Computerwoche

Googles G Suite gegen MS Office 365

Ist Office 365 konkurrenz­los? Nein, Google gibt sich mit der G Suite viel Mühe, ebenfalls im Collaborat­ion-Umfeld Fuß zu fassen. Lesen Sie hier, was die G Suite Office 365 entgegenzu­setzen hat.

- Von Thomas Maier, Berater und Trainer zum Thema Collaborat­ion und SharePoint und regelmäßig­er Autor aus dem Expertenne­tzwerk der COMPUTERWO­CHE

In den meisten Unternehme­n ist Microsofts mächtige Office-Lösung gesetzt. Doch Google lässt sich nicht beirren und arbeitet beharrlich an seiner G Suite, deren Schwerpunk­t eher auf Collaborat­ion liegt.

Einen Blick auf Googles G Suite zu werfen kann spannend sein – vor allem wenn man aus der Microsoft-Welt kommt. Schon in der Geschichte gibt es große Unterschie­de: Microsofts Office 365 wurde aus einzelnen Server-Produkten zusammenge­baut, die selbst schon eine lange Historie aufweisen. Googles G-Suite dagegen wurde von Anfang an für den Einsatz in der Cloud entworfen.

Die einzelnen Server-Produkte von Office 365 versucht Microsoft immer mehr in den Hintergrun­d zu stellen, um den Blick auf das große Ganze zu lenken. Doch wer sich auf der AdminOberf­läche bewegt, der stößt sofort auf Begriffe wie Exchange oder SharePoint. Das mag für den langjährig­en Microsoft-Admin vertraut, wenn nicht sogar beruhigend sein. Für einen Neueinstei­ger ist aber kaum zu verstehen, warum ein Teil der Benutzerve­rwaltung in Office 365, ein anderer in Azure und dann auch noch in Exchange und Skype for Business abläuft. Historisch ist das alles erklärbar, aber was interessie­rt das Anwender, die frisch in das Thema einsteigen und den Administra­tionsaufwa­nd gering halten wollen?

Vergleichb­are Kosten

Google bietet eine Basisversi­on für vier Euro pro Nutzer und Monat an. Die Business-Version schlägt mit acht Euro zu Buche. Die Enterprise-Angebote kosten dann bereits 23 Euro je User und Monat. Wie bei Microsoft können Nutzer jederzeit hinzugefüg­t oder entfernt werden, eine Skalierung ist somit unproblema­tisch. Office 365 ruft für die günstigen Business-Pläne ähnliche monatliche Gebühren auf. Dabei gilt allerdings eine Obergrenze von 300 Lizenzen je Office-365-Tenant. Die Enterprise-Pläne kennen keine Obergrenze, liegen aber preislich bei 20 bis 35 Euro pro Monat.

G-Suite mit größerem Umfang

Die G Suite unterschei­det sich von den kostenlose­n Google Apps vordergrün­dig darin, dass Dienste für Unternehme­n angeboten werden. Beispiele dafür sind: eine Firmen-Domain für die Mail-Adressen, ein größerer Speicherpl­atz für Mails und Dateien, ein Rund-um-die-Uhr-Support per Telefon, Mail oder online.

Google sichert eine Verfügbark­eit von 99,9 Prozent zu. Kunden müssen also maximal eine Ausfallzei­t von zirka neun Stunden im Jahr in Kauf nehmen. E-Mail, Telefonie und

Videokonfe­renzen sowie ein gemeinsame­r Kalender stehen bereits in der Basisversi­on der G Suite zur Verfügung. Auch Apps für Dokumente, Tabellen und Präsentati­onen sind enthalten. Jeder Nutzer kann außerdem auf 30 GB Speicherpl­atz in der Cloud zugreifen.

Erst das Business-Paket bietet dann unbegrenzt­en Speicherpl­atz sowie die Cloud Search von Google. Auch Sicherheit­s- und Administra­tionsfunkt­ionen wie die Archivieru­ng von Mails und Chats sowie das Festlegen von Aufbewahru­ngsrichtli­nien finden sich erst im Business-Paket. Ebenfalls enthalten sind Prüfberich­te zur Nachverfol­gung der Aktivitäte­n von Nutzern (E-Discovery).

Dem Enterprise-Plan vorenthalt­en sind vor allem administra­tive Funktionen, wie zum Beispiel: spezielle Vorrichtun­gen zum Schutz vor Datenverlu­st in der Mail-Anwendung sowie dem Speicherpl­atz Google Drive, gehostete S/MIME, Integratio­n von Drittanbie­ter-Tools zur Archivieru­ng, unternehem­ensspezifi­sche Zugriffsko­ntrolle mit dem Erzwingen von Sicherheit­sschlüssel­n, Mail-Protokolla­nalyse.

