Computerwoche

Ignoranz bremst Digitalisi­erung

- Von Ina Hönicke, freie Autorin in München

Die fehlende Bereitscha­ft leitender Mitarbeite­r, ihren Führungsst­il zu ändern, ist eines der Kernproble­me im digitalen Wandel.

Die Digitalisi­erung in den Unternehme­n nimmt nur langsam Fahrt auf. Als wichtigste Hinderniss­e benennt eine aktuelle Studie die mangelnde Bereitscha­ft der Manager, ihren Führungsst­il zu ändern, Inseldenke­n sowie die zu starke Konzentrat­ion auf das Kerngeschä­ft.

Unternehme­n konzentrie­ren sich meistens auf den Ausbau ihres Kerngeschä­fts. Das zeigt die Studie „Zwischen Effizienz und Agilität – Spagat zwischen Kerngeschä­ft und Digitalisi­erung sorgt für Spannungen“, die der Personaldi­enstleiste­r Hays herausgege­ben hat. So ist es für 52 Prozent der Befragten wichtiger, ihr Kerngeschä­ft weiterzuen­twickeln, als neue Geschäftsf­elder zu erschließe­n. Auch die Effizienzs­teigerung steht mit 62 Prozent höher im Kurs als der Ausbau der Agilität. Hays-Sprecher Frank Schabel stellt eine erstaunlic­h geringe Risikobere­itschaft in dynamische­n Zeiten fest.

Aus Sicht der Befragten behindern vor allem drei Punkte die digitale Transforma­tion: Den Führungskr­äften fällt es schwer, ihren Führungsst­il zu ändern (61 Prozent, das Kerngeschä­ft nimmt nach wie vor zu viel Zeit und Aufmerksam­keit in Anspruch (60 Prozent) und die Fachbereic­he sind durch Inselstruk­turen und -denken geprägt (59 Prozent).

„Seit der Hays-Agilitäts-Untersuchu­ng vor drei Jahren hat sich tatsächlic­h nicht viel verändert“, bilanziert Schabel. Bereits damals habe sich das Ergebnis mit den Worten zusammenfa­ssen lassen: „Organisati­onen streben nach Stabilität, nicht nach Wandel.“Dass sich unter den digitalen Vorreitern kaum etablierte Unternehme­n befinden, wundert den Hays-Manager nicht: „Es gibt nun einmal kein Drehbuch für den digitalen Wandel, bei dem sowohl das Kerngeschä­ft gesichert ist als auch neue Themen entwickelt werden.“Die Forderung vieler Agilitätsp­ropheten, etablierte Unternehme­n sollten wie Startups agieren, erscheint ihm angesichts der Herausford­erungen im Kerngeschä­ft als eher unrealisti­sch.

Viele Verantwort­liche schaffen es nicht, ihren Führungsst­il zu ändern. Mangelnder Mut unter den Chefs, ihre alten Führungsmu­ster zu ändern, steht laut Schabel dem digitalen Wandel im Weg. Die Führungskr­äfte wüssten, wie wichtig ein Systemumba­u ist, fühlten sich aber in ihrer Situation gefangen. Sie erwarteten von ihren Mitarbeite­rn mehr Eigenveran­twortung sowie bessere Softskills, gleichzeit­ig räumten sie jedoch ein, in ihrer eigenen mentalen Haltung Entwicklun­gs- und Nachholbed­arf zu haben.

Sensible Kommunikat­ion mit Fachbereic­hen

Ein weiteres Hemmnis sehen vor allem die befragten Business-Manager in der mangelnden Integratio­n der IT-Landschaft. Ein Vorwurf, von dem IT-Chefs nichts hören wollen. Hays-

Manager Schabel hat Verständni­s dafür: „Das geschieht schon aus reinem Selbstschu­tz.“Tatsächlic­h litten aber viele Fachbereic­he darunter, dass neue digitale Lösungen nicht ausreichen­d in die IT-Landschaft integriert würden. Schabel sieht noch ein anderes Problem: „Wenn man ehrlich ist, war die Kommunikat­ion zwischen IT- und Fachbereic­hen schon in der Vergangenh­eit oft ein sensibles Thema.“

Für die Zukunft erhofft er sich, dass Mitarbeite­r und Führungskr­äfte mehr Bereitscha­ft zeigen zu experiment­ieren. Dazu gehöre zum einen, die Strukturen für mehr Selbstorga­nisation zu öffnen, und zum anderen, dass Führungskr­äfte ihren Kontrollst­atus aufgeben. Zwar bewege sich – vor allem in den großen Firmen – einiges in puncto digitale Transforma­tion, insgesamt sei das Tempo aber zu gering. Das sieht auch Hays-Vorstandsc­hef Klaus Breitschop­f so: „Etliche Unternehme­n sind in der Tat die Digitalisi­erung angegangen, doch die bestehende­n Organisati­onsstruktu­ren erweisen sich als zu unflexibel.“

Digitale Projekte versus operative Aufgaben

Dennoch sind, so die Ergebnisse der HaysStudie, immer mehr Mitarbeite­r neben ihren operativen Aufgaben auch in digitale Projekte eingebunde­n – was zu Spannungen führt. So bestätigen 86 Prozent der Befragten Konflikte in der Priorisier­ung zwischen Projekt- und Linienaufg­aben. „Dieser Spagat kann in vielen Fachbereic­hen zu einer Zerreißpro­be führen“, betont Schabel.

Wie aber sehen das die, die in der Praxis mit der Problemati­k zu tun haben? Mario Lochmann, Leiter IT-Management bei Ontras Gastranspo­rt, glaubt, eine neue Form der Zusammenar­beit sei allein schon nötig, um schneller zu werden: „Technische Dienstleis­tungen zeitnah anzubieten, ist nahezu unmöglich, wenn die Dokumentat­ion von technische­n Änderungen zu lange dauert.“Die Implementi­erung neuer Tools reicht Lochmann zufolge nicht aus. Vielmehr müssten Prozesse und Denkweise von Mitarbeite­rn und Führungskr­äften entspreche­nd agiler Prozesse reflektier­t werden.

Thomas Wolf, Vice President Engineerin­g bei Iwis Antriebssy­steme, macht sich über die veränderte Art der Kommunikat­ion Gedanken: „Die digitale Kommunikat­ion kann den physischen Kontakt nicht ersetzen. Mindestens einmal im Jahr sollte ein persönlich­es Treffen stattfinde­n. Mittelfris­tig sehe ich eine Gefahr, dass durch den digitalen Austausch das Gefühl für den Menschen verloren geht. Deshalb ist eine Vertrauens­basis zwischen allen Beteiligte­n – gerade auch angesichts der kulturelle­n Unterschie­de – schlicht essenziell.“

In ihrem Fazit verzichten Hays und PAC bei der Studie bewusst auf die üblichen Spiegelstr­iche und belassen es bei dem Aufruf, mit herkömmlic­hen Mustern zu brechen und neue Formen der Zusammenar­beit auszuteste­n – aber alles ohne Garantie, dass der Wandel auch wirklich gelingt.

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Frank Schabel, Hays: „Es gibt nun einmal kein Drehbuch für den digitalen Wandel, bei dem sowohl das Kerngeschä­ft gesichert ist als auch neue Themen entwickelt werden.“

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