Deutsche Bank will sich mit offenem API-Programm fit für die Zukunft machen
Mit der Umsetzung der EU-Richtlinie PSD2 müssen sich klassische Banken mit standardisierten APIs gegenüber Drittanbietern, allen voran Fintechs, öffnen. Viele Institute sehen darin eine Bedrohung, zumal sie die Kundenschnittstelle an andere abgeben müssen. Die Deutsche Bank dagegen erkennt Chancen. Sie entwickelte mit ihrem API-Programm aus der IT heraus ein neues Geschäftsmodell.
In der Finanzwelt herrscht Katerstimmung. So verhagelt den Banken nicht nur die Negativzins-Politik der EU das Geschäft mit den Kunden. Auch die Signale aus Brüssel, wo die Politik mit der Payment Service Directive 2 (PSD2) für mehr Wettbewerb im Finanzsektor sorgen will, finden nicht alle Marktteilnehmer gut. Die Richtlinie sieht nämlich nicht nur sicheres Bezahlen im Online-Handel vor, sondern fordert von den Geldinstituten auch, dass sie Dritten über definierte Schnittstellen (APIs) den Zugriff auf ihre Kunden- und Kontendaten eröffnen – Stichwort Open Banking.
Sogenannte Third Party Payment (TPP) Service Provider – also Anbieter von Kontoinformationsdiensten oder Zahlungsauslösediensten – sollen dann im Auftrag des Payment Service User (PSU, gemeint ist der klassische Kunde) Zahlungen und andere Dienste erbringen können. Damit das möglich wird, benötigen die Dienstleister den Zugriff auf die Kontodaten des Kunden bei seiner Bank – dem Account Servicing Payment Service Provider (ASPSP). Dies soll über ein standardisiertes Interface erfolgen. Hier hat sich The Berlin Group, eine europäische Standardisierungsinitiative der Finanzwirtschaft, auf das „PSD2 compliant Access to Account Interface“, kurz „XS2A Interface“, geeinigt. Mit dem NextGen PSD2 XS2A Framework existiert ein entsprechender Implementierungs-Guide.
Dieses Interface eröffnet Drittanbietern und Startups den benötigten Zugriff auf die Kontodaten der Bankkunden bei den klassischen Instituten, so dass sie mit ihren eigenen Services am Markt agieren können. Angesichts der zahlreichen Fintech-Startups, die längst in den Startlöchern hocken, sehen manche Branchenkenner die Existenz der klassischen Finanzinstitute bedroht. Sie glauben, dass die Fintechs den Etablierten mit innovativen Finanzprodukten die Kunden abjagen könnten. Den Banken bliebe dann nur noch das klassische Geschäft rund um die Kontenverwaltung, dessen Margen wohl kaum zum Überleben reichen werden.
Neue Chancen durch Open Banking
Das ist allerdings nur eine Sicht des Marktes, nicht alle sehen im Open Banking eine Einbahnstraße, die nur Fintechs nutzen können. Auch traditionellen Geldhäusern eröffnen sich neue Geschäftsfelder, vorausgesetzt, sie
nutzen die Chance, sich neu zu positionieren – ein Schritt, den die Deutsche Bank gewagt hat. Aus der IT heraus entstand ein Geschäftsfeld, das sich um das API-Programm des Geldinstituts rankt. Erstmals in der Geschichte der Bank trat damit die IT nicht als interner Dienstleister, sondern als Treiber eines neuen Geschäftsmodells auf.
Das Bekenntnis zum Open Banking löste in der Deutschen Bank einen Veränderungsprozess aus, weil verschiedene Unternehmensbereiche jetzt intensiver als bisher zusammenarbeiten mussten. Das betrifft auch das API-Team selbst, das durchaus nicht den Regeln einer typischen IT-Abteilung folgt. So sind dort neben den Softwareentwicklern viele fachlich orientierte Mitarbeiter zu finden, die in der Rolle von Ideen-Scouts darüber nachdenken, welche neuen Anwendungen und Geschäftsfelder sich mit Bankdaten realisieren lassen.
Letztlich sind alle nötigen Kompetenzen direkt im Team vereint. Neben den Projekt-Managern, Programmierern und Scrum-Mastern gibt es Spezialisten für Produktentwicklung, Marketing und Kommunikation, Community- Manager sowie Ansprechpartner für den Support. Was als Team mit drei Personen begann, ist heute eine Gruppe mit über 30 Mitarbeitern.
