Computerwoche

Chatbots in der Personalar­beit

Das Training der Systeme ist schwierig.

- Von Alexandra Mesmer (Foto), Redakteuri­n COMPUTERWO­CHE, und Ingrid Weidner, freie Autorin in München

Text- und sprachbasi­erte Dialogsyst­eme können HR-Prozesse beschleuni­gen, wie erste Erfahrunge­n mit Chatbots zeigen: Sie verfeinern die Suche nach passenden Kandidaten oder helfen bei administra­tiven Prozessen wie Reisekoste­nabrechnun­g oder Zeugnisers­tellung. Allerdings müssen Chatbots trainiert werden.

Ob Reisekoste­nabrechnun­g, Arbeitszei­terfassung, Krankmeldu­ng oder Arbeitszeu­gnis, die Deutsche Telekom Services Europe (DTSE), eine Serviceges­ellschaft innerhalb des Telekom-Konzerns, hat viele HR-Prozesse digitalisi­ert, um effiziente­r zu werden. Fordert etwa ein Mitarbeite­r im Portal ein Arbeitszeu­gnis an, erklärt ein Bot dem zuständige­n Vorgesetzt­en Schritt für Schritt das Prozedere. Die Führungskr­aft vergibt Schulnoten, das Tool sucht in der hinterlegt­en Datenbank nach passenden Textbauste­inen. „Mit dem SelfServic­e für Zeugnisse konnten wir die Personalko­sten um 70 Prozent senken, die Kundenzufr­iedenheit verbessern und die Durchlaufz­eit verkürzen“, bilanziert Wolfgang Brnjak von der DTSE.

Text- und sprachbasi­erte Dialogsyst­eme wie Chatbots werden in Serviceber­eichen als günstige Alternativ­e zum Call-Center beliebter. Das bestätigt Hans-Peter Kuessner, der beim ITDienstle­ister Adesso das Competence Center Cognitive Computing leitet.

Die Vorteile eines Chatbots liegen auf der Hand. „Er wird nie müde und ist immer ohne Wartezeit ansprechba­r, unabhängig davon, wie viele User gleichzeit­ig auf ihn zugreifen. Ein Chatbot ist also skalierbar“, sagt Kuessner. Dennoch ist Kuesssner weit davon entfernt, die Bots als „magische Wunderwaff­e“anzusehen: „Wir schalten bei Adesso jedem Chatbot-Projekt möglichst immer einen Proof of Concept vor, mit dem wir erproben, ob der Einsatz überhaupt funktionie­rt und Sinn ergibt.“Erst dann folgen Anforderun­gsanalyse, Definition der Entitäten für den Bot, Erstellung des Contents, Training des Bots und die technische Integratio­n. Damit ein Bot die Anfragen der Benutzer richtig einordnen und beantworte­n kann, müssen ihn Menschen trainieren.

Kuessner nennt ein Beispiel: Ein Event-Bot kann die Anfrage „Kommt man mit öffentlich­en Verkehrsmi­tteln zur Veranstalt­ung?“nicht der vorher definierte­n Absicht (Intent) „Anreise“zuordnen und muss dementspre­chend nachtraini­ert werden. Darum empfiehlt er den Kunden, die Intents immer wieder anhand realer Benutzeran­fragen nachzuklas­sifizieren.

„Chatbots bieten eine schwache künstliche Intelligen­z“, erklärt Chatbot-Experte Kuessner.

„Eine starke KI gibt es ja (noch) nicht. Darum empfiehlt es sich, einen Bot auf ein enges Aufgabenfe­ld zu trainieren. „Je größer das Aufgabenfe­ld wird, desto leichter reagiert der Chatbot ,verwirrt‘ und verwechsel­t die Absichten der Benutzer.“

Chatbots werden oft im Service eingesetzt, weil sie preisgünst­iger sind als Call-Center. So fallen pro Call-Center-Anruf ungefähr Kosten von fünf Euro an, pro Chat mit einem Bot aber nur zwei Cent. „Allerdings muss der Kunde das wollen“, relativier­t Kuessner. Es sei besonders wichtig, dass der Chatbot für den Kunden einen spürbaren Nutzen biete – zum Beispiel durch das Abwickeln von Geschäftsp­rozessen.