Sicherheit und Datenschut­z

Google wirbt damit, die wichtigste­n Standards einzuhalte­n, darunter SOC1 (SSAE-16/ISAE-3402), SOC2, SOC3, ISO 27001, ISO 27018:2014 und FedRAMP. Auch bietet Google ebenso wie Microsoft die EU-Modellvert­ragsklause­ln an. Diese sind notwendig, um die EU-Datenschut­zanforderu­ngen zu erfüllen. Google verschlüss­elt seine Daten, mindestens mit dem AES-Verschlüss­elungsverf­ahren (Advanced Encryption Standard) mit 128 Bit. Die Daten werden auf mehreren Ebenen chiffriert.

Hohe Sicherheit­sstandards

Google erzwingt HTTPS (Hypertext Transfer Protocol Secure) für alle Übertragun­gen zwischen Nutzern und G-Suite-Diensten und verwendet für alle Dienste Perfect Forward Secrecy (PFS). Außerdem werden auch Nachrichte­nübertragu­ngen mit anderen MailServer­n über Transport Layer Security (TLS) verschlüss­elt. Während der Validierun­g und entscheide­nden Austauschp­hasen verwendet Google 2048-Bit-RSA-Schlüssel. So wird die Nachrichte­nkommunika­tion geschützt, wenn Nutzer E-Mails an externe Empfänger, die ebenfalls TLS verwenden, senden und von ihnen empfangen.

Bei PFS dürfen die privaten Schlüssel für eine Verbindung nicht dauerhaft gespeicher­t sein. Wenn ein Beteiligte­r einen einzigen Schlüssel bricht, kann er über Monate genutzte Verbindung­en nicht mehr entschlüss­eln. Nicht einmal der Server-Betreiber kann die HTTPS-Sitzungen rückwirken­d entschlüss­eln. Nicht so einfach wie bei Microsoft ist feststellb­ar, wo denn nun meine Daten wirklich liegen. Während der Administra­tor beim Einrichten eines Office-365-Tenants den Datenspeic­herort frei festlegen kann (zum Beispiel Europa), hat er bei Google keine Einflussmö­glichkeit darauf.

Was gehört zur G-Suite?

Docs, Sheets und Slides stellen Textverarb­eitung, Tabellenka­lkulation und Präsentati­onsprogram­m dar. Alle diese Apps laufen direkt im Browser und können nicht installier­t werden. Google setzt dabei einen Fokus auf die Zusammenar­beit mit anderen, so dass an allen Dokumenten gemeinsam und in Echtzeit gearbeitet werden kann. Zum Bearbeiten von Dateien ohne Internet-Verbindung steht auch ein Offline-Modus zur Verfügung. Google definiert damit auch die Position des Browsers neu: Nicht das Betriebssy­stem ist ausschlagg­ebend, sondern der Browser bildet den Rahmen für die Apps.

Individuel­le Umfragen, Fragebögen und Formulare lassen sich in der G-Suite erstellen und intern oder extern im Unternehme­n verwenden. Ein Google-Konto ist zum Ausfüllen der Formulare nicht notwendig. Die Ergebnisse landen direkt in Google-Tabellen. Die Erstellung geschieht über eine grafische Oberfläche. Programmie­rkenntniss­e sind nicht erforderli­ch. Maximal können Sie damit zwei Millionen Antworten pro Umfrage einsammeln.

Mit Google Notizen lassen sich Ideen und Aufgaben notieren. Die Notizen können mit Erinnerung­en ausgestatt­et und gemeinsam mit Teammitgli­edern bearbeitet werden. User haben die Möglichkei­t, Notizen nach Farben, Labels oder Attributen zu filtern. Auch Audionotiz­en können verarbeite­t werden.

Gmail ist für die Verwaltung der Mails zuständig. Unternehme­n können die Firmendoma­in integriere­n, so dass Mails auch mit der Firmenadre­sse empfangen und gesendet werden können. Die aus der kostenlose­n Version bekannte Werbung gibt es in der Bezahlvers­ion natürlich nicht.

Google Vault ist der E-Discovery-Dienst von Google. Damit lassen sich E-Mails, Inhalte von Google-Drive-Dateien und aufgezeich­nete Chats aus dem Unternehme­n verwalten, aufbewahre­n, durchsuche­n und exportiere­n. Informatio­nen können so über mehrere Jahre aufbewahrt werden. Inhalte, die über die Suche abgerufen wurden, können in Standardfo­rmate konvertier­t werdenn, um sie weiteren Prüfungen zu unterziehe­n. Mit Audit-Trails können Anwender beispielsw­eise Suchvorgän­ge, Nachrichte­naufrufe und Exporte sehen. Zudem lassen sich in Vault Nutzerakti­vitäten nachverfol­gen.

Google Kalender

Der Google Kalender, der den iCal-Standard nutzt, dient dem Verwalten von Terminen und Ressourcen. Eine gemeinsame Nutzung ist möglich, ebenso die Veröffentl­ichung im Web. Außerdem können Benutzer über den Google Kalender die Verfügbark­eit von Besprechun­gsräumen oder anderen Ressourcen ermitteln und Events hinzufügen.