Die API-Strategie der Deutschen Bank
Dabei gehen die Banker, wie Joris Hensen, Co-Lead des API-Programms der Deutschen Bank, berichtet, weit über die Bestimmungen der PSD2-Richtlinie hinaus. Neben den APIs, die die Banken im Zuge der EU-Verordnung bereitstellen müssen, offeriert die Deutsche Bank sogenannte Premium-APIs. Sie sollen Drittanbietern Zugang zu Daten gewähren, die von PSD2 nicht abgedeckt sind – beispielsweise Kreditkarten- oder Depotinformationen. Auf welche Informationen eine Drittanwendung Zugriff erhalten soll, bestimmt immer der Kunde, so Hensen, hier gibt es keine Unterschiede zur PD2-Richtlinie.
Die Deutsche Bank sieht im API-Business eine Win-win-Situation für sich und ihre Kunden. Diese erhalten neue Services und können viele Aufgaben komfortabler erledigen als bisher. Ein Beispiel ist „AgeCertificate“, ein API zur automatischen Altersverifikation. Unternehmenskunden wiederum können mit den APIs des Geldhauses manche Prozesse schneller und effizienter gestalten, beispielsweise direkt aus ihren ERP-Systemen heraus SEPA-Überweisungen in Echtzeit initiieren. Das Ganze soll laut Hensen ohne Medienbrüche oder die Gefahr von Transkriptionsfehlern bei der Eingabe in die verschiedenen Systeme vonstatten gehen.
Grundlage für Plattformstrategie
Für die Deutsche Bank selbst ist das API-Programm die Grundlage für ihre digitale Plattformstrategie, mit der sowohl eigene als auch Produkte von Partnern vermarktet werden sollen. „Letztlich wollen wir erreichen, dass man wie in einem Supermarktregal unterschiedliche Produkte findet – und zwar nicht nur unsere eigenen, sondern auch die unserer Partner“, geht Hensen ins Detail.
Bislang konnten die Frankfurter hierfür 22 API-Partner gewinnen. Diese kommen aus den unterschiedlichsten Branchen, da die Deutsche Bank unter dem Schlagwort „Beyond Banking“erklärtermaßen die Grenzen des klassischen Finanzgeschäfts sprengen will. Zu den Partnern zählen beispielsweise Anbieter von Steuersoftware, E-Commerce-Plugins oder die Finanzguru-App zur Verwaltung von Konten und Verträgen. Eine andere Zielgruppe sind mittelgroße Unternehmen, die die API in ihre Buchhaltungssysteme integrieren können, um so auf ihre eigenen Zahlungsdaten zuzugreifen. Unter dem Strich hoffen die Banker viel mehr neue Produkte anzubieten, als sie selbst entwickeln können.
Für Partner und Programmierer hat das Finanzinstitut zudem unter developer.db.com
ein eigenes Entwicklerportal für das API-Programm ins Leben gerufen. Auf dem Portal finden Interessierte etwa die verfügbaren APIs der Deutschen Bank – sowohl die PSD2-API als auch die Premium-APIs. Ferner haben Entwickler die Möglichkeit, über den API-Explorer im Deutsche Bank Developer Portal die Schnittstellen zu testen, ohne in einem ersten Schritt selbst eine Anwendung schreiben zu müssen.
„Rückblickend“, so Hensen abschließend, „braucht es für Open Banking die Bereitschaft, sein eigenes Selbstverständnis zu hinterfragen – sowohl auf Ebene der Bank als auch in Bezug auf die Frage, wie die IT ihren Auftrag definiert.“
APIs im Zentrum der Geschäftsmodelle
Wie die Deutsche Bank machen sich auch andere Finanzinstitute Gedanken, wie sie in Zeiten niedriger Zinsen neue Geschäftsfelder öffnen können. Die Unternehmensberatung Accenture bezeichnet in ihrer Studie „How Banks Can Thrive in an API Economy“APIs als digitalen Klebstoff, der die Ökosysteme rund um Banken zusammenhält. „Eine API-getriebene Architektur ist ein agiles Framework, das User APIs schnell und in großem Maßstab entwickeln, verbreiten und nutzen lässt“, heißt es dort. Indem bestehende Systeme verknüpft würden, könnten die beteiligten Unternehmen viel schneller neue Produkte und Services auf den Markt bringen und so neue Umsatzquellen anzapfen.
Accenture geht sogar davon aus, dass große Banken „API-as-a-Service-Angebote“für kleinere Institute anbieten könnten, um ihre Infrastrukturausgaben optimal zu monetarisieren. „APIs sollten der Kern der neuen Geschäftsmodelle von Banken sein“, schreiben die Berater – auch wenn viele Unternehmen dieser Branche offensichtlich noch am Anfang ständen. Es fehle noch an der nötigen Phantasie, APIs zu monetarisieren, und an der Agilität und Kultur, solche digitalen Ökosysteme aufzubauen.