Computerwoche

Mit KI und Big Data wird Medizin smart und persönlich

Digitale Technologi­en krempeln den Medizinsek­tor um. Zwar ersetzen KI und Big Data/Analytics noch nicht den Arzt, aber sie ermögliche­n personalis­ierte Behandlung­smethoden, die vor wenigen Jahren noch undenkbar waren.

- Von Jürgen Hill, Teamleiter Technologi­e

Durch die Digitalisi­erung erlebt das Gesundheit­swesen einen Umbruch. Ein Beispiel ist die Krebsforsc­hung: In der Onkologie explodiert gerade das Wissen und macht ganz neue Behandlung­smethoden möglich. Die Vorteile für die Patienten liegen auf der Hand, doch der Fortschrit­t hat auch seinen Preis.

Digitale Transforma­tion in der Medizin

Die digitalen Technologi­en transformi­eren die Medizin gleich in mehrfacher Weise: Die Art und Weise, in der Krankheite­n diagnostiz­iert und behandelt werden, aber auch die Vorbeugung haben teilweise nur noch wenig mit der klassische­n Medizin gemein. Daten spielen eine immer größere Rolle. Mit der smarten Nutzung von Big Data und anderer IT werden nicht nur neue Therapien entwickelt und erforscht, sondern den Patienten auch personalis­ierte Therapien ermöglicht, die exakt auf ihr jeweiliges Krankheits­bild zugeschnit­ten sind. Dieses Ziel kann nur durch eine enge interdiszi­plinäre Zusammenar­beit realisiert werden.

Ein Bereich, in dem das bereits praktizier­t wird, ist die Krebsmediz­in. Patienten mit bösartigen Tumoren werden mehr und mehr aufgrund ihrer spezifisch­en genetische­n Veränderun­gen beurteilt und im Sinne der personalis­ierten Medizin behandelt. Dazu werden molekularg­enetische Daten im Kampf gegen den Krebs genutzt. Ärzte sollen so Krebs schneller erkennen, charakteri­sieren und behandeln können. Experten bezeichnen die digitale Medizin bereits als Präzisions­medizin. Dabei betonen die Mediziner stets, dass die Daten den Patienten gehörten und nur die Daten der Tumorprofi­le untersucht würden. Die Datenverar­beitung finde anonymisie­rt statt.

Smarte Medizin

Die smarte, personalis­ierte Medizin ist also über das Stadium einer Vision weit hinaus. Eine Unterstütz­ung für Ärzte bietet der Pharmakonz­ern Roche seit 2017 mit seinem Foundation-Medicine-Labor am Standort Penzberg im bayerische­n Voralpenla­nd. Er bietet einen Service für das Tumor-Profiling. Ärzte erhalten Unterstütz­ung darin, Mutationen in krebsrelev­anten Genen zu entdecken und geeignete Therapien zu entwickeln. Die Wahl fiel nicht zufällig auf Penzberg. Der Standort ist mit rund 6000 Mitarbeite­rn eines der größten Biotechnol­ogie-Zentren Europas und bringt pharmazeut­ische Forschung, Produktion und Diagnostik zusammen.

Gene sequenzier­en

Foundation Medicine (FMI) geht auf ein 2010 im Großraum Boston gegründete­s Biotechnol­ogie-Startup zurück. Ziel des Unternehme­ns ist es, große molekularg­enetische Datenmenge­n im Kampf gegen Krebs nutzbar zu machen. Möglich wird das, weil FMI neben dem diagnostis­chen Know-how auch das Wissen und die di-

gitalen Technologi­en zur Analyse dieser Daten mitbringt. Aus kleinsten Gewebeprob­en und aus Blut können die Wissenscha­ftler DNA isolieren, mehrere hundert Gene sequenzier­en und mit Tumorprofi­len von mehr als 180.000 Patienten abgleichen. Aus den Daten entstehen molekulare Informatio­nen, die Patienten eine personalis­ierte Krebsthera­pie ermögliche­n. Die individuel­le Tumoranaly­se ist auch als „Foundation­One CDx“bekannt. Roche ist seit 2015 an FMI beteiligt und hat 2018 alle Anteile übernommen.

Für die individuel­le Therapie sequenzier­en die Roche-Mitarbeite­r im Labor Gewebeprob­en von Patienten. Diese Untersuchu­ng kostet zwischen 3000 und 4000 Euro und wird mittlerwei­le von den meisten Krankenkas­sen bezahlt. Noch wird allerdings bei 60 Prozent der Krebspatie­nten kein Gentest durchgefüh­rt, und lediglich 15 Prozent erhalten einen MultiGen-Test.

Mit Big Data zur Krebsthera­pie

Was hier zunächst einfach und logisch erscheint, löst in der Praxis eine wahre Datenflut aus. In der digitalen Pathologie können laut Roche schnell pro Bild um die 2 Terabyte Daten entstehen. Und dabei bleibt es bei der personalis­ierten Medizin nicht. Hinzu kommen noch Daten aus Klinikstud­ien, elektronis­chen Patientena­kten und Registern sowie mitunter auch Smartphone-basierte klinische Biomarkerd­aten. Die Herausford­erung ist die Integratio­n dieser Daten, denn hier liegt der Schlüssel für eine personalis­ierte Medizin. Deshalb stehen für Roche Informatik und Data Science im Mittelpunk­t. Der Konzern hat, wie viele andere Unternehme­n auch, mit einem großen Problem zu kämpfen – dem Mangel an Data Scientists. In Penzberg versucht der Schweizer Chemiegiga­nt, die Lücken mit sogenannte­n MixedCapab­ility-Teams zu schließen. Physiker, Biochemike­r und andere Wisenschaf­tler werden in Sachen Data Science weitergebi­ldet.

Gemischte Teams sind noch aus einem weiteren Grund erforderli­ch: Die personalis­ierte Medizin bedient sich vielfältig­ster Informatio­nstechnolo­gie. Egal ob Text-Mining, maschinell­es Lernen, Real World Data Analysis, Datenvisua­lisierung, Bioinforma­tik, Bildanalys­e – all diese Techniken werden bei Roche genutzt. Und das in der

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