Docusign-CEO im Interview
Elektronische Signatur ist erst der Anfang.
CW: Sie sind als Anbieter für E-Signaturen gestartet und haben dann die „Agreement Cloud“angekündigt. Was bedeutet das?
DAN SPRINGER: E-Signaturen waren ein guter Startpunkt, weil sie Docusign bekannt gemacht haben. Manche Leute verwenden den Begriff Docusign heute sogar als Verb. Sie sprechen von „Docusignen“, wenn sie elektronische Signaturen verwenden. Aus Sicht unserer Kunden ist die Signatur wichtig, aber nur ein Teil eines übergeordneten Prozesses, in dem es darum geht, eine Vereinbarung oder einen Vertrag rechtsverbindlich abzuschließen.
CW: Was braucht es neben der E-Signatur denn noch?
SPRINGER: Wir haben in den vergangenen Jahren viel mit unseren Kunden gesprochen und kamen so zu unserem Framework. Wir nennen es „System of Agreement“. Es beginnt mit den Vorbereitungen eines Vertrags, reicht weiter über die Signatur und Authentifizierung bis hin zu Folgeaktionen, die durch eine Vereinbarung – zum Beispiel eine Zahlung – angestoßen werden, sowie deren abschließender Verarbeitung. Das ist ein wichtiger Aspekt: das Management von Vereinbarungen. Dabei geht es auch um das verschlüsselte Speichern entsprechender Dokumente, die Suche nach bestimmten Informationen oder auch die Analyse von Dokumenten, um zu lernen, wie das Geschäft funktioniert, oder um Erkenntnisse zur Business-Entwicklung zu gewinnen.
Jedes Unternehmen hat seine eigenen Methoden und Tools dafür entwickelt. Mit der Agreement Cloud wollen wir ihnen helfen, all diese Abläufe effizienter zu handhaben, beispielsweise um Papier in den Büros zu reduzieren, den Anteil manueller Tätigkeiten zu senken oder Prozesse zu automatisieren.
CW: Viele Unternehmen tun sich schwer, ihre Abläufe zu digitalisieren. Wo stehen wir aus Ihrer Sicht derzeit?
SPRINGER: Wenn mich die Leute fragen: Wer sind eure Konkurrenten?, dann antworte ich: Unser größter Konkurrent ist Papier, kein anderer Softwareanbieter. Im Bereich der E-Signaturen sind wir sechsmal so groß wie der nächste Verfolger. Die wirklich ernst zu nehmenden Konkurrenten sind papierbasierende Prozesse in den Unternehmen. Es gibt noch viel zu tun. Der Markt für Signaturen ist weltweit etwa 25 Milliarden Dollar groß, weitere 25 bis 30 Milliarden Dollar entfallen auf angrenzende Funktionsbereiche. Wir sind der größte Anbieter und kommen in diesem Jahr auf rund eine Milliarde Dollar Umsatz. Das macht deutlich, welch große Rolle Papier immer noch spielt.
CW: Wir sprechen seit Jahrzehnten vom papierlosen Büro. Erwarten Sie, dass es irgendwann einmal Realität wird?
SPRINGER: Ja! Das muss ich ja wohl sagen (lacht). Aber im Ernst: Wir werden noch eine
ganze Weile mit Papier hantieren. Gut so, wir können noch viele Jahre wachsen!
CW:
Betreibt Docusign seine Cloud-Infrastruktur selbst oder kooperieren Sie mit großen Anbietern wie Amazon Web Services, Google oder Microsoft?
SPRINGER: Den überwiegenden Teil unserer Kunden betreuen wir aus unseren eigenen Cloud-Rechenzentren heraus. Wir unterhalten zwei Ringe von jeweils drei Rechenzentren in Europa und den USA. Diese Data Center sind untereinander verknüpft, so dass wir eine Verfügbarkeit für eSignature von über 99,99 Prozent garantieren können. Alle Verkäufe und Vertragsabschlüsse laufen über unsere Docusign-Systeme. Wenn die nicht funktionieren würden, könnte ein Kunde wie T-Mobile USA keine Verträge abschließen. Das geht natürlich nicht. Deshalb haben wir viel in unsere Infrastruktur investiert.
