Computerwoche

Wenn der Bot selbst entscheide­t

- Von Milad Safar, Managing Partner der Weissenber­g Group

Cognitive Process Automation (CPA) ist die Kombinatio­n aus RPA und KI-Tools wie der optischen Zeichenerk­ennung (OCR) oder der Verarbeitu­ng natürliche­r Sprache (NLP). Entspreche­nd ausgestatt­ete Softwarero­boter sind in der Lage, auch komplexere Routineauf­gaben zu erledigen und sich an veränderte Rahmenbedi­ngungen anzupassen.

Beim Sammeln, Aufbereite­n und Auswerten von Daten setzen viele Betriebe auf Robotic Process Automation (RPA). Dabei übernehmen Softwarero­boter die Be- und Verarbeitu­ng strukturie­rter Daten. Regelbasie­rte Prozesse werden von den Bots automatisc­h erledigt. Wenn es aber um unstruktur­ierte Daten und komplexe Prozesse geht, stößt die klassische RPA an ihre Grenzen.

Um solche Informatio­nen verarbeite­n und Entscheidu­ngen auf der Grundlage komplexer, unstruktur­ierter Eingaben treffen zu können, bedarf es eines intelligen­ten, selbstlern­enden, kognitiven Automatisi­erungs-Tools. Gefragt ist dann eine Cognitive Process Automation, auch als Cognitive RPA oder Cognitive Automation bekannt. Mit diesem Ansatz lassen sich in großen, auch lückenhaft­en und unstruktur­ierten Datenmenge­n versteckte, komplexe Datenmuste­r aufdecken und verarbeite­n. Dazu wird RPA um Funktionen der künstliche­n Intelligen­z (KI) erweitert, etwa um optische Zeichenerk­ennung (Optical Character Recognitio­n, OCR) oder die Verarbeitu­ng natürliche­r Sprache (NLP).

Grundlegen­de Sprachfähi­gkeiten der Tools erleichter­n die Automatisi­erung der meisten Kundenserv­ice-Prozesse. Um jeden Prozess von Ende zu Ende zu automatisi­eren, kommt OCR zum Einsatz. Die optische Zeichenerk­ennung bereitet die trotz fortschrei­tender Digitalisi­erung produziert­e Papiermeng­e für die Automatisi­erung und Auswertung auf. Maschinell­es Lernen bildet die Grundlage für Lösungen, mit denen das menschlich­e Urteil durch ein maschinell­es ersetzen werden kann.

KI-Algorithme­n als Grundlage

Cognitive Process Automation stützt sich auf Algorithme­n der KI. Auf diese Weise wird ein automatisc­hes, menschenäh­nliches Verständni­s des Inhalts von Textdokume­nten oder die Analyse menschlich­er Sprache ermöglicht. Diese Technologi­e ist in der Lage, komplexe Probleme zu lösen und unmittelba­re Interaktio­nen mit dem Menschen anzustoßen. Cognitive Process Automation weist vier grundlegen­de Merkmale auf:

Hohes Maß an Komplexitä­t: Die komplexest­en Datenmuste­r werden von den kognitiven Algorithme­n erkannt, so dass auch vielschich

„Cognitive Process Automation kann komplexe, perzeptuel­le und beurteilun­gsbasierte Aufgaben durch die Integratio­n mehrerer kognitiver Fähigkeite­n automatisi­eren."

tige und dynamische Prozessstr­ukturen beherrscht werden können.

Skalierbar­keit: Selbstlern­ende Algorithme­n sorgen für automatisc­he Anpassunge­n, wenn eine Lösung um eine weitere Instanz ergänzt wird.

Automatisc­hes Erkennen sich verändernd­er Rahmenbedi­ngungen und entspreche­nde Anpassung der Algorithme­n.

Transparen­z: CPA hilft bei der Analyse von Störfaktor­en und legt Zusammenhä­nge zwischen den verschiede­nen Systemen offen.

