Anwender begrüßen den Software-Ausverkauf bei IBM
IBM veräußert seine Softwareprodukte Domino, Notes, Verse, Sametime, Connections und andere für 1,8 Milliarden Dollar an HCL Technologies. Für den Notes-User-Group DNUG e.V. ist das ein Grund zum Feiern.
Ende vergangener Woche hatten IBM und HCL Technologies gemeinsam angekündigt, dass die Collaboration-Lösungen des Armonker IT-Giganten – also im Wesentlichen die Notes/Domino-Plattform und die Collaboration-Lösung Connections – für 1,8 Milliarden Dollar an den indischen IT-Dienstleister HCL abgegeben werden sollen. Entwicklung und Support von Notes sind schon seit 2017 in der Hand der Inder, gerade erst stellten die Hersteller gemeinsam Notes V10, Domino V10, Verse on Premises 1.0.5 und Verse Mobile 9.5.1 vor. Die jetzt angekündigte Softwaretransaktion soll Mitte nächsten Jahres über die Bühne gehen, sofern die Kartellbehörden ihre Zustimmung erteilen.
Bei der DNUG, der deutschen Vereinigung der Anwender von IBM-Collaboration-Produkten, ist Erleichterung spürbar. „Jeder, der in die Leidensgeschichte der Notes/ Verse/DominoCommunity eingebunden ist, kann angesichts der neuen Tatsachen aufatmen“, heißt es in einer Mitteilung des Vereins. Anders als unter den Fittichen der IBM werde nun nicht mehr eine einseitige „Fixierung auf Renditen“, sondern der Kundennutzen vorangestellt. HCL hatte mit dem Launch von Domino V10 an Glaubwürdigkeit gewonnen.
Für IBM wurde Notes immer lästiger
Die Anwender kritisieren, dass IBM dem Collaboration-Portfolio schon länger nicht mehr die nötige Aufmerksamkeit geschenkt habe – „auch zum Leidwesen der eigenen Angestellten“, heißt es süffisant. Stattdessen habe der Konzern sein Produktportfolio in den letzten Jahren „auf Integration gebürstet“, Themen wie künstliche Intelligenz (KI), Hybrid Cloud, Cybersecurity, Analytics, Blockchain und auch industriespezifische Lösungen ständen bei IBM im Vordergrund.
Gerade weil IBM die Lotus-Produkte stiefmütterlich behandelt habe, sei aber eine weltweit lebhafte Anwenderszene entstanden, die das Produktangebot zu schätzen wisse und gemeinsam permanent daran arbeite, die technischen Möglichkeiten auszuloten. IBMs Spezialisten, die Business-Partner und auch die Kunden seien seit Jahren dabei, unter dem Dach der DNUG ihre Ideen zu diskutieren und umzusetzen. „Mit dem Release von Domino V10 wurde die erste Tranche des Innovationsstaus abgelöst“, schreibt die DNUG, „HCL bekommt nun zu Weihnachten die weit größere Chance, noch frischeren Wind in weite Teile des ICS-Portfolios (ICS = IBM Collaboration Solutions, Anm. d. Red.) zu bringen.“
Vergangene Woche hatten IBM und HCL Technologies bekannt gegeben, dass folgende sieben Softwareprodukte an HCL verkauft werden: Appscan für sichere Softwareentwicklung, BigFix für sicheres System-Management, Unica (on Premise) für Marketing-Automation,
Commerce (on Premise) für Omni-ChannelE-Commerce, IBM Portal (on Premise) für „Digital Experience“, Notes & Domino für E-Mail, Low-Code und Rapid Application Development sowie Connections für Collaboration.
„Wir glauben, es ist ein guter Zeitpunkt, uns von diesen ausgewählten Collaboration-, Marketing- und Commerce-Softwarelösungen zu trennen“, kommentierte John Kelly, IBMs Senior Vice President Cognitive Solutions und Research. Meist habe es sich um aufwendig zu pflegende Stand-alone-Produkte gehandelt, außerdem sei HCL gut positioniert, um hier Innovationen und Kundennutzen voranzutreiben.
HCL auf Softwarekurs
C Vijayakumar, President und CEO von HCL Technologies, zeigte sich erfreut, marktrelevante Produkte in Wachstumsmärkten wie Security, Marketing und Commerce zukaufen zu können. Für den indischen IT-Riesen handele es sich um strategische Marktsegmente.
„Viele dieser Produkte werden von den Kunden sehr geschätzt und werden von Industrieanalysten im Quadranten der Marktführer gelistet.“
Der Deal ist der größte, den ein indisches ITUnternehmen jemals abgeschlossen hat. Anders als das HCL-Management zeigte sich die Börse nicht begeistert von der Transaktion: Die HCL-Aktie brach nach der Bekanntgabe um knapp acht Prozent ein. Analysten hatten kritisiert, dass HCL bereits eine Partnerschaft mit IBM unterhalten habe, weshalb diese Ausgaben unnötig gewesen seien. Außerdem seien die Produkte, die überwiegend in der Mitte oder am Ende ihres Lifecycles ständen, viel zu teuer gewesen. HCL müsse nun viel Geld in ihren Erhalt investieren.
Bei IBM werden die Produkte noch in der Unternehmenssparte Cognitive Solutions geführt und stehen dort für einen Jahresumsatz von über einer Milliarde Dollar. Allerdings war der Umsatz zuletzt eher rückläufig, so dass Big Blue nun davon ausgeht, in diesem Unternehmensbereich wieder in die Wachstumsspur zu kommen – wenngleich auf niedrigerem Umsatzniveau.