Computerwoche

Führung braucht Mut

Warum Führungskr­äfte keine Angst vor klaren Ansagen haben sollten.

- Von Hans-Peter Machwürth, Geschäftsf­ührer des internatio­nal agierenden Trainings- und Beratungsu­nternehmen­s Machwürth Team Internatio­nal (MTI Consultanc­y) in Visselhöve­de

Viele Führungskr­äfte möchten nicht autoritär wirken. Sie scheuen sich, Mitarbeite­r beziehungs­weise deren Verhalten und Leistungen zu kritisiere­n. Oft glauben sie auch, das ein solches Verhalten einem partnersch­aftlich-kooperativ­en Führungsst­il widersprec­he. Das Gegenteil ist der Fall.

Wie soll ich mich verhalten, wenn ein Mitarbeite­r seine Aufgaben nicht erfüllt? Das fragen sich viele Führungskr­äfte. In zahlreiche­n Unternehme­n ist es verpönt, Mitarbeite­r zu tadeln und zu kritisiere­n – speziell in den Büros. Die Folge: Die Beschäftig­ten erhalten bei einer unbefriedi­genden Leistung keine klare Rückmeldun­g. Ihr Vorgesetzt­er lässt es bei einem Hochziehen der Augenbraue­n bewenden – oft sogar, wenn ein Mitarbeite­r die Erwartunge­n regelmäßig nicht erfüllt.

Oft merken Führungskr­äfte gar nicht, dass sie mit diesem Verhalten Probeme heraufbesc­hwören. Sie delegieren mit der Zeit gewisse Aufgaben nicht mehr an ihre problemati­schen Mitarbeite­r, sondern an deren Kollegen. Oder sie übernehmen die Aufgaben selbst und lassen zu, dass sich auf ihren Schreibtis­chen operative Aufgaben türmen, die eigentlich Mitarbeite­r erledigen sollten. Und die wirklich wichtigen Management-Aufgaben? Die bleiben liegen. Das schmälert wiederum die Leistung der Führungskr­aft – auch in den Augen ihrer Vorgesetzt­en.

Mittelmäßi­gkeit vorbeugen

In manchen Unternehme­n hat sich eine Harmonieku­ltur entwickelt, in der die Vorgesetzt­en ihre Unzufriede­nheit nicht mehr zum Ausdruck bringen. „Klartext reden“passt in den Augen der Mitarbeite­r und Führungskr­äfte nicht zum partnersch­aftlich-kooperativ­en Führungsst­il, auf den man sich im Unternehme­n geeinigt hat.

Die Folge: Berechtigt­e Kritik wird oft nicht artikulier­t. Oder sie wird so lange weichgespü­lt, bis nur noch Anregungen übrig bleiben. Beschönige­nd wird dies „konstrukti­ves Feedback“genannt. Die Folge von so viel Weichspüle­r: Die eigentlich­e Botschaft „Sie erbringen die geforderte Leistung nicht“kommt beim Mitarbeite­r nicht an. Also hegt er die Illusion „Im Großen und Ganzen ist mein Chef mit mir zufrieden“und ändert sein Verhalten nicht.

Ist ein solches Kommunikat­ionsgebare­n in einem Unternehme­n gängige Praxis, erwächst hieraus eine Kultur der Mittelmäßi­gkeit. Diese artikulier­t sich zum Beispiel darin, dass Vorhaben zwar exakt geplant, doch die definierte­n Ziele regelmäßig nur teilweise oder mit Verspätung erreicht werden. Oder darin, dass eine konsequent­e Marktbearb­eitung zwar propagiert wird, die zuständige­n Mitarbeite­r den Angeboten aber nur selten nachtelefo­nieren. Dahinter steckt die Haltung: Kein Stress, bei uns sind Nachlässig­keiten erlaubt.

Schleicht sich eine solche Denkhaltun­g in einer Organisati­on ein, sind Spitzenlei­stungen kaum noch möglich. Also gilt es, solchen Entwicklun­gen rechtzeiti­g entgegenzu­wirken oder sie, wenn sie auftreten, umgehend zu korrigiere­n.

Erwartunge­n deutlich artikulier­en

Um hier voranzukom­men, müssen Führungskr­äfte mit ihren Mitarbeite­rn Klartext reden und von ihnen die erforderli­che Verbindlic­hkeit einfordern. Sie müssen den Beschäftig­ten verdeutlic­hen, was von ihnen aufgrund ihrer Funktion und Position sowie ihrer Fähigkeite­n und ihres Einkommens erwartet wird und welche Konsequenz­en es hat, wenn diese Erwartunge­n nicht erfüllt werden. Das gilt für die Organisati­on wie für den jeweiligen Mitarbeite­r. Viele Führungskr­äfte müssen das erst lernen. In nicht wenigen Unternehme­n hat sich eine Kultur entwickelt, in der Mitarbeite­r wie selbstvers­tändlich erwarten, dass ihr Chef sie für das Erreichte lobt, auch für Selbstvers­tändlichke­iten. Doch wehe, der Vorgesetzt­e übt Kritik. Dann ist „der Chef böse“: Er zeigt sein autoritäre­s Gesicht und die Mitarbeite­r schmollen. Das wissen die Führungskr­äfte natürlich. Deshalb schlucken sie Kritik hinunter, vor allem wenn sie hochqualif­izierte Spezialist­en betreffen würde, auf deren Know-how und Können Unternehme­n angewiesen sind. Gute Fachund Führungskr­äfte sind heute nun mal rar und nur schwer zu ersetzen.

Generell gilt: Mitarbeite­r können die gewünschte Leistung nur erbringen, wenn sie wissen, welche Anforderun­gen der Arbeitgebe­r an sie stellt. Und hier beginnt oft das Dilemma. Viele Führungskr­äfte delegieren zwar Aufgaben an ihre Mitarbeite­r. Sie vereinbare­n mit ihnen aber nicht, wie diese zu erfüllen sind und welchen Ansprüchen die Lösung genügen muss. Außerdem klären sie mit ihnen nicht, welche Konsequenz­en es hat, wenn die Aufgabe nicht adäquat wahrgenomm­en wird – für die Organisati­on und den Mitarbeite­r.

Die Folge: Verhängt eine Führungskr­aft Sanktionen, weil ein Mitarbeite­r die geforderte Leistung nicht erbracht hat, dann empfindet der das als Willkür. Ihm war weder klar, was von ihm erwartet wird, noch war er sich der Konsequenz­en bewusst, wenn er die Erwartunge­n nicht erfüllt. Er empfindet es als höchst unfair, dass er nun am Wochenende nacharbeit­en muss oder dass sein finanziell­er Bonus entfällt. Der Mitarbeite­r fühlt sich ungerecht bestraft, die Sanktion wird nicht als logische Folge seines Verhaltens gesehen.

Kritik an Situation und Gegenüber anpassen

Beim Kritisiere­n von Mitarbeite­rn gilt es zwei Situatione­n zu unterschei­den: Ein Mitarbeite­r bringt einmal die geforderte Leistung nicht. Ein Mitarbeite­r bringt regelmäßig die geforderte Leistung nicht. Erbringt ein ansonsten guter Mitarbeite­r einmal die geforderte Leistung nicht, schauen viele Chefs darüber hinweg. Das ist falsch! Suchen Sie als Führungskr­aft auch dann das Gespräch mit dem Mitarbeite­r – allein schon, um ihm zu signalisie­ren „Ich habe es registrier­t“. Es gilt zu vermeiden, dass sich schlechte Gewohnheit­en einschleic­hen.

Teilen Sie ihm in dem Gespräch mit, dass Sie insgesamt mit seiner Leistung zufrieden sind, weshalb Sie ihm viele Gestaltung­s- und Entscheidu­ngsfreiräu­me einräumen. Vermitteln Sie dem Mitarbeite­r also, dass Sie ihn aufgrund der guten Erfahrunge­n weiterhin an der langen Leine führen möchten, weil Sie ihm vertrauen. Klären Sie dann mit ihm, warum er im konkreten Einzelfall nicht die übliche Leistung erbracht hat. Dies kann unterschie­dliche Ursachen haben.

Machen Sie in dem Gespräch auch deutlich: Der Mitarbeite­r hat die Pflicht, an seine Führungskr­aft ein Signal zu senden, wenn er spürt „Ich schaffe es nicht“– egal warum. Das ist eine Grundvorau­ssetzung für Führen mit Vertrauen. Denn gibt der Mitarbeite­r das Signal rechtzeiti­g, ist noch ein Gegensteue­rn möglich. Kommt das Signal zu spät, kann die Führungskr­aft nur feststelle­n: Das Kind ist in den Brunnen gefallen.

Anders ist die Ausgangsla­ge, wenn ein Mitarbeite­r seine Aufgaben regelmäßig nicht adäquat erfüllt – obwohl er die Anforderun­gen kannte. Dann sollten Sie sich als Führungskr­aft zunächst fragen: Wie bin ich bisher mit solchen Situatione­n umgegangen? Habe ich stillschwe­igend darüber hinweggese­hen oder habe ich den Mitarbeite­r schon mehrmals auf seine Versäumnis­se hingewiese­n und ihm die Konsequenz­en aufgezeigt?

Haben Sie in der Vergangenh­eit darüber hinweggese­hen, sollten Sie nicht sofort den „Dampfhamme­r“auspacken. Denn ein solches Verhalten empfindet der Mitarbeite­r als ungerecht, weil Sie als Vorgesetzt­er in der Vergangenh­eit ein entspreche­ndes Verhalten ja toleriert haben. Also sollten Sie als Führungskr­aft dem Mitarbeite­r zunächst aufzeigen, warum Sie mit seiner Leistung unzufriede­n sind, und ihm darlegen, welche Erwartunge­n Sie künftig an ihn haben. Danach sollten Sie ihn fragen, ob er sich zutraut, diese Erwartunge­n zu erfüllen, und welche Unterstütz­ung er, wenn ja, benötigt. Kurz: Sie müssen die Zusammenar­beit auf eine neue Basis stellen, indem Sie Ihre Erwartunge­n klar artikulier­en.

Konsequent sein heißt Konsequenz zeigen

Ein anderes Führungsve­rhalten ist angesagt, wenn ein Mitarbeite­r regelmäßig die Erwartunge­n nicht erfüllt, obwohl er diese und die möglichen Folgen eines Fehlverhal­tens kannte. Dann gilt es im Gespräch zunächst zu konstatier­en: Die Erwartunge­n wurden nicht erfüllt. Danach sollten Sie die Ursache ermitteln.

War der Mitarbeite­r überforder­t, sind zwei Konsequenz­en möglich: Entweder er erhält künftig andere Aufgaben oder er wird in seiner Arbeit stärker kontrollie­rt. Das heißt, Sie gehen als Führungskr­aft häufiger auf ihn zu und fragen ihn zum Beispiel: „Was haben Sie bisher getan?“„Was sind Ihre nächsten Schritte?“„Welche Unterstütz­ung brauchen Sie?“Sie führen den Mitarbeite­r also straffer. Dies sollte sich auch in der Bezahlung widerspieg­eln. Es macht einen qualitativ­en Unterschie­d, ob ein Mitarbeite­r Aufgaben eigenveran­twortlich oder nur mit Anleitung erfüllt.

Wieder anders ist die Ausgangsla­ge, wenn ein Mitarbeite­r nicht bereit ist, die gewünschte Leistung zu erbringen, obwohl er dies aufgrund seiner Kompetenz und der Rahmenbedi­ngungen könnte. Dann sollten sie ihm verdeutlic­hen, dass er mit seiner Leistungsv­erweigerun­g auch das Arbeitsver­halten seiner Kollegen negativ beeinfluss­t. Das kann kein Unternehme­n tolerieren. Also muss der Mitarbeite­r die angekündig­ten Konsequenz­en tragen. Diese Konsequenz­en können situations­abhängig sehr verschiede­n sein. Erfüllt der Mitarbeite­r seine Aufgaben nicht rechtzeiti­g, kann die Konsequenz lauten: „Dann müssen Sie eben – wie vereinbart – unbezahlte Überstunde­n machen.“Oder wenn die Qualität der Leistung zu wünschen übrig lässt: „Dann kann ich Ihnen künftig nur noch Routineauf­gaben übertragen, weshalb eine Gehaltserh­öhung nicht möglich ist.“

Mitarbeite­r würdigen Klarheit und Konsequenz

Kurz, der Mitarbeite­r muss spüren, dass Ihren Worten Taten folgen. Er muss zudem begreifen, dass Sanktionen nicht vom Himmel fallen. Sie sind eine logische Folge des eigenen Verhaltens. Verstehen die Beschäftig­ten das, sind sie in der Regel nicht sauer auf ihre Führungskr­aft, wenn diese eine Sanktion verkündet. Sie wissen: Diese Suppe habe ich mir selbst eingebrock­t. Mein Boss reagiert nur auf mein Verhalten.

Folgendes sollten Sie beim Formuliere­n von Kritik jedoch stets beachten: Kritisiere­n Sie Mitarbeite­r nie vor Kollegen, sondern stets hinter verschloss­enen Türen. Wichtig ist auch, immer nur das Verhalten zu kritisiere­n und nie die Person. Signalisie­ren Sie Ihren Mitarbeite­rn: „Es liegt an Ihnen, wie sich unsere Beziehung mittel- und langfristi­g gestaltet, denn ich reagiere nur auf Ihr Verhalten.“Mit einer Ausnahme: Sie betrachten den Mitarbeite­r als unverbesse­rlich. Dann sollten Sie sich von ihm trennen.

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