CW: Wie sehen Ihre Lizenz- und Preismodelle aus?
SPRINGER: Wir bieten sowohl ein umschlag(envelop based) als auch ein anwenderbasierendes Modell an.
CW: Was heißt das?
SPRINGER: Das war eine lustige Idee, weil der Begriff aus der Papierwelt stammt. Wenn Sie jemandem einen Vertrag schicken, kostet Sie das den Versand des entsprechenden Umschlags. In diesen können Sie aber auch 20 weitere Verträge stecken oder andere Dokumente, die ein Partner signieren soll. In der digitalen Welt verwenden wir das gleiche Modell, analog zur Papierwelt. Kunden zahlen nach Kapazität. Sie kaufen Umschläge, in die sie ihre Dokumente stecken können. Wenn es an die Erneuerung des Vertrags geht, schauen wir uns gemeinsam die genutzten Kapazitäten an und passen die Verträge entsprechend an. Für uns liegt der Vorteil darin, dass damit Umsätze besser planbar und vorhersehbar sind.
CW:
Viele deutsche Unternehmen fremdeln noch mit Cloud-basierenden Lösungen. Woran liegt das aus Ihrer Sicht?
SPRINGER: Zum Teil an den gesetzlichen Bestimmungen. Die Common Law Countries USA, Großbritannien, Kanada und Australien haben alle ähnliche gesetzliche Strukturen. Unternehmen in diesen Ländern waren von Anfang an der Cloud gegenüber aufgeschlossen. In den sogenannten Civil-Law-Ländern in Europa und damit auch Deutschland unterscheiden sich die Regeln von Land zu Land. Und das in zweierlei Hinsicht: in Bezug auf die Definition einer elektronischen beziehungsweise digitalen Signatur und auch hinsichtlich der Authentifizierung – wer sind die Teilnehmer und welche Informationen werden benötigt, um das zu überprüfen?
In Common-Law-Ländern versende ich eine E-Mail, ein Dokument oder eine Vereinbarung mit einer digitalen Signatur, der Empfänger unterzeichnet sie und das reicht in den allermeisten Fällen völlig aus. In den Civil-LawLändern werden in aller Regel höhere Anforderungen an die Authentifizierung gestellt, zum Beispiel eine Zwei-Wege-Authentifizierung. Oder es ist eine Identifikation per Ausweis über eine Webcam erforderlich.
Kunden, die hohe Ansprüche an die Authentifizierung stellen, sind meist auch zögerlich in der Akzeptanz der Cloud. Einer unserer Kunden in Deutschland ist Lufthansa. Da es hohe Strafen gibt, wenn sensible Kundendaten verloren gehen oder gestohlen werden, fordern Kunden wie Lufthansa nicht selten Security Reviews und Rechenzentrums-Begehungen. Sie sind extrem vorsichtig. Das gilt auch für viele andere deutsche Kunden.
CW: Werden die Themen Datenschutz und Privacy nicht auch in den Vereinigten Staaten immer wichtiger?
SPRINGER: Auch in den USA wurde in den vergangenen Jahren viel über das Thema Privacy diskutiert – gerade im Zusammenhang mit den großen Social-Media-Anbietern. Aber davor hat sich kaum jemand für das Thema interessiert. Viele Leute sagen zwar, dass ihnen Datenschutz wichtig sei, aber die Praxis zeigt ein ganz anderes Bild. Fragen Sie 100 amerikanische Bürgerinnen und Bürger, ob ihnen Privacy wichtig ist, dann stimmen Ihnen mindestens 95 zu. Fragt man die gleichen Leute, ob sie bereit wären, Daten wie Name, Adresse, Telefonnummer, Ausweisnummer und Kreditkarteninformationen gegen einen Coupon für eine Portion Pommes Frites bei McDonald‘s