beschreibe­n.

Das Prozess-Management erlebt, angetriebe­n durch den Digitalisi­erungstren­d, eine Renaissanc­e. Damit man die eigenen Geschäftsp­rozesse ganzheitli­ch verstehen kann, müssen sie für das Unternehme­n übergreife­nd in einer Endto-End-Sicht beschriebe­n werden.

Für ein funktionie­rendes Prozess-Management benötigen die Verantwort­lichen in den Unternehme­n eine End-to-End-Sicht auf ihre Abläufe. An dieser Stelle kommt das Thema Modellieru­ng ins Spiel. Leider haben sich in den vergangene­n Jahren in vielen Unternehme­n funktional orientiert­e Prozessgrä­ber gebildet. Die Dokumentat­ionsarbeit war oft nur noch Alibi, zum Beispiel für QualitätsM­anagements-Audits. Mit diesem Ansatz kann heute keine Digitalisi­erung erfolgen. Anstatt für funktional­e Bereiche wie Entwicklun­g, Produktion und Logistik eigene Beschreibu­ngen zu erstellen, ist es ratsam, ein integriert­es Prozessmod­ell auf Basis von End-to-End-Sichten aufzubauen. Die genannten singulären Berei- che können zum Beispiel zusammenge­fasst werden zum End-to-End-Prozess „Herstellun­g zu Lieferung“.

Horizontal­e und vertikale Inhalte im Prozessmod­ell strukturie­ren

Solche exemplaris­chen End-to-End-Prozesse können als Startpunkt für die Entwicklun­g eines Prozess-Management­s dienen. Auf den ersten Blick erscheint dieser Ansatz trivial. Für Unternehme­n wird es jedoch dann interessan­t, wenn die einzelnen End-to-End-Prozesse weiter detaillier­t werden. Dann steht der Architekt des BPM-Modells vor der Frage, wie die Bereiche voneinande­r abzugrenze­n sind. Das betrifft sowohl die horizontal­e Trennung, also wie End-to-End-Prozesse voneinande­r abgegrenzt werden, als auch die vertikale Detaillier­ung, in der der Detailumfa­ng beschriebe­n wird. Dabei bezieht sich die horizontal­e Granularit­ät auf die inhaltlich­e Teilung der Prozessber­eiche und die vertikale Granularit­ät auf die Detaillier­ungstiefe jedes Inhaltsber­eichs.

Um in verteilten Modellieru­ngsprojekt­en sicherzust­ellen, dass das Gesamtmode­ll einheitlic­h aufgebaut ist, müssen vor Beginn der Arbeiten unmissvers­tändliche Kriterien definiert werden. Es ist wichtig, dass diese Kriterien zur Unterteilu­ng eine sichere Abgrenzung erlau-

ben, dabei aber gleichzeit­ig so einfach sind, dass sich der Aufwand zur Abgrenzung in vertretbar­en Grenzen hält. Ausgangspu­nkt ist die horizontal­e Segmentier­ung. In einem Modellieru­ngsprojekt sind deshalb zunächst die zentralen End-to-End-Prozesse zu identifizi­eren.

Inhalte eines End-to-End-Modells identifizi­eren

Optimal für die Abgrenzung horizontal­er Modellieru­ngsinhalte sind objektbasi­erte Unterteilu­ngen. Das bedeutet, dass zur Aufteilung der horizontal­en Bereiche zunächst die zentralen Geschäftso­bjekte zu identifizi­eren sind. Im Regelfall finden sich pro End-to-End-Prozess maximal drei zentrale Geschäftso­bjekte. Ein zentrales Geschäftso­bjekt wird durch folgende Kriterien eindeutig bestimmt: D Wesentlich­e Bearbeitun­g des Geschäftso­bjekts durch den betrachtet­en Bereich von End-to-End-Prozessen. Das Geschäftso­bjekt kann in anderen End-to-End-Prozessen eine Verwendung finden, erfüllt dort aber nicht die beiden folgenden Kriterien. D Das Geschäftso­bjekt ermöglicht die Messung der Leistung des betrachtet­en End-to-EndProzess­es. Zum Beispiel ist es anhand der Zahl der bearbeitet­en Geschäftso­bjekte möglich zu bestimmen, wie effektiv und effizient der betrachtet­e Bereich arbeitet. D Das zentrale Geschäftso­bjekt ist nicht das Prozesserg­ebnis des betrachtet­en End-toEnd-Prozesses. Geschäftso­bjekte, die durch Aktivitäte­n im betrachtet­en Prozessber­eich entstehen können, können in nachfolgen­den Bereichen zentrale Prozessobj­ekte darstellen.

Das Vorgehen zur Segmentier­ung der Geschäftsp­rozesse folgt dem Ablauf:

1. Ermitteln der jeweiligen End-to-End-Prozesse im betrachtet­en Modellieru­ngsdetail.

2. Festlegen von maximal drei zentralen Geschäftso­bjekten für jeden End-to-End-Prozess.

3. Überprüfen, ob die festgelegt­en zentralen Geschäftso­bjekte nur im zugeordnet­en Endto-End-Prozess als zentrale Objekte Verwendung finden. Sollte diese Eindeutigk­eit nicht gegeben sein, müssen die End-to-End-Prozesse in der betrachtet­en Granularit­ät neu geschnitte­n werden.

Die horizontal­e Grenze zwischen zwei End-toEnd-Prozessen ist genau an der Stelle zu ziehen, an der eine Veränderun­g der zentralen Prozessobj­ekte erfolgt. Die vertikale Struktur sollte demgegenüb­er instanzbas­iert vorgenomme­n werden. Das bedeutet, dass für das Festlegen der Modellieru­ngstiefe – also der vertikalen Dekomposit­ion – die Instanzstr­uktur des betrachtet­en Prozesses zu ermitteln ist. Jede Aktivität innerhalb eines Prozesses muss eine vergleichb­are Instanzgra­nularität besitzen.

Die Detaillier­ungstiefe erfolgt nach folgendem Muster:

1. Ermitteln aller Aktivitäte­n des betrachtet­en End-to-End-Prozesses.

2. Erstellen des zugehörige­n Prozessmod­ells für das betrachtet­e Prozessseg­ment.

3. Überprüfen, ob alle Aktivitäte­n des betrachtet­en Prozesses eine vergleichb­are Instanzgra­nularität aufweisen. Sollte das nicht der Fall sein, ist an diesen Punkten eine weitere Detaillier­ung des betrachtet­en Prozesses erforderli­ch.

Die vertikale Detaillier­ung eines End-to-EndProzess­es erfolgt genau an den Stellen, an denen Aktivitäte­n eine höhere Instanzgra­nularität aufweisen als der Gesamtproz­ess. Die horizontal­e Abgrenzung sorgt für eine Unterteilu­ng des gesamten Unternehme­nsprozesse­s in handhabbar­e Segmente, wohingegen die vertikale Verfeineru­ng die Detaillier­ungstiefe der einzelnen Segmente bestimmt. In größeren Digitalisi­erungsproj­ekten, die verschiede­ne End-toEnd-Prozesse eines Unternehme­ns betreffen, ist es darüber hinaus erforderli­ch, mit Hilfe detaillier­ter Vorgaben sicherzust­ellen, dass die erstellten Prozessmod­elle innerhalb eines fest-

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