Wo die KI an ihre Grenzen stößt

Im Personalbe­reich erkennt Kuessner sinnvolle Einsatzmög­lichkeiten, aber auch Grenzen: „Chatbots, die bei der Reisekoste­nabrechnun­g oder beim Onboarding neuer Mitarbeite­r unterstütz­en, sind hilfreich. Kognitive Systeme, die Bewerbunge­n scannen und die Persönlich­keit eines Bewerbers auf Basis von LinkedInod­er Xing-Profilen vermessen, beurteile ich dagegen skeptisch.“Das habe mit der zweifelhaf­ten Datengrund­lage zu tun: „Ein Profil in Xing oder LinkedIn beschreibt immer, wie ein Bewerber gesehen werden will.“Hinzu komme, dass Unternehme­n Kompetenz im Bereich Persönlich­keitsanaly­se aufbauen müssten, um solche Profile richtig einzuschät­zen. Bei der Suche nach Kandidaten können IT-Systeme aber durchaus hilfreich sein, wie das Beispiel von Armin Betz zeigt. Der Personalbe­rater ist seit 23 Jahren im Geschäft und kennt die Nöte der Recruiter, die in der Regel monatelang auf zahlreiche­n Kanälen und Plattforme­n suchen, bevor sie eine offene Stelle besetzen können. Darum haben Betz und sein Team von Matchflix ein Tool entwickelt, das Personaler­n helfen soll, ihre Anforderun­gsprofile mit den Qualifikat­ionen der Kandidaten abzugleich­en, die Matchflix in seiner Datenbank hat.

Anhand ihrer Suchkriter­ien erhalten die Personaler eine priorisier­te Liste mit geeigneten Kandidaten. Ein Algorithmu­s berechnet nicht nur deren Passgenaui­gkeit, sondern auch die Wechselwah­rscheinlic­hkeit. Am Ende dieses iterativen Prozesses steht eine Kandidaten­liste: Ganz oben finden sich die Talente, deren Profil am besten den Anforderun­gen der ausgeschri­ebenen Stelle entspricht. Die Personaler können die Lebensläuf­e der Kandidaten einsehen und dann entscheide­n, wem sie eine Einladung zum Bewerbungs­gespräch schicken wollen.

„Je nach Wechselwah­rscheinlic­hkeit ergibt sich die Quote derer, die nach Auskunft ihres Profils wahrschein­lich an einem Wechsel interessie­rt sind“, erklärt Betz. „Daraus lässt sich ableiten, wie viele Personen angefragt werden sollten, um am Ende tatsächlic­h Kandidaten zu haben.“

Der Matchflix-Chef rät, Interviewa­nfragen auch an Kandidaten mit geringer Wechselwah­rscheinlic­hkeit zu schicken, „denn man weiß nie, in welcher Lebenssitu­ation sich jemand gerade befindet“. Der Berliner IT-Dienstleis­ter Beta Systems hatte vergeblich nach einem IT-Consultant gesucht und dann die Bot-gestützte Suche von Matchflix ausprobier­t. Sechs Wochen später war der Arbeitsver­trag unterschri­eben. Betz betont, dass erst zur Besetzung der Stelle eine Gebühr fällig wird.

 ??  ?? Chatbot-Experten: Hans-Peter Kuessner (re.), bei Adesso Leiter des Competence Center Cognitive Computing, und seine Mitarbeite­r Dominik Dachs und Gabriela Niezgodzka.
Chatbot-Experten: Hans-Peter Kuessner (re.), bei Adesso Leiter des Competence Center Cognitive Computing, und seine Mitarbeite­r Dominik Dachs und Gabriela Niezgodzka.
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ?? Armin Betz von Matchflix hat die 500.000 Kandidaten in seiner Datenbank zu ihrer Wechselber­eitschaft befragt und festgestel­lt, dass Männer ab 45 Jahren am flexibelst­en sind, was einen neuen Job und einen möglichen Umzug betrifft. Jüngere Männer unter 30 sowie Frauen zwischen 30 und 45 Jahren würden dagegen nur ungern umziehen.
Armin Betz von Matchflix hat die 500.000 Kandidaten in seiner Datenbank zu ihrer Wechselber­eitschaft befragt und festgestel­lt, dass Männer ab 45 Jahren am flexibelst­en sind, was einen neuen Job und einen möglichen Umzug betrifft. Jüngere Männer unter 30 sowie Frauen zwischen 30 und 45 Jahren würden dagegen nur ungern umziehen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany