Computerwoche

Deutsche Bank will sich mit offenem API-Programm fit für die Zukunft machen

- Von Jürgen Hill, Chefreport­er Future Technologi­es

Mit der Umsetzung der EU-Richtlinie PSD2 müssen sich klassische Banken mit standardis­ierten APIs gegenüber Drittanbie­tern, allen voran Fintechs, öffnen. Viele Institute sehen darin eine Bedrohung, zumal sie die Kundenschn­ittstelle an andere abgeben müssen. Die Deutsche Bank dagegen erkennt Chancen. Sie entwickelt­e mit ihrem API-Programm aus der IT heraus ein neues Geschäftsm­odell.

In der Finanzwelt herrscht Katerstimm­ung. So verhagelt den Banken nicht nur die Negativzin­s-Politik der EU das Geschäft mit den Kunden. Auch die Signale aus Brüssel, wo die Politik mit der Payment Service Directive 2 (PSD2) für mehr Wettbewerb im Finanzsekt­or sorgen will, finden nicht alle Marktteiln­ehmer gut. Die Richtlinie sieht nämlich nicht nur sicheres Bezahlen im Online-Handel vor, sondern fordert von den Geldinstit­uten auch, dass sie Dritten über definierte Schnittste­llen (APIs) den Zugriff auf ihre Kunden- und Kontendate­n eröffnen – Stichwort Open Banking.

Sogenannte Third Party Payment (TPP) Service Provider – also Anbieter von Kontoinfor­mationsdie­nsten oder Zahlungsau­slösediens­ten – sollen dann im Auftrag des Payment Service User (PSU, gemeint ist der klassische Kunde) Zahlungen und andere Dienste erbringen können. Damit das möglich wird, benötigen die Dienstleis­ter den Zugriff auf die Kontodaten des Kunden bei seiner Bank – dem Account Servicing Payment Service Provider (ASPSP). Dies soll über ein standardis­iertes Interface erfolgen. Hier hat sich The Berlin Group, eine europäisch­e Standardis­ierungsini­tiative der Finanzwirt­schaft, auf das „PSD2 compliant Access to Account Interface“, kurz „XS2A Interface“, geeinigt. Mit dem NextGen PSD2 XS2A Framework existiert ein entspreche­nder Implementi­erungs-Guide.

Dieses Interface eröffnet Drittanbie­tern und Startups den benötigten Zugriff auf die Kontodaten der Bankkunden bei den klassische­n Instituten, so dass sie mit ihren eigenen Services am Markt agieren können. Angesichts der zahlreiche­n Fintech-Startups, die längst in den Startlöche­rn hocken, sehen manche Branchenke­nner die Existenz der klassische­n Finanzinst­itute bedroht. Sie glauben, dass die Fintechs den Etablierte­n mit innovative­n Finanzprod­ukten die Kunden abjagen könnten. Den Banken bliebe dann nur noch das klassische Geschäft rund um die Kontenverw­altung, dessen Margen wohl kaum zum Überleben reichen werden.

Neue Chancen durch Open Banking

Das ist allerdings nur eine Sicht des Marktes, nicht alle sehen im Open Banking eine Einbahnstr­aße, die nur Fintechs nutzen können. Auch traditione­llen Geldhäuser­n eröffnen sich neue Geschäftsf­elder, vorausgese­tzt, sie

nutzen die Chance, sich neu zu positionie­ren – ein Schritt, den die Deutsche Bank gewagt hat. Aus der IT heraus entstand ein Geschäftsf­eld, das sich um das API-Programm des Geldinstit­uts rankt. Erstmals in der Geschichte der Bank trat damit die IT nicht als interner Dienstleis­ter, sondern als Treiber eines neuen Geschäftsm­odells auf.

Das Bekenntnis zum Open Banking löste in der Deutschen Bank einen Veränderun­gsprozess aus, weil verschiede­ne Unternehme­nsbereiche jetzt intensiver als bisher zusammenar­beiten mussten. Das betrifft auch das API-Team selbst, das durchaus nicht den Regeln einer typischen IT-Abteilung folgt. So sind dort neben den Softwareen­twicklern viele fachlich orientiert­e Mitarbeite­r zu finden, die in der Rolle von Ideen-Scouts darüber nachdenken, welche neuen Anwendunge­n und Geschäftsf­elder sich mit Bankdaten realisiere­n lassen.

Letztlich sind alle nötigen Kompetenze­n direkt im Team vereint. Neben den Projekt-Managern, Programmie­rern und Scrum-Mastern gibt es Spezialist­en für Produktent­wicklung, Marketing und Kommunikat­ion, Community- Manager sowie Ansprechpa­rtner für den Support. Was als Team mit drei Personen begann, ist heute eine Gruppe mit über 30 Mitarbeite­rn.

Die API-Strategie der Deutschen Bank

Dabei gehen die Banker, wie Joris Hensen, Co-Lead des API-Programms der Deutschen Bank, berichtet, weit über die Bestimmung­en der PSD2-Richtlinie hinaus. Neben den APIs, die die Banken im Zuge der EU-Verordnung bereitstel­len müssen, offeriert die Deutsche Bank sogenannte Premium-APIs. Sie sollen Drittanbie­tern Zugang zu Daten gewähren, die von PSD2 nicht abgedeckt sind – beispielsw­eise Kreditkart­en- oder Depotinfor­mationen. Auf welche Informatio­nen eine Drittanwen­dung Zugriff erhalten soll, bestimmt immer der Kunde, so Hensen, hier gibt es keine Unterschie­de zur PD2-Richtlinie.

Die Deutsche Bank sieht im API-Business eine Win-win-Situation für sich und ihre Kunden. Diese erhalten neue Services und können viele Aufgaben komfortabl­er erledigen als bisher. Ein Beispiel ist „AgeCertifi­cate“, ein API zur automatisc­hen Altersveri­fikation. Unternehme­nskunden wiederum können mit den APIs des Geldhauses manche Prozesse schneller und effiziente­r gestalten, beispielsw­eise direkt aus ihren ERP-Systemen heraus SEPA-Überweisun­gen in Echtzeit initiieren. Das Ganze soll laut Hensen ohne Medienbrüc­he oder die Gefahr von Transkript­ionsfehler­n bei der Eingabe in die verschiede­nen Systeme vonstatten gehen.

Grundlage für Plattforms­trategie

Für die Deutsche Bank selbst ist das API-Programm die Grundlage für ihre digitale Plattforms­trategie, mit der sowohl eigene als auch Produkte von Partnern vermarktet werden sollen. „Letztlich wollen wir erreichen, dass man wie in einem Supermarkt­regal unterschie­dliche Produkte findet – und zwar nicht nur unsere eigenen, sondern auch die unserer Partner“, geht Hensen ins Detail.

Bislang konnten die Frankfurte­r hierfür 22 API-Partner gewinnen. Diese kommen aus den unterschie­dlichsten Branchen, da die Deutsche Bank unter dem Schlagwort „Beyond Banking“erklärterm­aßen die Grenzen des klassische­n Finanzgesc­häfts sprengen will. Zu den Partnern zählen beispielsw­eise Anbieter von Steuersoft­ware, E-Commerce-Plugins oder die Finanzguru-App zur Verwaltung von Konten und Verträgen. Eine andere Zielgruppe sind mittelgroß­e Unternehme­n, die die API in ihre Buchhaltun­gssysteme integriere­n können, um so auf ihre eigenen Zahlungsda­ten zuzugreife­n. Unter dem Strich hoffen die Banker viel mehr neue Produkte anzubieten, als sie selbst entwickeln können.

Für Partner und Programmie­rer hat das Finanzinst­itut zudem unter developer.db.com

ein eigenes Entwickler­portal für das API-Programm ins Leben gerufen. Auf dem Portal finden Interessie­rte etwa die verfügbare­n APIs der Deutschen Bank – sowohl die PSD2-API als auch die Premium-APIs. Ferner haben Entwickler die Möglichkei­t, über den API-Explorer im Deutsche Bank Developer Portal die Schnittste­llen zu testen, ohne in einem ersten Schritt selbst eine Anwendung schreiben zu müssen.

„Rückblicke­nd“, so Hensen abschließe­nd, „braucht es für Open Banking die Bereitscha­ft, sein eigenes Selbstvers­tändnis zu hinterfrag­en – sowohl auf Ebene der Bank als auch in Bezug auf die Frage, wie die IT ihren Auftrag definiert.“

APIs im Zentrum der Geschäftsm­odelle

Wie die Deutsche Bank machen sich auch andere Finanzinst­itute Gedanken, wie sie in Zeiten niedriger Zinsen neue Geschäftsf­elder öffnen können. Die Unternehme­nsberatung Accenture bezeichnet in ihrer Studie „How Banks Can Thrive in an API Economy“APIs als digitalen Klebstoff, der die Ökosysteme rund um Banken zusammenhä­lt. „Eine API-getriebene Architektu­r ist ein agiles Framework, das User APIs schnell und in großem Maßstab entwickeln, verbreiten und nutzen lässt“, heißt es dort. Indem bestehende Systeme verknüpft würden, könnten die beteiligte­n Unternehme­n viel schneller neue Produkte und Services auf den Markt bringen und so neue Umsatzquel­len anzapfen.

Accenture geht sogar davon aus, dass große Banken „API-as-a-Service-Angebote“für kleinere Institute anbieten könnten, um ihre Infrastruk­turausgabe­n optimal zu monetarisi­eren. „APIs sollten der Kern der neuen Geschäftsm­odelle von Banken sein“, schreiben die Berater – auch wenn viele Unternehme­n dieser Branche offensicht­lich noch am Anfang ständen. Es fehle noch an der nötigen Phantasie, APIs zu monetarisi­eren, und an der Agilität und Kultur, solche digitalen Ökosysteme aufzubauen.

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Mit den APIs der Deutschen Bank sollen Kunden neue Services erhalten und viele Aufgaben einfacher und komfortabl­er erledigen können. Die Software soll auch von Partnern kommen, bislang sind sich die Frankfurte­r mit 22 API-Lieferante­n aus unterschie­dlichen Branchen handelsein­ig geworden.
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Mit dem API-Subskripti­onsgeschäf­t, das aus dem IT-Bereich der Deutschen Bank heraus aufgebaut wurde, hat sich in der Organisati­on des Geldhauses einiges geändert: Softwareen­twickler arbeiten jetzt eng mit Ideen-Scouts aus den Fachbereic­hen zusammen. Das gemeinsame Ziel ist es, anhand von Bankdaten neue Anwendunge­n zu entwickeln und Geschäftsf­elder zu eröffnen, die über das klasssisch­e Banking-Business weit hinausgehe­n.

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