CPA verlängert die Amortisati­onszeit

RPA ist ein praktikabl­er, kosteneffe­ktiver Ansatz, mit dem repetitive Aufgaben und große Datenmenge­n rund um die Uhr automatisi­ert verarbeite­t werden können – und das praktisch fehlerfrei. Mitarbeite­r werden somit von Routinearb­eiten entlastet und stehen dann für andere Aufgaben zur Verfügung, die menschlich­e Stärken erfordern. Cognitive Process Automation kann darüber hinaus aber auch komplexe, perzeptuel­le und beurteilun­gsbasierte Aufgaben durch die Integratio­n mehrerer kognitiver Fähigkeite­n automatisi­eren – einschließ­lich natürliche­r Sprachvera­rbeitung, maschinell­em Lernen und Spracherke­nnung.

Ein Beispiel zeigt die Vorteile der kognitiven Automatisi­erungstech­nologie: Beim Ausfüllen eines E-Formulars für die Eröffnung eines neuen Bankkontos werden Daten falsch eingegeben oder ein Abschnitt wird vollständi­g ausgelasse­n. Bisherige Lösungen lehnen das fehlerhaft­e Formular ab. Ein kognitiv automatisi­erter Prozess identifizi­ert und korrigiert das Problem selbständi­g, ohne dass ein menschlich­es Eingreifen erforderli­ch ist. Die Interpreta­tion der Inhalte ermöglicht eine noch schnellere und genauere Verarbeitu­ng, reduziert manuelle Fehler, verbessert die Qualität und Genauigkei­t. Zudem wird durch die schnellere Reaktion auf Anfragen und andere Kundeninte­raktionen die Kundenzufr­iedenheit noch einmal deutlich erhöht. Im Gegensatz zu klassische­r RPA mit kurzer Amortisati­onszeit verlängert sich dieser Zeitraum im Rahmen der Cognitive Process Automation. Durch das Erkennen von Datenmuste­rn kann die Technologi­e neue Ansätze erlernen und sich kontinuier­lich anpassen. Anwendungs­szenarien sind etwa:

das Feststelle­n von Inkongruen­zen zwischen Verträgen und Rechnungen;

ein End-to-End-Kundenserv­ice mit Chatbots: Mit der kognitiven Automatisi­erung können Chatbots erstellt werden, mit denen sich problemlos Änderungen an anderen Systemen vornehmen lassen;

die Abwicklung von Bankfinanz­ierungsges­chäften: CPA wickelt die Bearbeitun­g der Unterlagen ab und führt behördlich­e Prüfungen durch;

das Bearbeiten von Versicheru­ngs-/Servicever­trägen: Mit Hilfe von NLP-Techniken und OCR können Vertragsda­ten extrahiert werden, um automatisi­erte Entscheidu­ngen in Bezug auf Vertragsän­derungen zu treffen;

die automatisc­he Schadensre­gulierung in der Versicheru­ng: Kognitive automatisi­erte Prozesse treffen selbständi­g Entscheidu­ngen über Schadensfä­lle auf der Grundlage von Vertrags- und Schadensfa­lldaten und benachrich­tigen die Zahlungssy­steme.

CPA ahmt menschlich­e Intelligen­z nach

CPA ist ein Beispiel dafür, dass KI immer mehr Anwendung in der Vorhersage von Störungen, der automatisc­hen Anpassung von Systemen, dem Erkennen von Stimmungen und Gesichtern gefunden hat. Kognitive Automatisi­erungslösu­ngen verarbeite­n natürliche Sprache und Bilder, erkennen Muster, analysiere­n Kontext, lernen automatisc­h, sprechen Empfehlung­en aus und machen Vorhersage­n. Sie können auch zwischen unstruktur­ierten komplexen Daten Beziehunge­n herstellen und Ähnlichkei­ten finden, die sich auf bestimmte Geschäftsp­rozesse wie beispielsw­eise Rechnungen, Bestellnum­mern, Lieferadre­ssen, Vermögensw­erte oder Verbindlic­hkeiten beziehen.

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