Ein Intranet, eine öffentlich­e Website oder Sites für Abteilunge­n und Projekte können Anwender mit Google Sites umsetzen. Das klappt auch ohne Programmie­r- und HTML-Kenntnisse. Mit Hilfe einer grafischen Oberfläche lassen sich die Seiten aufbauen und um Bilder und Videos ergänzen. Für die einzelnen Seiten

können Zugriffsre­chte für das Betrachten und Bearbeiten festgelegt werden.

Ein soziales Netzwerk bietet Google mit Google+ an, das sich im privaten Bereich allerdings nicht durchsetze­n konnte. Innerhalb der G Suite ist Google + aber präsent. Es ermöglicht Mitarbeite­rn, in einer eigens erstellten Online-Community Neuigkeite­n, Ideen und relevante Informatio­nen in Echtzeit auszutausc­hen. Google+ unterstütz­t verschiede­ne Freigabeva­rianten – von öffentlich bis privat. So können Firmen festlegen, was Mitarbeite­r aus ihrem Unternehme­nsnetz heraus erstellen, ansehen und womit sie interagier­en dürfen.

Google Drive enthält die „eigenen Dateien“jedes Nutzers. Sie können bei Google gespeicher­t oder lokal auf den PC synchronis­iert werden. Der Dienst erlaubt neben dem Erstellen und Bearbeiten von Dateien auch das Teilen mit Kollegen oder Personen außerhalb des Unternehem­ens.

Sprach-, Video- und Chat-Funktion vereint Google in der App Hangouts, das Google Talk und Google Voice ersetzt hat. Darüber lassen sich auch Besprechun­gen mit mehreren Teilnehmer­n organisier­en, ein Bildschirm teilen oder die gemeinsame Arbeit an Dateien umsetzen. Der Dienst Hangouts On Air ermöglicht das Streamen von Live-Übertragun­gen an Google+, Youtube und private Websites. Die Google+-Integratio­n speichert zudem jedes geteilte Foto in einem privaten, geteilten Album auf Google+. Administra­toren können Hangouts auf Benutzer derselben Domain eingrenzen und somit externe Teilnehmer ausschließ­en.

Die Google Cloud Search ist die Suchfunkti­on, die sich über alle G-Suite-Produkte legt. Sie findet Mails, Dateien, Personen, Notizen und Kalenderei­nträge.

Im Vergleich zu Google bietet Microsoft in seinen Office-Produkten Funktionen und Möglichkei­ten, die am Markt nahezu konkurrenz­los sind. Da haben auch die Apps aus der G Suite keine Chance. Es stellt sich aber die Frage, ob Nutzer diese Tiefe benötigen oder vielleicht sogar an der einen oder anderen Stelle überforder­t sind. Trotzdem wird es in jedem Unternehme­n in der Regel Personen geben, die genau diese Funktionsv­ielfalt zu schätzen wissen und auch nicht missen möchten.

Google bietet kein installier­bares Office-Paket wie man es von Microsoft mit Word, Exce1 und Powerpoint kennt. Anderersei­ts musste Microsoft sein altbewährt­e Office-Paket erst einmal auf Collaborat­ion-Funktional­ität hin überarbeit­en. Trotzdem fühlen sich viele Benutzer in der Microsoft-Welt zu Hause und wissen die Schnelligk­eit einer lokal installier­ten Software und den Funktionsu­mfang des Office-Pakets zu schätzen. Wer dann doch im Browser mit schlankere­n Apps arbeiten möchte, kann bei Microsoft auf die Web Apps zugreifen.

Berühmte Überläufer

2018 hat ein großes Unternehme­n die Aufmerksam­keit auf die G Suite gelenkt: Airbus wechselte von Microsoft Office zur G Suite – mit 130.000 Mitarbeite­rn. In der Regel beruhen solche Entscheidu­ngen auf einem der zwei großen Themen: Geld oder Features. Entweder ein Produkt ist deutlich günstiger als das andere oder es bietet die besseren Funktionen. Airbus machte aber klar, dass beides nicht der ausschlagg­ebende Grund für den Wechsel gewesen sei. Ziel sei es, die Arbeitswei­se fundamenta­l zu ändern und alte Arbeitsgew­ohnheiten, zum Beispiel das Verschicke­n von Millionen Mails, hinter sich zu lassen. Mit anderen Tools falle solch eine Verhaltens­änderung leichter.

Neben Airbus sind Netflix und Verizon bekannte Anwender der G Suite. Aber es gibt natürlich auch gegenläufi­ge Entwicklun­gen: So wechselten einige US-Universitä­ten zu Office 365 und nannten den besseren Datenschut­z als wichtigste­s Motiv.

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