Chatbots in der Personalarbeit
Das Training der Systeme ist schwierig.
Text- und sprachbasierte Dialogsysteme können HR-Prozesse beschleunigen, wie erste Erfahrungen mit Chatbots zeigen: Sie verfeinern die Suche nach passenden Kandidaten oder helfen bei administrativen Prozessen wie Reisekostenabrechnung oder Zeugniserstellung. Allerdings müssen Chatbots trainiert werden.
Ob Reisekostenabrechnung, Arbeitszeiterfassung, Krankmeldung oder Arbeitszeugnis, die Deutsche Telekom Services Europe (DTSE), eine Servicegesellschaft innerhalb des Telekom-Konzerns, hat viele HR-Prozesse digitalisiert, um effizienter zu werden. Fordert etwa ein Mitarbeiter im Portal ein Arbeitszeugnis an, erklärt ein Bot dem zuständigen Vorgesetzten Schritt für Schritt das Prozedere. Die Führungskraft vergibt Schulnoten, das Tool sucht in der hinterlegten Datenbank nach passenden Textbausteinen. „Mit dem SelfService für Zeugnisse konnten wir die Personalkosten um 70 Prozent senken, die Kundenzufriedenheit verbessern und die Durchlaufzeit verkürzen“, bilanziert Wolfgang Brnjak von der DTSE.
Text- und sprachbasierte Dialogsysteme wie Chatbots werden in Servicebereichen als günstige Alternative zum Call-Center beliebter. Das bestätigt Hans-Peter Kuessner, der beim ITDienstleister Adesso das Competence Center Cognitive Computing leitet.
Die Vorteile eines Chatbots liegen auf der Hand. „Er wird nie müde und ist immer ohne Wartezeit ansprechbar, unabhängig davon, wie viele User gleichzeitig auf ihn zugreifen. Ein Chatbot ist also skalierbar“, sagt Kuessner. Dennoch ist Kuesssner weit davon entfernt, die Bots als „magische Wunderwaffe“anzusehen: „Wir schalten bei Adesso jedem Chatbot-Projekt möglichst immer einen Proof of Concept vor, mit dem wir erproben, ob der Einsatz überhaupt funktioniert und Sinn ergibt.“Erst dann folgen Anforderungsanalyse, Definition der Entitäten für den Bot, Erstellung des Contents, Training des Bots und die technische Integration. Damit ein Bot die Anfragen der Benutzer richtig einordnen und beantworten kann, müssen ihn Menschen trainieren.
Kuessner nennt ein Beispiel: Ein Event-Bot kann die Anfrage „Kommt man mit öffentlichen Verkehrsmitteln zur Veranstaltung?“nicht der vorher definierten Absicht (Intent) „Anreise“zuordnen und muss dementsprechend nachtrainiert werden. Darum empfiehlt er den Kunden, die Intents immer wieder anhand realer Benutzeranfragen nachzuklassifizieren.
„Chatbots bieten eine schwache künstliche Intelligenz“, erklärt Chatbot-Experte Kuessner.
„Eine starke KI gibt es ja (noch) nicht. Darum empfiehlt es sich, einen Bot auf ein enges Aufgabenfeld zu trainieren. „Je größer das Aufgabenfeld wird, desto leichter reagiert der Chatbot ,verwirrt‘ und verwechselt die Absichten der Benutzer.“
Chatbots werden oft im Service eingesetzt, weil sie preisgünstiger sind als Call-Center. So fallen pro Call-Center-Anruf ungefähr Kosten von fünf Euro an, pro Chat mit einem Bot aber nur zwei Cent. „Allerdings muss der Kunde das wollen“, relativiert Kuessner. Es sei besonders wichtig, dass der Chatbot für den Kunden einen spürbaren Nutzen biete – zum Beispiel durch das Abwickeln von Geschäftsprozessen.
Wo die KI an ihre Grenzen stößt
Im Personalbereich erkennt Kuessner sinnvolle Einsatzmöglichkeiten, aber auch Grenzen: „Chatbots, die bei der Reisekostenabrechnung oder beim Onboarding neuer Mitarbeiter unterstützen, sind hilfreich. Kognitive Systeme, die Bewerbungen scannen und die Persönlichkeit eines Bewerbers auf Basis von LinkedInoder Xing-Profilen vermessen, beurteile ich dagegen skeptisch.“Das habe mit der zweifelhaften Datengrundlage zu tun: „Ein Profil in Xing oder LinkedIn beschreibt immer, wie ein Bewerber gesehen werden will.“Hinzu komme, dass Unternehmen Kompetenz im Bereich Persönlichkeitsanalyse aufbauen müssten, um solche Profile richtig einzuschätzen. Bei der Suche nach Kandidaten können IT-Systeme aber durchaus hilfreich sein, wie das Beispiel von Armin Betz zeigt. Der Personalberater ist seit 23 Jahren im Geschäft und kennt die Nöte der Recruiter, die in der Regel monatelang auf zahlreichen Kanälen und Plattformen suchen, bevor sie eine offene Stelle besetzen können. Darum haben Betz und sein Team von Matchflix ein Tool entwickelt, das Personalern helfen soll, ihre Anforderungsprofile mit den Qualifikationen der Kandidaten abzugleichen, die Matchflix in seiner Datenbank hat.
Anhand ihrer Suchkriterien erhalten die Personaler eine priorisierte Liste mit geeigneten Kandidaten. Ein Algorithmus berechnet nicht nur deren Passgenauigkeit, sondern auch die Wechselwahrscheinlichkeit. Am Ende dieses iterativen Prozesses steht eine Kandidatenliste: Ganz oben finden sich die Talente, deren Profil am besten den Anforderungen der ausgeschriebenen Stelle entspricht. Die Personaler können die Lebensläufe der Kandidaten einsehen und dann entscheiden, wem sie eine Einladung zum Bewerbungsgespräch schicken wollen.
„Je nach Wechselwahrscheinlichkeit ergibt sich die Quote derer, die nach Auskunft ihres Profils wahrscheinlich an einem Wechsel interessiert sind“, erklärt Betz. „Daraus lässt sich ableiten, wie viele Personen angefragt werden sollten, um am Ende tatsächlich Kandidaten zu haben.“
Der Matchflix-Chef rät, Interviewanfragen auch an Kandidaten mit geringer Wechselwahrscheinlichkeit zu schicken, „denn man weiß nie, in welcher Lebenssituation sich jemand gerade befindet“. Der Berliner IT-Dienstleister Beta Systems hatte vergeblich nach einem IT-Consultant gesucht und dann die Bot-gestützte Suche von Matchflix ausprobiert. Sechs Wochen später war der Arbeitsvertrag unterschrieben. Betz betont, dass erst zur Besetzung der Stelle eine Gebühr fällig wird.