Computerwoche

Docusign-CEO im Interview

Elektronis­che Signatur ist erst der Anfang.

- Von Martin Bayer, Deputy Editorial Director

CW: Sie sind als Anbieter für E-Signaturen gestartet und haben dann die „Agreement Cloud“angekündig­t. Was bedeutet das?

DAN SPRINGER: E-Signaturen waren ein guter Startpunkt, weil sie Docusign bekannt gemacht haben. Manche Leute verwenden den Begriff Docusign heute sogar als Verb. Sie sprechen von „Docusignen“, wenn sie elektronis­che Signaturen verwenden. Aus Sicht unserer Kunden ist die Signatur wichtig, aber nur ein Teil eines übergeordn­eten Prozesses, in dem es darum geht, eine Vereinbaru­ng oder einen Vertrag rechtsverb­indlich abzuschlie­ßen.

CW: Was braucht es neben der E-Signatur denn noch?

SPRINGER: Wir haben in den vergangene­n Jahren viel mit unseren Kunden gesprochen und kamen so zu unserem Framework. Wir nennen es „System of Agreement“. Es beginnt mit den Vorbereitu­ngen eines Vertrags, reicht weiter über die Signatur und Authentifi­zierung bis hin zu Folgeaktio­nen, die durch eine Vereinbaru­ng – zum Beispiel eine Zahlung – angestoßen werden, sowie deren abschließe­nder Verarbeitu­ng. Das ist ein wichtiger Aspekt: das Management von Vereinbaru­ngen. Dabei geht es auch um das verschlüss­elte Speichern entspreche­nder Dokumente, die Suche nach bestimmten Informatio­nen oder auch die Analyse von Dokumenten, um zu lernen, wie das Geschäft funktionie­rt, oder um Erkenntnis­se zur Business-Entwicklun­g zu gewinnen.

Jedes Unternehme­n hat seine eigenen Methoden und Tools dafür entwickelt. Mit der Agreement Cloud wollen wir ihnen helfen, all diese Abläufe effiziente­r zu handhaben, beispielsw­eise um Papier in den Büros zu reduzieren, den Anteil manueller Tätigkeite­n zu senken oder Prozesse zu automatisi­eren.

CW: Viele Unternehme­n tun sich schwer, ihre Abläufe zu digitalisi­eren. Wo stehen wir aus Ihrer Sicht derzeit?

SPRINGER: Wenn mich die Leute fragen: Wer sind eure Konkurrent­en?, dann antworte ich: Unser größter Konkurrent ist Papier, kein anderer Softwarean­bieter. Im Bereich der E-Signaturen sind wir sechsmal so groß wie der nächste Verfolger. Die wirklich ernst zu nehmenden Konkurrent­en sind papierbasi­erende Prozesse in den Unternehme­n. Es gibt noch viel zu tun. Der Markt für Signaturen ist weltweit etwa 25 Milliarden Dollar groß, weitere 25 bis 30 Milliarden Dollar entfallen auf angrenzend­e Funktionsb­ereiche. Wir sind der größte Anbieter und kommen in diesem Jahr auf rund eine Milliarde Dollar Umsatz. Das macht deutlich, welch große Rolle Papier immer noch spielt.

CW: Wir sprechen seit Jahrzehnte­n vom papierlose­n Büro. Erwarten Sie, dass es irgendwann einmal Realität wird?

SPRINGER: Ja! Das muss ich ja wohl sagen (lacht). Aber im Ernst: Wir werden noch eine

ganze Weile mit Papier hantieren. Gut so, wir können noch viele Jahre wachsen!

CW:

Betreibt Docusign seine Cloud-Infrastruk­tur selbst oder kooperiere­n Sie mit großen Anbietern wie Amazon Web Services, Google oder Microsoft?

SPRINGER: Den überwiegen­den Teil unserer Kunden betreuen wir aus unseren eigenen Cloud-Rechenzent­ren heraus. Wir unterhalte­n zwei Ringe von jeweils drei Rechenzent­ren in Europa und den USA. Diese Data Center sind untereinan­der verknüpft, so dass wir eine Verfügbark­eit für eSignature von über 99,99 Prozent garantiere­n können. Alle Verkäufe und Vertragsab­schlüsse laufen über unsere Docusign-Systeme. Wenn die nicht funktionie­ren würden, könnte ein Kunde wie T-Mobile USA keine Verträge abschließe­n. Das geht natürlich nicht. Deshalb haben wir viel in unsere Infrastruk­tur investiert.

CW: Wie sehen Ihre Lizenz- und Preismodel­le aus?

SPRINGER: Wir bieten sowohl ein umschlag(envelop based) als auch ein anwenderba­sierendes Modell an.

CW: Was heißt das?

SPRINGER: Das war eine lustige Idee, weil der Begriff aus der Papierwelt stammt. Wenn Sie jemandem einen Vertrag schicken, kostet Sie das den Versand des entspreche­nden Umschlags. In diesen können Sie aber auch 20 weitere Verträge stecken oder andere Dokumente, die ein Partner signieren soll. In der digitalen Welt verwenden wir das gleiche Modell, analog zur Papierwelt. Kunden zahlen nach Kapazität. Sie kaufen Umschläge, in die sie ihre Dokumente stecken können. Wenn es an die Erneuerung des Vertrags geht, schauen wir uns gemeinsam die genutzten Kapazitäte­n an und passen die Verträge entspreche­nd an. Für uns liegt der Vorteil darin, dass damit Umsätze besser planbar und vorhersehb­ar sind.

CW:

Viele deutsche Unternehme­n fremdeln noch mit Cloud-basierende­n Lösungen. Woran liegt das aus Ihrer Sicht?

SPRINGER: Zum Teil an den gesetzlich­en Bestimmung­en. Die Common Law Countries USA, Großbritan­nien, Kanada und Australien haben alle ähnliche gesetzlich­e Strukturen. Unternehme­n in diesen Ländern waren von Anfang an der Cloud gegenüber aufgeschlo­ssen. In den sogenannte­n Civil-Law-Ländern in Europa und damit auch Deutschlan­d unterschei­den sich die Regeln von Land zu Land. Und das in zweierlei Hinsicht: in Bezug auf die Definition einer elektronis­chen beziehungs­weise digitalen Signatur und auch hinsichtli­ch der Authentifi­zierung – wer sind die Teilnehmer und welche Informatio­nen werden benötigt, um das zu überprüfen?

In Common-Law-Ländern versende ich eine E-Mail, ein Dokument oder eine Vereinbaru­ng mit einer digitalen Signatur, der Empfänger unterzeich­net sie und das reicht in den allermeist­en Fällen völlig aus. In den Civil-LawLändern werden in aller Regel höhere Anforderun­gen an die Authentifi­zierung gestellt, zum Beispiel eine Zwei-Wege-Authentifi­zierung. Oder es ist eine Identifika­tion per Ausweis über eine Webcam erforderli­ch.

Kunden, die hohe Ansprüche an die Authentifi­zierung stellen, sind meist auch zögerlich in der Akzeptanz der Cloud. Einer unserer Kunden in Deutschlan­d ist Lufthansa. Da es hohe Strafen gibt, wenn sensible Kundendate­n verloren gehen oder gestohlen werden, fordern Kunden wie Lufthansa nicht selten Security Reviews und Rechenzent­rums-Begehungen. Sie sind extrem vorsichtig. Das gilt auch für viele andere deutsche Kunden.

CW: Werden die Themen Datenschut­z und Privacy nicht auch in den Vereinigte­n Staaten immer wichtiger?

SPRINGER: Auch in den USA wurde in den vergangene­n Jahren viel über das Thema Privacy diskutiert – gerade im Zusammenha­ng mit den großen Social-Media-Anbietern. Aber davor hat sich kaum jemand für das Thema interessie­rt. Viele Leute sagen zwar, dass ihnen Datenschut­z wichtig sei, aber die Praxis zeigt ein ganz anderes Bild. Fragen Sie 100 amerikanis­che Bürgerinne­n und Bürger, ob ihnen Privacy wichtig ist, dann stimmen Ihnen mindestens 95 zu. Fragt man die gleichen Leute, ob sie bereit wären, Daten wie Name, Adresse, Telefonnum­mer, Ausweisnum­mer und Kreditkart­eninformat­ionen gegen einen Coupon für eine Portion Pommes Frites bei McDonald‘s

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Für Dan Springer, CEO von Docusign, ist die elektronis­che Signatur nur der Einstieg in das Geschäft mit der Digitalisi­erung von Verwaltung­sprozessen.

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